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Sprache / Rechtschreibreform / Berichte bis 2002 / 6. Erklärung der Deutschen
 

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Erklärung der Deutschen Akademie zur Rechtschreibreform

 

Darmstadt, 3. August 2000    

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung appelliert an alle Zeitungen, Verlage, Betriebe und staatliche Stellen, der Rechtschreibreform endlich, und ohne lange zu fackeln, das wohlverdiente Ende zu bereiten.

Diese Reform war von Anfang an eine Mißgeburt. Man braucht das nicht eigens zu begründen. Das einhellige Votum der führenden Fachleute, wonach sie auf den Schrotthaufen gehöre, genügt. Doch kann man auch die von den Ministern eingesetzte Kommission zitieren, für die wesentliche Änderungen der Reform „unumgänglich notwendig“ sind.

Die einzige veröffentlichte Untersuchung über die Auswirkungen auf die Schule kommt zu einem negativen Ergebnis. Nach all den Manipulationen, die man im Laufe der Zeit erlebt hat, kann man gegenüber anderslautenden Bekundungen aus den Ministerien nur mißtrauisch sein: zumindest haben sie der Öffentlichkeit die Belege dafür vorenthalten. Und jedenfalls können die Erleichterungen beim Erlernen der Schrift bestenfalls minimal sein.

Ob der Staat wirklich – im Gegensatz zur gesamten deutschen Tradition mit Ausnahme des NS-Ministers Rust – die Kompetenz beanspruchen darf, tiefer in die Rechtschreibung einzugreifen, mag zu fragen sein. Aber daß es ein Unding war, gegen den in vielen Umfragen eindeutig zum Ausdruck kommenden Willen der weit überwiegenden Mehrheit der Sprachteilnehmer eine Änderung der Schrift per Octroi durchzusetzen, ist nicht zu bezweifeln.

Angesichts der schlechten Qualität des neuen Regelwerks war eine Vielfalt verschiedener Hausorthographien abzusehen, ein langfristiges Nebeneinander unterschiedlicher Schreibungen, also eine Menge Verwirrung, gerade auch für die Schüler. Denn Schreiben lernt man ja weitgehend in der Praxis des Lesens.

Wenn jetzt von seiten der Ministerien behauptet wird, bei Rücknahme der Reform entstünde Verwirrung an den Schulen, so kann es sich nur um ein kurzfristiges Durcheinander handeln. Das aber ist allemal einem langfristigen vorzuziehen.

Wenn bei Rücknahme der Reform Schüler ihre eigenen Schulbücher zunächst korrigieren müssen, so ist erstens Freude damit verbunden, zweitens lernen sie dabei das Schreiben besser, drittens aber fördert es die demokratische Kompetenz, wenn ihnen früh die Erkenntnis beigebracht wird, daß der Staat, wo er seine Kompetenz überschreitet (indem er meint, dem Volk diktieren zu können, daß es etwa hunderte von Wörtern nicht gibt oder das Schneuzen von Schnauze kommt), scheitern muß. Man kann auch nicht zu früh darauf gebracht werden, daß nicht Reformen als solche gut sind, sehr wohl aber solche, die Verbesserungen bringen – und sei es dadurch, daß ein vernünftiger Zustand wiederhergestellt wird.

Wenn schließlich Minister veranlassen, daß Kindern eine Schreibweise beigebracht wird, von der abzusehen ist, daß sie spätestens 2005 stark verändert wird, so ist das, gelinde gesagt, auffällig. Da sich die Minister aber einmal verrannt haben, muß ihnen die – von Bundeskanzler Schröder so gern beschworene – Zivilgesellschaft zu Hilfe kommen. Indem die, die schon umgestellt haben, die alte, bewährte Schreibung wieder einführen, hätten die Minister, wenn sie klug sind (womit man doch rechnen sollte) die Chance, unter dem Motto „Der Klügere gibt nach“ die Reform aufzugeben. Damit wäre deren Agonie abgekürzt.

Es gehört zu den Eigentümlichkeiten der Debatte um die Reform, daß man weithin gar nicht für möglich gehalten hat, was man auch nicht für möglich halten sollte, daß nämlich Kultusminister derart auf Abwege geraten können. Doch war und ist es der Fall. Solch ein Mißstand gehört aufgehoben; so rasch wie möglich. Daher unser dringender Aufruf, die Einheit der deutschen Schreibung zu retten.

 



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