Das Phänomen des «sinnvollen Zufalls» hat den Menschen seit je fasziniert. Neuropsychologische Untersuchungen zeigen, dass das Gehirn von Leuten, welche eine paranormale Ursache hinter Zufallsereignissen wittern, anders funktioniert als dasjenige von Skeptikern. Das Studium des «paranormalen Gehirns» ist für die Psychiatrie genauso wichtig wie für die Erforschung der Kreativität.
Bestimmt haben Sie schon einmal erlebt, dass Sie einem spontanen Einfall folgend eine Ihnen bekannte Person anrufen wollten, aber nicht dazu kamen, weil Sie selbst im gleichen Augenblick einen Anruf ebendieser Person erhielten. Oder haben Sie neulich in einem Restaurant einen Tisch für sieben Personen bestellt, und es stellte sich heraus, dass unter gleichem Namen (wohlbemerkt: weder Meier noch Müller!) bereits ein Tisch derselben Grösse reserviert wurde? Was die einen als blossen Zufall ansehen, ist für andere höchst bedeutsam; für sie sind «sinnvolle Zufälle» traute Wegbegleiter durch den Alltag, ein Zeichen dafür, dass Gott nicht würfelt, oder zumindest ein Hinweis auf die Existenz einer lenkenden Kraft, die sich der Entdeckung durch unsere niederen Sinne entzieht.
Tatsächlich haben Befragungen ergeben, dass der Glaube an aussersinnliche Phänomene wie Telepathie, Hellsehen oder Prophetie mit einer erhöhten Bereitschaft einhergeht, selbst banalsten Zufällen des Alltags einen tieferen Sinn abzugewinnen. In jüngster Zeit hat sich die Neuropsychologie der Frage angenommen, welche zentralnervösen Mechanismen für die erhöhte Deutungsbereitschaft und den Glauben an aussersinnliche Wahrnehmung, kurz ASW, verantwortlich sein könnten.
Sinnvolle Zufälle im Versuchslabor
Vor gut einem halben Jahrhundert hat der bekannte Psychologe Burrhus Skinner «abergläubisches» Verhalten bei Tieren beobachtet. Findet etwa eine Ratte ausschliesslich dann ein Futterstückchen vor, wenn sie sich einem nahe stehenden Napf erst nach einer Wartezeit von mindestens fünf Sekunden nähert (obschon der Napf durchaus innerhalb einer Sekunde erreicht werden könnte), «füllt» sie die Wartezeit mit individuellen Verhaltensweisen wie zum Beispiel Hinterm-Ohr-Kratzen oder Sich-um-die-eigene-Achse-Drehen. Es scheint, als ob es das Tier nicht so einfach hinnehmen könnte, für nichts anderes als blosses Abwarten belohnt zu werden. In der Sprache des Behaviorismus hat die Ratte gelernt, eine anfangs zufällig erfolgte Paarung zwischen einem spontan gezeigten Verhaltenselement und einer Belohnung zu verstärken und so das unnötige Verhalten selber zu konditionieren. Bereits Skinner vermutete, dass ein grundsätzlich identisches Verstärkungsprinzip auch für die Entwicklung abergläubischer Praktiken beim Menschen verantwortlich sein könnte. Paradebeispiel ist der Regentanz: Ausdauerndes Tanzen wird fast zwangsläufig mit Regen belohnt, obschon auch hier geduldiges Kratzen hinterm Ohr zu vergleichbarem Erfolg führen würde.
Belohnung für überflüssiges Verhalten
Interessanterweise ist erst in jüngster Zeit der Versuch unternommen worden, das Konditionierungsverhalten von Versuchspersonen in Abhängigkeit eines modernen Aberglaubens, des Glaubens an paranormale Phänomene, zu untersuchen. In Zusammenarbeit mit der Neurologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich wurde an der Universität Victoria (Kanada) ein Computerspiel entwickelt, bei dem Versuchspersonen durch Tastendruck ein Mäuschen über den Bildschirm bewegen. In einer Ecke des Bildschirms befindet sich ein Feld, zu dem das Mäuschen hingeführt werden soll. Beim «Sprung» auf dieses Feld schnappt entweder eine Falle zu (wenn die Versuchsperson das Ziel in weniger als fünf Sekunden erreicht), oder es erfolgt eine Belohnung in Form eines virtuellen Käsestückchens (wenn das Zielfeld erst nach Ablauf von fünf Sekunden angesprungen wird). Zu Beginn des Versuches wurde den Versuchspersonen lediglich mitgeteilt, dass es während des Spiels ihre Aufgabe sei, erstens den Käse so oft als möglich zu erhalten und zweitens herauszufinden, ob und allenfalls wie sie den Erhalt dieser Belohnung beeinflussen könnten.
Von vierzig Studenten lernten alle, mit dem kritischen Sprung mindestens fünf Sekunden zuzuwarten. Bloss zwei Personen fanden allerdings heraus, dass sie lediglich diese Zeit abzuwarten brauchten, die restlichen achtunddreissig Probanden entwickelten zum Teil hochkomplexe Theorien über die effizienteste Art, zum Käse zu gelangen. Einige gaben an, nur eine ganz bestimmte, ausgeklügelte Abfolge der Antworttasten führe zum Erfolg. Andere waren überzeugt, dass sie nach einem Aufenthalt in der dem Zielfeld gegenüberliegenden Bildschirmecke erst nochmals zur Startposition zurückkehren mussten, bevor sie dann aufs Zielfeld sprangen. Mit anderen Worten: Der Grossteil der Versuchspersonen «füllte» die einprogrammierte Wartezeit mit überflüssigem Verhalten - welches auch belohnt wurde, da es ganz einfach Zeit in Anspruch nahm. Der Hauptbefund der Studie bestand nun darin, dass diejenigen Versuchspersonen, welche in einem Fragebogen angaben, an ASW und verwandte magische Phänomene zu glauben, in stärkerem Masse von der Wirksamkeit solcher Rituale überzeugt waren als diejenigen, die sich als nichtgläubig einstuften. Folgestudien haben nun gezeigt, dass diese erhöhte Bereitschaft, zwischen indirekt assoziierten Gegebenheiten eine direkte Abhängigkeit zu sehen, von Eigenschaften unseres Sprachsystems abhängt.
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