Thema im Tagesgespräch des Bayerischen Rundfunks am 19.Sept. 2009:
Amoklauf in Ansbach: Wie können wir die Schüler schützen?
Gast: Adolf Gallwitz, Kriminalpsychologe, Professor an der Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen Moderation: Christine Krüger
Am Ende der Sendung fragte Moderatorin Frau Krüger Herrn Gallwitz: „Müssen wir mit Trittbrettfahrern rechnen?
Gallwitz: „Die Gefahr ist nie ganz null und deswegen gibt es auch immer eine erhöhte Sensibilität. Wir haben allein bei unserem baden-würtembergischen Amoklauf 100 Trittbrettfahrer gehabt. Aber wir gehen deshalb mal vom Guten aus und gehen davon aus, dass jeder Elternteil sich seine Gedanken um die eigenen Kinder macht.
Da war sie wieder, die auch im Polizeiwesen so beliebte Floskel „davon ausgehen als semantischer Fehlgriff. Ich sah hier eine Gelegenheit, eine einflussreiche und im Ausbildungswesen tätige Person auf die als „Dummdeutschfloskel bezeichnete Wendung hinzuweisen, mit der die Öffentlichkeit immer wieder falsch informiert wird. Ich schrieb daher Herrn Gallwitz unter Bezug auf seinen Schlusssatz im Gespräch:
Sehr geehrter Herr Gallwitz,
das heutige Thema hat auch meine Frau und mich sehr bewegt. Ihre sachkundigen Ausführungen fanden nicht nur unser großes Interesse, sondern auch unsere Zustimmung. Die Erlebnisse mit unserem inzwischen 50 Jahre alten Sohn waren zwar auch nicht gerade harmlos. Aber mit Gewalttaten hat er uns nicht belastet, worauf wir uns nichts einbilden. Muss man doch auch mit Kindern eine gehörige Portion Glück haben.
Ich schreibe Ihnen abseits vom Thema des Tages - als Werber für gutes und richtiges Deutsch. Hier geht es mir nur um eine einzige Formulierung, die sich in den vergangenen Jahren epidemieartig ausgebreitet hat. Besonders im Polizei- und Justizwesen ist sie sehr beliebt. Dementsprechend wird sie (zu) häufig angewendet. Ich meine die Wendung „davon ausgehen. Sie haben sie am Ende der Sendung auch benutzt.
So wird fast regelmäßig in polizeilichen Berichten von etwas „ausgegangen, obwohl der Sachverhalt völlig ungeklärt und unbekannt ist. Beispiel: „Die Polizei geht von Brandstiftung aus., ohne dass eindeutige Erkenntnisse über die Ursache des Brandes vorliegen. Die deutsche Sprache bietet eine Reihe von Verben an, die die Situation klar kennzeichnen. So auch im vorliegenden Fall, wenn also die Brandstiftung nur vermutet oder angenommen wird oder der Verdacht auf Brandstiftung besteht. Mit der Ausgehfloskel wird Wissen vorgetäuscht, wo Unwissen vorliegt, und somit der Sachverhalt verschleiert.
„Davon ausgehen richtig angewendet, wenn also aufgrund der Ermittlungsergebnisse feststeht, dass Brandstiftung vorliegt, müsste auf die Angabe „Die Polizei geht von Brandstiftung aus angegeben werden, welche Folgerung sich aus dieser Erkenntnis ergibt, bspw. „dass nur der Nachbar als Täter in Frage kommt.
Ich möchte Sie bitten, sehr geehrter Herr Gallwitz, falls ich Sie von der Fehlinformation durch die Ausgehwendung überzeugen kann, Ihren sicher großen Einfluss geltend zu machen, um die weitere Verbreitung und Festigung dieser Floskel im Sprachgebrauch zu bremsen. Auf meiner Website zur deutschen Sprache biete ich ausführliche Informationen zum Thema an.
Alles Gute und freundliche Grüße
Ulrich Werner
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