Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Sprache / Deutsche Sprachwelt DSW / D.Rettet das Lutherdeutsch
 

  < zurück erweiterte Suche Seite drucken
 

Rettet das „Lutherdeutsch“
Vorstellung eines Unterfangens zur Bewahrung bedrohter Wörter aus der Lutherbibel
Von Gerhard Bauer

Deutsche Sprachwelt Ausgabe 23_Frühling 2006

Die einen sammeln Briefmarken, die anderen Bierdeckel oder noch etwas ganz anderes, wir sammeln „bedrohte Wörter" der deutschen Sprache und haben uns dabei auf die Lutherbibel spezialisiert. Damit sich möglichst viele Menschen durch ,,Wortmeldungen" beteiligen oder den Fortgang des Projekts verfolgen können, wurde dazu ein Netzauftritt eingerichtet: www.lutherdeutsch.de.

„Lutherdeutsch" will jedoch nicht einer wie auch immer gearteten Sprachnostalgie frönen, erst recht liegt es uns ferne, alte gegen neue Bibelübersetzungen auszuspielen. Wir möchten vielmehr einer gewissen Verflachung und Einebnung unserer deutschen Sprache entgegenwirken, deren Ursache mit der gehäuften Verwendung von Anglizismen (Engleutsch, Denglisch) allein noch nicht hinreichend erklärt werden kann.

Die Lutherbibel gilt als Kulturgut deutscher Sprache und ist daher ein ideales Anschauungs- und Untersuchungsobjekt, ein Lackmusstreifen gewissermaßen für Entwicklung oder Veränderung der deutschen Sprache. Anhand der verschiedenen Überarbeitungen läßt sich der Sprachwandel greifbar verfolgen, nachweisen und damit auch belegen; mit der Veränderung der Lutherbibel von 1545 bis in die Gegenwart liegt uns ein Stück Sprachentwicklung vom 16. bis ins 20. Jahrhundert vor.

Methodisch gehen wir dabei folgendermaßen vor: Wir vergleichen vier Lutherübersetzungen miteinander, und zwar die Lutherausgabe letzter Hand, das heißt die Lutherbibel, an der Martin Luther noch selbst, ein Jahr vor seinem Tod, mitgewirkt hat, die sogenannte Biblia Germanica von 1545, dann die sogenannte Jubiläumsbibel von 1912, die Revision von 1964 sowie die derzeit letzte Revision der Lutherbibel von 1984.

Vier Beispiele aus der Liste bedrohter Wörter:

Schalksknecht

1. Mit der letzten Bibelrevision von 1984 ist eine ganze Wortgruppe aus der Lutherbibel verschwunden: der Schalksknecht, die Schalkheit oder einfach der Schalk. Heute steht für „Schalksknecht" der ,.böse Knecht" (Matthäus 25,26). .,Böse", ein Allerweltswort mit moralischem Unterton ist viel weniger differenziert und vermag nicht das wiederzugeben, was mit Schalk gemeint ist. Denn bei dem Schalk schwingt eine gewisse Schläue, List oder auch Hinterlist mit, wie es in der Redewendung „der Schalk blitzt aus seinem Auge" noch zum Ausdruck kommt.

Ruchbar

2. Im Markusevangelium findet sich die Formulierung: „es ward ruchbar, daß er (Jesus) im Hause war". „Ruchbar werden". das hat etwas zu tun mit „riechen", jemanden riechen oder nicht riechen können; das Gerücht oder auch das Eigenschaftswort „anrüchig" hängen damit zusammen. Die Jubiläumsbibel von 1912 verwendete diesen Ausdruck noch, die Revision von 1964 ersetzt ihn - schon nicht mehr ganz so anschaulich und urtümlich - durch „kund werden", und in der heutigen Lutherbibel ist nur noch ein „es wurde bekannt" übriggeblieben - eine Verarmung unserer Sprache, wie wir meinen.

Lotterbube

3. Als sich Paulus auf dem Areopag (Gerichtshof) in Athen über die griechischen Götter äußert, wird er von den anwesenden griechischen Philosophen, Stoikern und Epikureern, nach Luther als „Lotterbube" abgetan (Apostelgeschichte 17,18). Schon die Revision von 1964 konnte mit diesem Ausdruck nichts mehr anfangen und ersetzte ihn durch „Schwätzer". Ein „Lotterbube" ist aber ein weitaus stärkerer Ausdruck, denn er bezieht sich nicht nur auf die Worte des betreffenden Menschen, sondern auf seine Person als Ganzes. Ein  Lotterbube ist eine fragwürdige Gestalt, ein übler Kerl, von dem gewissermaßen nichts Gutes kommen kann - vergleiche auch das „Lotterleben". Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht der Hinweis, daß „lotter" als Adjektiv im fränkischen Dialekt noch vorkommt. Ein Nagel in der Wand kann „lodder" (fränkisch: weiches d sein, das heißt, er ist nicht fest, er bewegt sich; an diesem Nagel sollte man möglichst nichts aufhängen.

Trunken

4. „Sie werden trunken von den reichen Gütern deines Hauses, und du tränkst sie mit Wollust wie mit einem Strom." (Psalm 36,8). Trunken wird heute kaum mehr verwendet, höchstens noch in der Form „be-trunken". Und genau das scheint wohl schon in der Bibelrevision von 1964 als anstößig empfunden worden zu sein, deshalb hat man es durch „satt werden" ersetzt. Zu Luthers Zeiten gab es noch den „Trunk" (heute noch „Um-trunk); „trunken werden" ist mehr als „satt werden", ist viel unkontrollierter, viel ausgelassener, viel enthemmter. Wer trunken ist, dem schwinden die Sinne, dem steigt etwas zu Kopf ... hier nicht der Alkohol oder ein Rauschmittel, sondern „die reichen Güter deines (Gottes)Hauses".

Durch das Auswendiglernen biblischer Texte fallen auch so manche sprachlich-stilistischen Veränderungen auf. „Und es erhob sich ein großer Windwirbel, und die Wellen schlugen in das Boot" klingt anders als: „Es erhob sich ein großer Windwirbel und warf die Wellen in das Boot" (Markus 4,37); oder: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen", klingt anders als: So wird euch solches alles zufallen" (Matthäus 6,33); oder: „Und nach einigen Tagen ging er wieder nach Kapernaum" klingt anders als: .,Nach etlichen Tagen ging er wiederum gen Kapernaum" (Markus 2,1); oder: „Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt" klingt anders als: „... wer an mich glaubt, wird leben, ob er gleich stürbe" (Johannes 11,25).

Mit vielen anderen sind wir der Meinung, daß es durchaus angebracht wäre, sich wieder stärker auf die Wurzeln unserer eigenen Sprache zu besinnen und bewußt auf Wörter und Ausdrücke unserer Sprachtradition zurückzugreifen und diese nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Die Lutherbibel ist geradezu ein Sprachreservoir, ein Sprachbecken, aus dem wir schöpfen können, und „Lutherdeutsch" möchte hier gerne „Wasserträger" sein. Vielleicht kann „Lutherdeutsch" helfen, die sprachliche Kraft, Anschaulichkeit und Bildhaftigkeit der Luthersprache sowie deren theologische Tiefe wieder stärker ins Bewußtsein zu bringen, und somit zur Förderung der deutschen Sprache einen Beitrag leisten.

Gerhard Bauer ist Pfarrer in Bayreuth. Besuchen Sie „Lutherdeutsch“, im Netz und helfen Sie mit, bedrohte Lutherwörter zu bewahren!

www.lutherdeutsch.de

 



zum Seitenanfang < zurück Seite drucken