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Sprache / Deutsche Sprachwelt DSW / DSW 1 / D.Ein Nudelholz für die Sprache
 

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Ein Nudelholz für die Sprache
Kurzlehrgang für künftige Journalisten, Politiker, Radio- und Fernsehsprecher
von Rolf A. Meyer, Zürich

Deutsche Sprachwelt Ausgabe 1/2000


Das aus vielen Karikaturen bekannte Nudelholz - auch Nudelwalze, Nudelwalker oder Wallholz genannt - dient zur Flächenerweiterung einer Teigmasse. Wer damit seine Sprache breitwalzt, dem gehört dieses brauchbare Haushaltsgerät über den Schädel gezogen.

Vergiß das elende Bibelwort: „Deine Rede sei JA, JA". Das ist zu kurzatmig. Mit klaren Aussagen wirst Du später festgenagelt. Bleib wage, schwammig, sei in der Aussage elastisch und wähl wenn immer möglich den Konjunktiv, auch wenn Du dessen Regeln nicht kennst (wer kennt sie schon!). Sag nie: „ich meine"! Sag: „ich würde meinen" oder „meines Erachtens wäre es besser, daß..." So meidest Du juristische Fußangeln und spätere Forderungsklagen.

Willst Du beim Publikum ankommen, so sag nicht einfach: „Es regnet"; mach's vielmehr wie der erfolgreiche Schweizer Wetterfrosch und sag: „es kommt Regen herunter" - das klingt fülliger. Und wenn Du schreibst, dann niemals: „Regen"! Das wäre zu simpel; schreib: „Meteorwasser" - das erhöht Deine Glaubwürdigkeit. Weshalb nennt sich die Regensteuer für Hauseigentümer in Zürich „Meteorwassersteuer"? Damit ein Steuerschuldner sie auch entrichtet und sich nicht zuvor totlacht.

Ein balzender Hahn - will er Erfolg haben - plustert die Federn und stellt seinen Kamm: Trag auch Du Achselpolster, fixiere Dein Publikum über die Lesebrille, das erheischt Respekt. Sprich Styropor und schreib Fremdwörter, damit zeigst Du Bildung. Soll Deine Rede Gewicht erhalten, so walze sie mindestens auf eine volle Stunde aus, auch wenn Du nichts zu sagen hast. Fidel Castro brachte es auf neun Stunden! Bläh Deine Sprechblasen, bis sie platzen! „Anmieten" macht mehr Eindruck als: „mieten". Die Umsatzkurve „steigt"
nicht einfach: sie „steigt hinauf“. Substantive brauchen Beigemüse: „die grassierende Seuche", „der vorgetragene Vortrag", „die gemachten Erfahrungen", „die geführten Gespräche". Umschreib eine „abnehmende Luftfeuchtigkeit" mit: „Abtrocknung der Luftmassen". Denn: Was dem Darm die Weizenkleie ist fürs Hirn der Sprachballast (deutsches Sprichwort). Zitiere Adorno! Das lähmt jeglichen Wiederspruch. Notfalls reicht auch Horkheimer! Egal, ob das Zitat paßt - Du umhüllst Dich so mit akademischem Nimbus.

Meide Bibelzitate: Bald jeder Pfarrherr hat schnellen Zugriff auf Bibelsoftware; der kleinste Fehler und Du hast die Geistlichkeit am Hals. Ähnlich ist's mit Goethe. Bastle lieber chinesische Sprichwörter! „Wer abends Fische essen will, muß morgens früh aufstehen“. Da kontrolliert (nachkontrolliert) keiner.

So zeigst Du Dein breites Wissen. Sei salbungsvoll wie ein Leichenprediger und hüll Deine Hörer (Zuhörer) in Nebel, sonst (ansonsten) bleiben sie wach und kritisch und schlagen Dir später Deine eigenen Argumente um die Ohren. Bleib mehrdeutig, quallig, gallertig - das erspart Dir spätere Dementis.

Sag nie „ich" oder „mir"! Brauch den Pluralis majestatis - also: „wir" oder „uns" das klingt amtlich und glaubwürdig - nur so schaffst Du Dir Respekt. Schreib nie: bin der Meinung ...“, schreib „der Autor ist der Meinung ...“. Da klebt mehr Druckerschwärze dran. Man soll den Buchwurm nagen hören.

Bevor Du eine Rede hältst, schreib Deine ausgeklügelten Satzgefüge Wort für Wort säuberlich nieder! Nur so kannst du diese fehlerfrei vortragen. Deine Opfer wollen Museumsstaub riechen und Deine papierenen Wendungen knistern hören. Das wirkt beruhigend und auf Dauer den Schlaf fördernd. Wer schläft widerspricht nicht.

Sie politisch korrekt! Das macht Dich bei Frauen beliebt. Vergiß die weiblichen Formen nicht, wenn Du Berufe aufzählst! Auch wenn es nach dem siebenten Beruf allmählich mühsam wird. Nebeneffekt: Dein Vortrag wird länger. Mit „Mitglieder und Mitgliederinnen“ erntest Du vielleicht sogar einen Lacherfolg.
 
Verwende Trendwörter, dann bist Du „in“. Das Wort „kommunizieren“ darf keines falls fehlen, möglichst transitiv, das ist modern: Das wurde bisher noch nicht kommuniziert“. „Extrapolieren“ beeindruckt jeden. Auch ein eingestreuter „Parameter" macht sich gut, falls richtig betont. Ein „Dispositiv" klingt militärisch seriös erarbeitet - besser als ein einfacher „Plan". Ganz nebenbei, wenn wir schon beim Militär sind: Antworte nie mit: „Ja"! Sag klar und deutlich: „Richtig!" - damit zeigst Du Autorität und, daß Du die Materie beherrschst.

Hier eine Liste empfehlenswerter Spreizwörter:
 

sinken:

mildern: 

steigen:

speichern:

ändern:

entfernen:

fallen:

färben:

betreffen:

dauern:

 

absinken, runtersinken

abmildern

ansteigen, aufsteigen

einspeichern abspeichern

abändern

wegentfernen

abfallen, herabfallen

anfärben

anbetreffen

andauern, fortdauern

 

Falls Du bisher nicht gemerkt hast,  lieber Leser, daß all diese Ratschläge ironisch gemeint sind, bist Du der geborene Politiker, Journalist oder Wetterfrosch

Siehe auch "Aufruf zum Verhunzen der deutschen Sprache"

 



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