Sehr geehrte Damen und Herren!
Akademische Grade sind nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes kein Bestandteil des Namens. Diese Tatsache ist offensichtlich allgemein unbekannt, denn sonst würde der Doktorgrad nicht allerorts, vom Bundestag bis zum Milchladen, auf Namensschildern, in Namens- und Telefonverzeichnissen von Betrieber und Behörden ständig vor den Namen gesetzt. Die an sich korrekte Anrede (nur) mit dem Namen wird anscheinend als unhöflich angesehen. Einen Arzt mit dem Namen, d.h. ohne "Doktor" zu nennen oder gar anzusprechen., scheint völlig undenkbar zu sein,
Erfreulicherweise häufen sich Ausnahmen, indem bei der Nennung von Autoren und Politikern in der Presse und in den Nachrichtensendungen von Funk und Fernsehen der Doktorgrad unerwähnt bleibt. Auch einige (mutige?) Journalisten messen dem Doktorgrad keine und damit die bei der Namensnennung richtige Bedeutung bei.
Nachfolgend versuche ich darzulegen, warum die jetzige Praxis, von der Provinzzeitung bis zu den Mitteilungen des Bundesjustizministeriums, bei der namentlichen Behandlung von Trägern des Doktorgrades änderungsbedürftig ist, mindestens aber die Öffentlichkeit über die Rechtslage informiert werden müßte und wenigstens die Bildner öffentlicher Meinung mindestens erwägen sollten, der Rechtslage entsprechend zu handeln.
Sollten die jeweils zuständigen Damen und Herren selbst einen Doktorgrad erworben haben, nehme ich an, daß sie die Qualifikation für Rang und Stellung ihrer Leistung und nicht dem akademischen Grad verdanken und sie diesen auch nicht als Garantie für den Erhalt ihres Ansehens benötigen.
Hochachtungsvoll! gez. Ulrich Werner
Anlagen
Promotion bewirkt keine Namensänderung Das Urteil des BGH's, wonach der akademische Grad kein Bestandteil des Namens ist, läßt Sinn und Zweck der Promotion unangetastet, eine Leistung anzuerkennen; es bestätigt aber die Auffassung, daß mit der Verleihung des akademischen Grades keine Änderung des Namens eintritt. (Wäre dies der Fall, so könnte sich der Arzt Hans Meier allenfalls "Hans Dr.med. Meier" und nicht nach Belieben "Dr. Hans Meier" oder "Dr. Meier" nennen.)
Eine Namensänderung ist in der Bundesrepublik bei den Landesbehörden zu beantragen und ist kostenpflichtig.
Vorurteil schafft Standesdünkel Mit der "Verdokterung" des Namens wird sein Träger als Absolvent einer Hochschule gekennzeichnet. Die zur Erlangung des akademischen Grades erbrachte Leistung soll unbestritten sein, wenn in Frage gestellt wird, ob die später erfolgende ständige Hervorhebung der Person gegenüber anderen, die den Doktorgrad nicht besitzen, gerechtfertigt ist. Tatsächlich sagt der einmal erworbene akademische Grad nichts über die gegenwärtige Qualität hinsichtlich Leistung, Charakter etc. seines Trägers aus. Wegen der unvollständigen Angabe des Grades (ohne Fakultät) ist auch nichts erkennbar, was eine differenzierte Beurteilung des Schwierigkeitsgrades bei der Erlangung des Doktorgrades ermöglichen könnte.
Wer keinen Dr.-Grad besitzt, aber bspw. ein Staatsexamen oder sogar deren zwei bestanden hat und/oder wesentlich mehr leistet als der Mitbürger mit Dr.-Grad, wird offensichtlich in Anrede und Ansehen zurückgesetzt. Die Auffassung, der Herr Dr. Müller könne mehr, leiste mehr, hat mehr geleistet, sei ein besonderer Mensch, jedenfalls solange nicht das Gegenteil nachgewiesen ist, ist weit verbreitet. Der Herr Müller gilt zunächst höchstens als Durchschnitt. Ein solches Vorurteil beeinträchtigt die zwischenmenschlichen Beziehungen in unserer Gesellschaft. Die öffentliche "Verdokterung" des Namens fördert Klassen- und Standesdünkel.
Vor einiger Zeit hat der Fachausschuß für Umgangsformen im deutschen Tanzlehrerverband vorgeschlagen, bei der Nennung des Namens den akad. Grad und/oder Titel hinter dem Namen anzugeben, und zwar vollständig, mit der Fakultät.
Dipl.-Ing. (etc.) akademischer Grad zweiter Klasse? Obwohl Doktorgrade und Diplomgrade gleichermaßen akademische Grade sind, werden die einer, ständig und die anderen, die Diplomgrade nur selten und dann ausgeschrieben als Berufsbezeichnung (der Diplomingenieur A.B.) hinter dem Namen angegeben, was gleichfalls im Widerspruch zu dem oben gen. BGH-Urteil steht, wonach akademische Grade auch keine Berufsbezeichnung sind. Die ungleiche Handhabung der Grade bewirkt eine Abstufung der Diplomgrade als zweitrangig. Eine solche Herabsetzung ist unbegründet und widerspricht der Tatsache, daß Diplomgrade häufig schwieriger zu erwerber sind als Doktorgrade. Journalistisches Füllwort? Der Einwand, den Dr.-Grad bei Unkenntnis des Vornamens als klingendes Füllwort zu verwenden, kann nicht überzeugen. Meistens steht "Dr." nur anstelle des Vornamens, weil es bequemer ist. Wird aber einmal ausnahmsweise der Vorname hinzugefügt, entstehen Faltichinformationen.
Füllwort und Zierrat oder Information? Der Vorsatz "Dr." vor dem Namen weist nur auf die Promotion als solche hin, Welches Fach der Betreffende studiert hat, ist in den meisten Fällen unbekannt. Gerade diese Information wäre aber für die Beurteilung der Frage wichtig, ob und wie weit der Träger des Doktorgrades auf Grund seines Studiums, auf das mit dem Vorsatz "Dr." hingewiesen wird, für die Ausübung seines Berufes qualifiziert oder im Einzelfall sachkundig ist.
Falsche Information Welche Fehlinformation die unvollständige Dr.-Grad-Nennung geben kann, beweist der Fall "Manfred Köhnlechner", der sich nach seinem Jurastudium als promovierter Jurist mit Naturheilkunde und Akupunktur beschäftigt hat und noch beschäftigt. Wird sein Name mit vorgesetztem "Dr." im Zusammenhang mit Akupunktur oder anderen medizinischen Themen genannt, so muß der diesen Sachverhalt nicht Wissende annehmen, daß es sich um einen promovierten Mediziner handelt. Das ist eine Irreführung der Öffentlichkeit!
Dr.-Grad als Ware Die Träger des Doktorgrades genießen bewußt das Ansehen in der Bevölkerung. "Dr. vor dem Namen bleibt nur dann unbeachtet oder unerwähnt, wenn davor bzw. statt dessen der Professoren- oder ein anderer etwa gleichwertiger Titel steht. Entsprechend intensiv sind aber auch die Versuche von Bürgern ohne Hochschulstudium aber mit Geld, einen akademischen Grad käuflich zu erwerben. Der Marktwert von Graden und Titeln steigt in dem Maße, wie sie in der Öffentlichkeit beachtet werden. (Die Bundesbürger werden darin nur von den Österreichern übertroffen.)
Ausnahmen Die Träger des Doktorgrades fühlen sich, in der und durch die Gesellschaft hervorgehoben, wohl und haben verständlicherweise keine Veranlassung, diesen für sie günstigen Zustand. zu ändern. Immerhin gibt es Äußerungen, wonach auf den akademischen Grad, allerdings unter Zulassung der Nennung, kein Wert gelegt wird, aber nur wenige Ausnahmen wie z.B. Hans-Jürgen Rosenbauer und Werner Schneyder, die auf die Erwähnung ihres Doktorgrades strikt zu verzichten bitten.
Lichtblick oder Ausnahme? Beispielhaft verhielt sich die Stadt Bremen. Vor einiger Zeit hat sie die Anrede von Standesbeamten und Stadtbeamten mit Titel und Amtsbezeichnung abgeschafft.
Reaktionen:
Bei der Bundesregierung landete der Brief im Petitionsausschuß und erzeugte nur laue Luft.
Einige Zeitungen lehnten die (nicht erbetene) Veröffentlichung ab.
Nur das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt in Hamburg reagierte sachlich.
Das deutsche Titelwesen
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