Schon lange ist „breit" ein handliches Wort, das netterweise ganz problemlos in alle möglichen Satzlücken schlüpft. Doch noch nie, so scheint es, war es so massenhaft verbreitet wie heute. Es hat sich breitgemacht wie Unkraut und eine ganze Reihe anderer Pflanzen verdrängt. Zwar ist es häufig nicht zu ersetzen. Warum aber in den anderen Fällen anders formulieren, warum mühsam nach treffenden Attributen suchen, warum wählen zwischen .,groß", „weit", „stark", „hoch", „viel", „allgemein", „bunt", „bunt gemischt", „fest", .,rege", „vielfältig", „deutlich" und etlichen anderen, wenn „breit- doch alles grob abdeckt? Warum es, was in vielen Fällen möglich wäre, ausrupfen, einfach weglassen? Es klingt doch so schön wichtig, hat doch irgendwie etwas Legitimierendes. Ein Wort eben, das Eindruck schinden soll. Aber es geht allmählich auf die Nerven, wenn man einmal damit angefangen hat, darauf zu achten, wie stereotyp, wie unzählig oft es verwendet wird. Und schließlich hört man nicht mehr hin.
Besonders Politiker sind wie verrückt nach dieser Monokultur. Sie sind sich breiter Zustimmung sicher sowie breiter Akzeptanz und breiter Mehrheit. Sie sehen für ihre Aktionen stets breiten Konsens. Sie erfahren für ihre breite Umsetzung breit angelegter Initiativen breite Unterstützung. Sie berufen sich wieder und wieder auf breiten Rückhalt oder breite Sympathie. Sie fordern gerne breite gesellschaftliche Zusammenarbeit und machen breites Interesse einer breiten Öffentlichkeit aus. Sie sprechen immer ein breites Publikum an, geben einer breiten Mitte politische Heimat und treffen zielgenau breite Wählerschichten. Sie begegnen breiter Verunsicherung wie breitem Unbehagen, breitem Widerspruch, breiter Ablehnung und breiter Empörung mit einem breiten Spektrum breiter Programme, mit breiten Bündnissen und breiten Paletten breit angelegter Maßnahmen. Diese Paletten sind oft sogar breit gefächerte Paletten. Und sie werden zuvor natürlich in breiten Debatten, die breiten Raum einnehmen, breit diskutiert. Sehr schön breit auch diese breite Blüte: „Die Definitionsbreite des Wortes Konjunkturprogramm ist jedenfalls breit."
Doch nicht nur die Politik liebt es breit. Übera1l wuchert das Breitbandwort. Man stößt auf breite Kritik, der Vortrag findet breiten Zuspruch, der Musiker zieht eine breite Zuhörerschaft in seinen Bann, betroffen ist der Mittelstand in seiner gesamten Breite, und „was wir in der Breite gezeigt haben, ist Klasse". Es wird im Vorfeld breit informiert, es wird breit rezipiert, eine breite Spitze von Sportlern macht Hoffnung auf Olympia, es gibt ein breites Gefühl, daß nicht die richtigen Themen angepackt werden. Breite Echos, breite Kreise, breites Ratgebersortiment, breites Netzwerk, breitc Vielfalt, breites Forum, breit geteilte Meinung, breit gefaßter Begriff, breites Sortiment, breite Mischung, breite Software-Unterstützung und so breiter und so breiter. Breit ist platt wie ein tausendfach überfahrener Frosch. Dieses Schicksal hat das Wort nicht verdient. Rettet „breit" durch Verzicht! Damit der breite Strom und das breite Lächeln lebendig bleiben!
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