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Politikale Korrektnuß
 Darf ich den Zigeuner Zigeuner nennen?
Von Herbert Rosendorfer

Deutsche Sprachwelt AUSGABE 28 Sommer 2007, S. 12
Abdrucke mit freundlicher Genehmigung der DEUTSCHEN SPRACHWELT

Das Wichtigste ist, politisch korrekt zu sein. Das, zum Beispiel, ist schon nicht politisch korrekt, denn es muß selbstverständlich auf gut denglisch political correct heißen, was allerdings nicht korrekt ist, denn, da political in diesem Fall ein Adverb ist, müßte es korrekt politically correct heißen. Sei’s drum, die politikale Korrektizität ist das Um und Auf. Around and Up. Vor einigen Jahren hat eine westdeutsche Großstadt in ihren Vorschriften für die Stadtgärtnerei den schönen Ausdruck Großgrün erfunden, für das politisch offenbar unkorrekte Wort Baum.

Anscheinend ist Baum ein für einen Baum beleidigender Ausdruck. So wie Neger für einen Neger. Beim Baum hat man es, wie man sieht, leicht, der ist politisch korrekt mit Großgrün zu titulieren, beim Neger ist es schwieriger. Schwarzer? Unschön, schwarz ist negativ besetzt: Schwarzgeld, Schwarzfahren, Schwarzmarkt, CSU und so weiter. Afroamerikaner? Das geht in Amerika, nicht bei uns, denn ein hiesiger Neger ist kein irgendwie gearteter Amerikaner. Afroeuropäer? Was aber, wenn der Neger bei uns wohnt, aber aus Amerika stammt? Afroamerikoeuro … Nein, das ist schon wegen der Länge wieder diffamierend. Nichtweißer? Das hat sofort eine negative Konnotation: er ist etwas nicht. Unschön. Unweißer? Entsetzlich, das klingt wie Unhold, Unglück und so fort. Pigmentstarker? Das ist vielleicht ein politisch korrekti-akzeptabler Vorschlag. Am liebsten aber wäre dem Neger: was? welche Bezeichnung? Weißer. Ich für meine Person habe eine ganz andere Bezeichnung für ihn: Mensch.

In fast noch verschärfter Form tritt das Problem beim Zigeuner auf. Ein Zigeuner ist, wie man weiß, kein Zigeuner mehr, das heißt, er ist schon noch einer, und es wäre schade, wenn es ihn nicht gäbe, aber er heißt: Sinti und Roma. „Ich habe gestern einen sympathischen Menschen kennengelernt. Er ist Sinti und Roma.“ Ist er nun  Sinti oder ist er Roma? Die Sinti können die Roma nicht leiden und die Roma die Sinti nicht. Wenn ich versichere, daß ich Zigeuner nicht als Schimpfwort betrachte und verwende, darf ich dann den Zigeuner Zigeuner nennen?

Komischerweise haben die Leute im englischen Sprachraum kein Problem mit gipsy (oder gypsy), die Franzosen nicht mit tzigane oder bohémien. Aber wir Deutschen sind eben politisch korrekter. Oder sollte man Deutscher nicht schreiben? Der Ausdruck hat schon einen leichten Hieb ins politisch Inkorrekte. „Wir Deutschen fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt“ oder „Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun“ und solche Sprüche. Unschön. Man verwende das Wort Deutsch besser nicht mehr. Statt dessen? Preuß und Bayer? So wie Sinti und Roma? Wo bleiben dann die Schwaben? Sachsen und so weiter? „Preußland-Bayerland, Preußland-Bayerland über alles …“ Nein. Es muß etwas in Richtung Großgrün erfunden werden. Die Großgrünerfinder? oder einfach Politkorrektoren?

In Österreich – die brauchen eigentlich auch nicht groß den Mund aufzumachen, die Scherzkekse mit ihrem dauernden Geisterfahren – hat es so etwas übrigens, im Ernst, schon einmal gegeben. Ich bin kurz nach dem Krieg in Kitzbühel in die Schule gegangen, und zu der Zeit hat man sich dort geniert, Deutsch Deutsch zu nennen, und für das Fach „Deutsch“ hat ein Hofrat im Schweiße seines Angesichts den Ausdruck „Unterrichtssprache“ erfunden. „Wenn du nicht sofort … werde ich mit dir unterrichtssprachlich reden!“

Aber alle diese Probleme werden sich sehr bald lösen. Ich habe es ja schon angedeutet: Im Englischen gibt es diese, die Probleme, nicht, wie man beim Gypsy sieht, und es wird ja Zug um Zug (also, um mich verständlich auszudrücken: train by train ) das Denglisch in reines Englisch umgewandelt. Die Fahr… wie hieß das Fahrdings? Dingsaus …? irgendwie so – heißt ja längst Tickett. Wer Fahrkarte sagt (jetzt ist es mir wieder eingefallen: Fahrkarte), der tickett nicht mehr richtig. Bitte also in Zukunft Outtobuildinger, Cleaningdame und, siehe oben: Greatgreen. Hm. Wenn ich nur wüßte, was Tickett auf englisch heißt …

Der Schriftsteller Herbert Rosendorfer ist als „dichtender Richter“ bekannt geworden. Rosendorfers Werk umfaßt über fünfzig Bücher, darunter Romane, Erzählungen, Gedichte, Biographien, Drehbücher und Theaterstücke. Bis 1997 war Rosendorfer Richter am Oberlandesgericht in Naumburg. Seit 1990 ist er Professor für bayrische Literaturgeschichte.

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