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Sprache / Artikel zur Sprache XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / 80. Schwamm- u. Blasendeutsch
 

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Schwamm- und Blasendeutsch 
 (Badewannendeutsch)
Die Art, sprachlichen Nebel und Müll zu erzeugen

 

Schwammdeutsch

Schwammdeutsch wird aus Schwammwörtern gebildet. Mit dem Begriff "Schwammwörter" beschäftigte sich erstmals Gustav Adolf Bischoff in der Zeitschrift "Denkendes Volk" (1948, H. 9). Er benutzte das aus dem Lateinischen stammende Wort interessieren (von Interesse = dazwischen sein, beteiligt sein), um darzulegen, daß damit nicht viel gesagt ist, weil es zu viel bedeutet. "Wie ein Schwamm, der ganze Feuchtigkeitsfelder in sich aufnehmen kann, so hat auch dieses "interessante" Wort ganze Begriffsseen in sich verschluckt. Fast zum Zauberwort ist es geworden, mit dem sich denkfaule Skribenten das Leben zu erleichtern suchen." Als Beispiele führt Bischoff an: wertvoll, merkwürdig, beachtenswert, bedeutungsvoll, reizvoll, reizend, prickelnd, und weitere 30 Adjektive. Die Reihe kann fortgesetzt werden.

Ludwig Reiners (1896 - 1957), promovierter Jurist und Staatswissenschaftler, als Stillehrer würdiger Nachfolger von Eduard Engel (1851 - 1938), Stenograph im Deutschen Reichstag und Literaturgeschichtler, sieht einen direkten Zusammenhang zwischen der Verflachung der Sprache und der Verflachung des Denkens. Sprache sei die Voraussetzung für richtiges Denken. Wo schwammige Modewörter (Seifenblasen-, Dunst- und Gummiwörter, Sprachplunder) überhandnehmen, läuft auch das Denken Gefahr, in einem allgemeinen Brei verschwommener Begriffe zu verkleistern, Sprache und Denken verlieren "Schwung, Tatkraft und Leidenschaft".In einer Zeit vermehrter Informationsvermittlung ist eine klare und unmißverständliche Ausdrucksweise unerläßlich. Schwammige Ausdrücke und Begriffe erschweren das Verständnis und führen zu Miß- und Unverständnis. Häufig ist der Leser, noch mehr der Zuhörer, der nicht wie der Leser nachlesen kann, gezwungen, aus dem Kontext zu ermitteln, was gemeint sein könnte. Er ist in die Rolle eines Rätselraters gedrängt mit dem Risiko, eine falsche Lösung gefunden zu haben.

Ein zur Zeit ständig an Beliebtheit zunehmender Schwammausdruck ist die Formulierung von etwas ausgehen. Die Voraussetzung oder ein Grund dafür liegt meistens nicht vor. Dennoch kommt heute kein Politiker, kein Gast beim Fernsehen und niemand im Umgangsdeutsch ohne diese Floskel aus. Warum und vor allem wohin gegangen wird, d. h. welche Folgerung gezogen wird, erfährt niemand. Man wünscht, bliebe er doch da, wo er ist, und überlege, was er mitteilen will. In den meisten Fällen steht das "Ausgehen" für erwarten und annehmen. Weitere Verben, die eine klare Aussage bewirken könnten, sind: glauben, meinen, vermuten, hoffen, unterstellen, der Ansicht sein, die Meinung vertreten, schätzen, voraussetzen, betragen, damit rechnen, befürchten, sagen. Ein weiterer Standard-Schwammausdruck ist das Wort "mehrfach", bei dem man nicht weiß, ist es richtig, d. h. als (unbestimmtes) Vervielfältigungszahlwort für gleichzeitig stattfindende Ereignisse oder Handlungen benutzt, oder (meistens) falsch anstelle von "mehrmals", dem (unbestimmten) Wiederholungszahlwort im Sinne von nacheinander stattfindenden Ereignissen oder Handlungen.

Blasendeutsch

Neben den krassen Schwammwörtern, die den Sachverhalt verschleiern, nehmen die Sprachschlampereien zu. Diese Schreib- und Sprechblasen bestehen aus nichtssagenden Floskeln, Redewendungen und Wörtern. Ihre einzige und überflüssige Funktion liegt darin, die Sprache aufzublähen. Als klassisches Beispiel für die Verhunzung der Sprache wird auf die Wendung "sich bedanken" hingewiesen, die regelwidrig das schlichte "Danken" ersetzt. Die Bürger schwimmen in "Würde-ritis" und "Konjunktiv-itis". Fast jeder zweite Satz beginnt mit "ich würde sagen", "ich würde meinen", "ich würde glauben", "ich würde annehmen", sogar mit "ich würde meinen wollen". Ferner: "auseinander dividieren", "in etwa", "vor Ort", "wenn sie so wollen", "an und für sich" und viele andere.Neuerdings wird mit der penetrant wiederholten Ankündigung "ich denke" eine wichtige Funktion unseres Gehirns herausgestellt, ohne zu wissen, wie denken im Gehirn abläuft. Sprechen und denken sind nicht identisch. Im Sprechen gewährt uns das Gehirn einen Anhalt für das Ergebnis von sehr komplexen und z.Zt. nur teilweise verstandenen Denkvorgängen.

Verständnislosigkeit

Wenn die Menschen so oft aneinander vorbei reden, wenn die Verständnislosigkeit beklagt wird, dann liegt das nicht nur am mangelnden Interesse für einander, sondern auch an der unklaren Ausdrucksweise. Dolmetscher und Entwickler von Sprachcomputern klagen darüber, daß sie oft nicht wissen, was gemeint ist. In einer Liste für Schwamm- und Blasenwörter sind Wörter, Formulierungen und Begriffe erfaßt, die die Ausdruckskraft und die Differenzierungsmöglichkeiten der deutschen Sprache verringern sowie das Sprachempfinden stören. Sie wird regelmäßig ergänzt werden. Vorschläge sind jederzeit willkommen.

Die Rechtschreibreform steht abseits

Die schwammige und schlampige Ausdrucksweise in der Sprache wird durch die Schreibung, in welcher Fassung auch immer, kaum beeinflußt. Nach langem Streit gilt die Rechtschreibreform ab 1. August 1999 in Behörden und Schulen. Agenturen und Verlage beachten die Reform nur teilweise, die F.A.Z., andere Zeitungen und die Hochschulen sind zur alten Schreibweise zurückgekehrt, Wörterbücher zeigen verschiedene Versionen, und der einfache Bürger schreibt je nach Können, Lust oder Laune. Die rechtschreibunabhängige und daher von der Reform deshalb nicht berührte Verhunzung der Sprache nimmt von Jahr zu Jahr zu.

Sprachaufklärung = Mangelware


Auf warnende Worte von den diversen Institutionen, die sich hauptsächlich mit der deutschen Sprache beschäftigen, wartet man vergebens. Allenfalls der zunehmende Gebrauch englischer Wörter und Begriffe wird kritisiert. Wörterbücher fördern das Verbreiten von widersprüchlich verwendeten Wörtern und Wortschöpfungen. Nach erfolgreichem Nachsprechen und -schreiben in einer mehrjährigen "Erprobungsphase" (ca. 7 Jahre) werden die Schwamm- und Hunzelwörter vom Duden in seinen Wörterbüchern aufgenommen und damit als zum "Sprachschatz" gehörig proklamiert. Sein Verhalten ist verständlich; er erfüllt nur seinen Auftrag, die Sprache zu registrieren und zu dokumentieren. Für ihn zählt also nicht die Richtigkeit, sondern die Häufigkeit beim Schreiben und Sprechen, ohne den allzu häufig produzierten Sprachmüll auszusondern. Er stellt sogar Sonderbehälter (Regeln) bereit, um häufig anfallenden Sprachschrott der Nachwelt zu erhalten. Schließlich muß die natürliche Sprachentwicklung, sei sie noch so unsinnig, der Nachwelt erhalten werden. Obwohl kein offizielles Organ für Sprachaufklärung erweckt die sog. Sprachberatungsstelle den Eindruck, der Duden sei für richtiges Schreiben und Sprechen zuständig. So lautet auch sein hochgehaltenes Motto: "In Sachen deutsche Sprache gilt der Duden als Instanz."

Meiden Sie den Trend, Sprachmüll und Sprachnebel zu erzeugen. Helfen Sie mit, die Ausdruckskraft und die Differenzierungsmöglichkeiten der deutschen Sprache zu erhalten.


 



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