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Sprache / Deutsche Sprachwelt DSW / DSW 1 / D-Lügt der Duden?
 

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Lügt der Duden?
Von Hans Krieger

Deutsche Sprachwelt Ausgabe 1

Gelogen wird nicht nur in der Politik, gelogen wird nicht nur über schwarze Kassen. Gelogen wird auch über die Rechtschreibreform, gelogen wird auch im Duden. Jedenfalls im „Großen Duden", dem neuen zehnbändigen. Mit manipuliertem Quellenmaterial wird der Eindruck erweckt, deutsche Schriftsteller wie Thomas Mann, Stefan Heym oder Edgar Hilsenrath hätten schon vor Jahrzehnten so geschrieben, wie es jetzt die Reformwillkür befiehlt. Sie hätten geschrieben, daß jemand ihnen „Leid tut", der ihnen gar nichts Böses will, sondern nur ihr Mitgefühl weckt, oder ein Konzept, das sie eigentlich „wohldurchdacht" finden, als nur „wohl durchdacht" bezeichnet.

Lügen haben kurze Beine: In der achtbändigen Vorgänger-Ausgabe des „Großen Duden" waren die gleichen Zitate noch korrekt wiedergegeben. Ein klarer Fall von Quellenfälschung; man muß von Wissenschaftsbetrug sprechen. Der „Große Duden" wird hoch gepriesen: Endlich sei mit ihm das Wörterbuch-Chaos überwunden, das seitdem Herbst 1996 herrschte. Doch die jetzige „klare Orientierung" besteht darin, daß die Reform an manchen Stellen zurückgebaut, gar widerrufen und an anderen verschärft wird: Man darf ein Ereignis nun wieder „aufsehenerregend" nennen, eine Speise dagegen nicht mehr, wie noch in der Reformausgabe des „kleinen" Rechtschreib-Duden, „wohlschmeckend", sondern nur noch „wohl schmeckend", womit gesagt wäre, daß sie vermutlich „schmeckend" ist.

Die fragmentarische „Reform der Reform", die hier klammheimlich betrieben wird, ist in sich so widersprüchlich, wie es die Reform selbst schon war. Der „Große Duden" vermehrt das Chaos und dokumentiert, daß die Reformer sich längst in ihrem eigenen Laden nicht mehr auskennen. ... „Wohl verdient" statt „wohlverdient" - das ist eine ebenso einschneidende Sinnentstellung wie die Einfügung eines „vermutlich" in den Text, die einem zensurähnlichen Eingriff gleichkäme. Die Zensur wird hier ausgeübt von einer Reformer-Clique, die sich gegenüber der Öffentlichkeit nicht verantwortet. ... Der Zug ist abgefahren. In Zügen gibt es Notbremsen. Einen Fehler zu korrigieren, ist teuer; ihn nicht zu korrigieren kommt noch teurer, wenn man auch die immateriellen Kosten mitrechnet. ... Der Sieg der Vernunft kommt manchmal spät. Auch für die ungeliebte Rechtschreibreform sollte er möglich sein.

Stellungnahme von Werner Scholze-Stubenrecht, Dudenredaktion

Kein Betrug!

Was allerdings nicht unwidersprochen bleiben kann, sind Behauptungen wie „gelogen wird auch im Duden" und „Ein klarer Fall von Quellenfälschung; man muß von Wissenschaftsbetrug sprechen". Die Einleitung des Wörterbuchs sagt unmißverständlich, daß diese Neuauflage in der neuen Rechtschreibung verfaßt wurde. Das betrifft selbstverständlich auch die Belegzitate, die auf die Schreibweise umgestellt wurden, die heute in allen Schulen des deutschsprachigen Raums gelehrt wird. ... Was soll daran so verwerflich sein, jüngere Texte an die Rechtschreibung des 21. Jahrhunderts anzugleichen? Das Wörterbuch ist keine Dokumentation zur neueren Orthographiegeschichte; die Belege sollen zeigen, daß die Wörter tatsächlich so gebraucht werden, wie es in den Bedeutungsangaben des Wörterbuchs beschrieben wird, und das wird nicht davon berührt, ob im Kontext „daß" oder „dass" steht. In diesem Zusammenhang von „Lüge", „Fälschung" und „Betrug" zu sprechen, ist absurd. 

 



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