Fünf der acht Richter im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgericht gaben der Klage der Länder Bayern, Sachsen und Thüringen statt. Sie hatten vorgebracht, mit den detaillierten Regelungen, vor allem dem Verbot der Habilitation, überschreite der Bund seine Kompetenzen. Das sei „eine Revolution von oben, heißt es in der Klageschrift, die das „Hausgut der Länder, also die Bildungshoheit, antaste. Also: Das Rahmengesetz zur Juniorprofessur ist verfassungswidrig.
Damit hat die Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn eine schwere Niederlage erlitten. Denn die Juniorprofessur ist ein zentrales Vorhaben ihrer Bildungspolitik. Sie soll den Weg zur Dauerprofessur beschleunigen. Seit zwei Jahren müssen junge Wissenschaftler nicht mehr als Assistent einem Professor dienen, sondern dürfen sechs Jahre lang selbstständig lehren und forschen. Sie müssen auch keine wortreiche Habilitationsschrift anfertigen. Jetzt bleibt das weltweit fast einzigartige „Fossil Habil, wie UniSpiegel online schrieb, als ein Weg zur Professur erhalten.
Wie Manuel J. Hartung in der ZEIT schrieb (29.07.04), arbeiteten schon jetzt 933 Jungprofessoren an 65 deutschen Universitäten, und eine Reihe von Bundesländern habe die Juniorprofessur im Landesgesetz verankert. „Das Urteil hat die Juniorprofessur als solche nicht infrage gestellt, sage denn auch Bulmahn und kündige an, „sehr zügig ein verfassungskonformes Hochschulgesetz vorzulegen - mit der Juniorprofessur, aber ohne ein Verbot der Habilitation. „Der Bund werde rasch handeln, um die Lage zu befrieden, sagt Harald Schliemann, Justizminister der Thüringer CDU-Regierung.
Doch es reiche nicht aus, die Juniorprofessoren juristisch sauber zu verankern. Vor dem Verfassungsgericht hatte Edelgard Bulmahn auch noch für ein Verbot der Habilitation vorgebracht, daß „die Voraussetzungen für einen fairen Wettbewerb sonst nicht gegeben seien. Die Ministerin weiß, daß viele strukturkonservative Fachbereiche lieber Habilitierte als Juniorprofessoren auf Dauerlehrstühle berufen werden. Sie weiß auch, daß viele Junioren schlecht alimentiert sind, zu viel lehren, zu wenig forschen und nicht wissen, ob sie eine Dauerstelle bekommen. Und Bulmahn weiß ferner, daß sie die Juniorprofessur zum Erfolg führen muß, wenn sie nicht ins Glied ihrer vielen vergessenen Vorgänger eintreten will.
Daher werde Bulmahn, so Hartung, mit Hilfe einiger Länder die Juniorprofessur attraktiver machen müssen, sei es mit Geld oder sei es mit einer Art Jobgarantie bei guter Leistung. „Die Juniorprofessoren werden auf einer Welle der politischen Zustimmung reiten, das wird sie entgegen der Intention mancher Kläger noch befördern, sagt Tassilo Schmitt von der Bildungsdenkfabrik CHE. Bis allerdings die ersten Jungprofessoren auf Lebenszeit-Lehrstühlen sitzen, wird die, Unsicherheit zunehmen, werden sich noch mehr Junioren als bislang parallel habilitieren. Doch auch der parteilose Hamburger Wissenschaftssenator Jörg Dräger sagt: „Die Juniorprofessoren werden es schaffen.
Warum eigentlich die Klage?
Die drei Länder Bayern, Sachsen und Thüringen haben vor dem Verfassungsgericht geklagt, obwohl sie erklärt hatten, nicht gegen die Juniorprofessur zu sein. Zwar waren die Länder dagegen, daß die Habilitation abgeschafft werde und die Juniorprofessur der einzige Weg zur Dauerstelle sei. Im Kern ging es bei der Klage jedoch nicht um die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, sondern um das Bund-Länder-Hickhack. Die Länder wehren sich schon seit Jahren gegen Eingriffe in ihre Kompetenzen im Bildungsbereich. Denn wenn der Bund immer mehr Zuständigkeiten für Schulen und Universitäten übernehme, verlören die Länder eines ihrer letzten Einflußterrains. Hinzu komme: Bildungsministerin Bulmahn habe sich unter ihren Länderkollegen durch ihre mitunter rüde, unkooperative Art viele Feinde gemacht. Diese „apodiktische Art und Weise, wie Bayerns Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) klage, habe viele Länderkollegen gegen sie aufgebracht - selbst Bildungsgenossen aus der SPD. Worum geht es eigentlich bei dem Juniorprofessor? Laut Hartung (ZEIT vom 05.08.04) verteidigen etablierte Professoren den Elfenbeinturm und junge Wissenschaftler haben das Nachsehen. „42 Jahre alt ist ein Wissenschaftler im Durchschnitt, wenn er das Glück hat, zum ersten Mal deutscher Professor zu werden. Mehr als zwanzig Jahre hat er zuvor an der Universität verbracht - als Student, Doktorand und als Assistent eines Professors, dem er zuarbeitet und dem er im Zweifelsfall die lästigen Anfängerseminare für die Erstsemester abnimmt. Mit der Juniorprofessur sollten junge Wissenschaftler eigenverantwortlicher und international konkurrenzfähiger werden - und vor allem: früher in die Karriere einsteigen. Sie können nun schon mit Ende 20, Anfang 30 insgesamt sechs Jahre eigenständig lehren und forschen, genauso, wie es unter anderem in den USA üblich ist.
Die Einführung der Juniorprofessur sollte auch das Ende der Habilitation bedeuten; die Junioren sollten keine totschlägerschwere Schrift mehr anfertigen und sich diese dann von einer Kommission absegnen lassen müssen - ein für manchen Habilitanden demütigendes akademisches Initiationsritual. Die Habilitation ist ohnehin ein Unikum des deutschsprachigen Raums, das „international nicht anschlußgeeignet ist, wie der Wissenschaftsrat bereits im Jahr 2001 feststellte. Der Bund wollte die Juniorprofessur als verbindlichen Weg zur Dauerprofessur festschreiben - und die Habilitation verbieten. Damit sollte verhindert werden, daß Fakultäten den neuen Karriereweg ignorieren und an der Habilitation festhalten.
Diesen Übergriff hat das Verfassungsgericht nun verboten; der Bund überschreite damit seine Kompetenz. Indirekt hat Karlsruhe die Habilitation damit wieder aufgewertet.
Zu den Erfahrungen mit der Juniorprofessur meint Hartung, durch die Juniorprofessur sei es gelungen, eine Reihe von Forschern aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. Die meisten der 933 Juniorprofessoren an 65 Universitäten seien, das zeigten Umfragen, mit ihrer Situation zufrieden. „Alle würden es wieder tun, ist etwa das Fazit einer Umfrage der Humboldt-Universität zu Berlin, an der 45 Juniorprofessoren unterrichten, von denen jeder vierte zuvor im Ausland arbeitete. Bei aller Zufriedenheit mit dem job klagten die Juniorprofessoren jedoch auch über Probleme der Praxis, wie eine Umfrage der „Jungen Akademie, einer Gruppe von Nachwuchswissenschaftlern, im vergangenen Jahr ergäbe. Hauptkritikpunkt seien das Fehlen einer Perspektive; ob sie nach den sechs Jahren Professor seien oder quasiarbeitsloser Privatdozent, sei ungewiß. Der etwa in den USA übliche tenure track, eine Spur zur Dauerprofessur, auf die man bei guter Leistung zur Festanstellung komme, fehle in Deutschland. Zudem kritisierten einige Jungprofessoren, daß sie zu wenig Mitarbeiter und Sachmittel hätten, aber eine zu hohe Lehrverpflichtung, um sich in der Forschung profilieren zu können. Außerdem sei es bislang nicht gelungen, das Einstiegsalter der berufenen Nachwuchswissenschaftler deutlich zu senken.
Daß es beim Übergang zu einem völlig neuen Rekrutierungssystem zu Startschwierigkeiten komme, kann nicht überraschen. Viele Probleme seien Kinderkrankheiten - der nicht vorhandene tenure track nicht; diese fehlende Perspektive führe dazu, daß sich viele Juniorprofessoren nebenbei noch habilitieren wollen. Das führe die Idee ad absurdum.
Welche Konsequenzen hat das Urteil für die gegenwärtigen Juniorprofessoren? Müssen sie um ihre Stellen fürchten? Am vergangenen Wochenende hat Bildungsministerin Bulmahn in einem Brief an alle Juniorprofessoren ihnen versichert, „im Konsens mit den Ländern schnellstmöglich eine bundesrechtliche Regelung über die Juniorprofessur wieder in Kraft zu setzen. Eine Reihe von Bundesländern hat die Juniorprofessur zudem in ihren Landesgesetzen verankert - diese Verträge gelten weiterhin. In den Bundesländern, in denen es noch kein Landesgesetz gibt, trifft das Urteil ihr Beschäftigungsverhältnis auch nicht. Zudem haben auch klageführende Länder erklärt, daß sie die Juniorprofessur nicht grundsätzlich infrage stellen, sondern unterstützen - nur eben als einen Qualifikationsweg neben der Habilitation. Sobald eine verfassungskonforme Bundesregelung vorliegt, werden die Länder die Juniorprofessur in ihren Landesgesetzen verankern. Somit wird es in jedem Bundesland Juniorprofessoren geben. Ihre Zahl wird jedoch von Universität zu Universität unterschiedlich hoch sein. Einige Hochschulen, etwa die Humboldt-Universität, werden die Zahl der Juniorprofessoren weiter erhöhen. Konservative Universitäten werden Habilitierte gegenüber Juniorprofessoren bevorzugen.
Die zukünftigen Karrierewege der jungen Wissenschaftler. Hartung ist der Ansicht, „neben der unterschiedlichen Kultur an den einzelnen Universitäten wird es auch eine unterschiedliche Kultur in den einzelnen Fachbereichen geben. In den Natur- und Ingenieurwissenschaften wird sich die Juniorprofessur durchsetzen. Schon jetzt spielt die Habilitation dort keine große Rolle mehr; Naturwissenschaftler verfassen meist eine so genannte kumulative Habilitation, bei der sie diverse Aufsätze aus Fachzeitschriften bündeln und mit einem gemeinsamen Vorwort versehen. Der reflexartige Ruf, alle Juniorprofessoren sollten nun eine Habilitation nachliefern, ist somit Panikmache. Bei den Geisteswissenschaftlern und Juristen wird die Habilitation jedoch zumindest auf mittlere Sicht der vorherrschende Weg bleiben - dazu beharren Standesorganisationen und Fachbereiche zu stark auf dem überkommenen Karrierepfad. Daß in den Geisteswissenschaften ein „zweites Buch, eine zweite große Forschungsarbeit nach der Promotion, notwendig ist, bestreiten auch die Juniorprofessoren nicht. Sie wissen, daß sie ein solches Buch schreiben müssen. Allerdings müssen sie mit dem Werk nicht vor einer Kommission bestehen wie bei der Habilitation, sondern, wenn sie sich für eine Professur bewerben, auf dem akademischen Arbeitsmarkt.
Zu den Erfolgsaussichten der Juniorprofessur meint Hartung, viele Juniorprofessoren hätten den Untergang der Assistenzprofessoren aus den siebziger Jahren als Warnung vor Augen - diese waren den heutigen Juniorprofessoren vom Konzept sehr ähnlich und seien mit demselben Argument eingeführt worden: Es sollte Schluß sein mit der „Helotentätigkeit des vom Ordinarius abhängigen Assistenten, wie es damals hieß. Die Assistenzprofessoren seien allerdings schon nach kurzer Zeit an Arbeitsüberlastung und am Beharrungsvermögen der Hochschulen gescheitert. Daß dieses Schicksal den Juniorprofessoren widerfahre, sei möglich - aber unwahrscheinlich. Mittlerweile gäben selbst Gegner der Juniorprofessur zu, daß sie an deren Erfolg glaubten. Bildungsministerin Bulmahn warnte aber schon vor dem Bundesverfassungsgericht, daß „die Voraussetzungen für einen fairen Wettbewerb nicht gegeben seien, wenn neben der Juniorprofessur auch die Habilitation bestehen bleibe. Daher müßten nun die Kritikpunkte an der Juniorprofessur ausgeräumt werden - vor allem die unsichere Berufsperspektive. Wer viel leiste, solle sich auch sicher sein, nach sechs Jahren nicht auf der Straße zu sitzen.
Was wird aus der anhängigen Klage betreffend Verbot der Studiengebühren, das dem selben Senat zur Entscheidung vorliegt? Mit dem Verbot von Studiengebühren hat die Bundesregierung ein Wahlkampfversprechen eingelöst. Gegen dieses Verbot haben sechs unionsregierte Bundesländer - Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt - vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Die Länder argumentieren wie bei der Klage gegen die Juniorprofessur: der Bund überschreite seine Kompetenzen. Da derselbe Senat über die Klage entscheidet, ist zu erwarten, daß auch dieses Verbot fällt. Allerdings gibt es da einen Hoffnungsschimmer. Wie das Bundesverfassungsgericht verlautbart, dürfe der Bund in der so genannten Rahmengesetzgebung Entscheidungen fällen, wenn „ohne sie gleichwertige Lebensverhältnisse nicht hergestellt oder die im gesamtstaatlichen Interesse stehende Rechts- oder Wirtschaftseinheit nicht gewahrt werden können. Regelungen für die Juniorprofessur dürften gleichwertige Lebensverhältnisse viel geringer beeinträchtigen als wenn es in Bayern Studiengebühren gäbe, in Mecklenburg-Vorpommern dagegen nicht. Im November wird die Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht erwartet, das Urteil soll wenige Wochen später verkündet werden.
Der Kompetenzstreit zwischen Bund und den Ländern
Der verständliche Streit der Länder um Erhalt ihrer Kompetenzen kann fatale Folgen haben. Hartung sieht künftig Kleinstaaterei und Kirchturmdenken die Bildungspolitik in Deutschland bestimmen. Wenn für junge Wissenschaftler in Bremen künftig andere Regelungen gelten würden als für junge Wissenschaftler in Bayern, es gar 16 grundverschiedene Landeshochschulgesetze gäbe, sei das paradox in einer Zeit, in der ein Europäischer Hochschulraum entstehen solle. Eine bundesweite Regelung sei also nötig. Natürlich könnten die Bundesländer auch ohne den Bund die Bildung regeln, und zwar durch Staatsverträge oder durch die Kultusministerkonferenz (KMK). Doch gerade die KMK ist mit ihren Konsenskungelrunden nicht für mutige und schnelle Entscheidungen bekannt. Unlängst warnten Deutsche Forschungsgemeinschaft und Wissenschaftsrat vor einer weiteren Entflechtung von Bund und Ländern, wie sie derzeit diskutiert wird. Denn bislang verdoppelt der Bund jede Summe, die ein Land etwa in den Hochschulbau steckt. Fällt diese Kofinanzierung weg, müsse ein schwacher Wissenschaftsminister eines armen Landes zusehen, wie die eigenen Hochschulen verfallen. Der „Wettbewerbsföderalismus, den etwa der Hamburger Wissenschaftssenator Jörg Dräger beschwöre, nütze in erster Linie reichen Bundesländern.
Zum Urteil
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