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Bildung Grade Titel XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / Doktor-Grad, Übersicht / Der akademische Irrtum
 

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Der akademische Irrtum
Obwohl seit mehr als 40 Jahren unstrittig: Akademische Grade sind kein Bestandteil des Namens

 

Leserbrief in der FAZ im August 2003 unter "Aber Herr Doktor".

Frau Elke Herrmann aus Siegen, pardon Frau Professor Dr. jur. Herrmann meint, man könne nicht mehr behaupten, daß Titel und Ordenszeichen nach Goethe so manchen Puff im Gedränge aushalten. Sie seien heute auch sonst nicht viel wert. Der einträgliche „Handel mit falschen Doktortiteln" (F.A.Z. vom 24. Juli) verwundere sie deshalb. Sie klagt darüber, daß in Geschäften, beim Arzt oder im Verkehr mit Versicherungen und Behörden in Deutschland der Name meist sofort des Doktortitels entkleidet werde. Wer sich beispielsweise an der Rezeption eines Hotels, selbst eines besseren, einchecke, dem werde dieser Teil seines Namens, der der Doktortitel nun einmal ist, flugs aberkannt; auf dem Kärtchen mit der Zimmernummer finde er sich nur noch mit seinem nackten bürgerlichen Namen wieder, ebenso später auf der Rechnung. Es komme auch vor, daß junge Leute, die die Klarheit lieben, gleich zu Beginn der Bekanntschaft die Frage stellen, ob man Wert darauf lege, mit Titel angeredet zu werden. Nein, natürlich nicht. Schließlich existiert noch eine weitere Variante der Titel-Vermeidung: "Die Umwelt läßt, nachdem sie von dem Titel erfahren hat, gleich alles weg und verzichtet auf jede Anrede überhaupt." So habe man insgesamt eher den Eindruck, mit etwas Störendem, wenn nicht einem Makel behaftet zu sein. Davon haben die titelversessenen „Doktoranden" offenbar keine Ahnung, sonst würden sie das viele Geld vermutlich sparen. Vielleicht lassen sich durch Bekanntgabe obiger Erfahrungen besagte Straftaten etwas eindämmen.

Frau Herrmann ist leider nicht auf dem Laufenden. Akademische Grade sind kein Bestandteil des Namens. Sie kennt auch nicht den Unterschied zwischen Graden (Doktor, Diplom) und Titeln (Professor).

Dr. jur. Dirk Uwer, Düsseldorf antwortete ihr:

Ein Nachweis eigener Befähigung

In ihrer Zuschrift „Aber Herr Doktor!" (F.A.Z. vom 15. August) beklagt sich Leserin Professor Dr. jur. Elke Herrmann, „überall in Deutschland" werde „der Name meist sofort des Doktortitels entkleidet", ja dem bedauernswerten Akademiker werde „dieser Teil des Namens, der der Doktortitel nun einmal ist, flugs aberkannt" und er finde sich sodann „nur noch mit seinem nackten bürgerlichen Namen wieder". Auch wenn sich Leserin Herrmann auf Goethe beruft, fühlt sich der geneigte - und mehr noch der promovierte - Leser eher an Tucholskys Überlegungen „Wie wird man Generaldirektor?" erinnert: „. . . denn einen Titel muß der Mensch haben." Wir schreiben freilich nicht mehr das Jahr 1930, und mit Tucholskys Generaldirektoren - man nennt sie heute „CEO" - ist auch so manche gesellschaftliche Konvention dahingegangen. Man kann das mit Leserin Herrmann beklagen oder es lassen. Indes ist es Leserin Herrmann, immerhin Universitätsprofessorin für Bürgerliches Recht, in bemerkenswerter Weise gelungen, ihr Lamento vollständig auf juristischen Aberglauben zu gründen. Daß der „Doktortitel" kein Bestandteil des bürgerlichen Namens ist (weder aufgrund Gesetzes noch Gewohnheitsrechts), hat das Bundesverwaltungsgericht schon 1957 (BVerwGE 5, 293) erkannt; der Bundesgerichtshof schloß sich dieser Auffassung 1962 an (BGHZ 38, 380, 382 f.).

Auch ein Blick in das Gesetz hätte hier der Rechtserkenntnis eine Schneise geschlagen: Nach Paragraph 1 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 des Gesetzes über den Personalausweis und Paragraph 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 des Paßgesetzes kann der Doktorgrad neben dem Vor- und Familiennamen eingetragen werden, nicht als dessen Teil. Ohne diese gesetzliche Anordnung wäre der Doktorgrad überhaupt nicht eintragbar. Und überhaupt der „Doktortitel". Das Hochschulrecht kennt nur den aufgrund der Promotion (auch ehrenhalber) verliehenen akademischen Grad eines Doktors. Titel werden hingegen in Deutschland nur durch den Bundespräsidenten verliehen (Paragraph 2 Absatz 1 des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen), soweit gesetzlich (insbesondere durch Landesrecht) nichts anderes bestimmt ist. So werden etwa in Rheinland-Pfalz die Titel „Justizrat" oder „Sanitätsrat" staatlich verliehen - Bestandteile des Namens sind sie zweifellos nicht. Daß akademische Grade, einschließlich des Doktorgrades, keine „Titel" sind, stellt Paragraph 2 Absatz 2 jenes Gesetzes unmißverständlich klar.

Hat Frau Herrmann daher keinen Rechtsanspruch auf Anrede mit dem Doktorgrad, dürfte ihr es noch schwerer fallen, ein Recht auf die Anrede „Professor" zu begründen. Das Gesetz erlaubt keine Eintragung dieser „akademischen Bezeichnung", die wiederum (von partikularrechtlichen Ausnahmen abgesehen) kein „Titel" ist, in Personalausweis oder Paß. Bei hauptberuflich tätigen Lehrkräften an Hochschulen gibt es die Dienstbezeichnung „Universitätsprofessor" oder (an Fachhochschulen und sonstigen wissenschaftlichen Hochschulen) .,Professor". Sie dürfte nach Ausscheiden aus dem Dienst nach allgemeinen öffentlichem Dienstrecht nur mit dem Zusatz „a. D." weitergeführt werden. Wo das Landesrecht nichts anderes vorsieht (etwa Artikel 14 des Bayerischen Hochschulgesetzes: Fortführung der Bezeichnung „Professor" als „akademische Würde" des pensionierten Hochschullehrers), ist die Befugnis zur Weiterführung der Bezeichnung „Professor" ein juristisch weites Feld.

Frau Herrmanns implizierte Behauptung. Doktoranden promovierten aus Versessenheit auf einen „Doktortitel" ist eine aus professuraler Feder atemberaubende Unterstellung und läßt ebenso tief blicken wie Schlimmes befürchten. Für eine Promotion gibt es nur genau zwei redliche Motivationen: den Nachweis der eigenen Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit und die Beförderung der Wissenschaft. Alles andere ist beinahe so seriös wie jener „Handel mit Doktortiteln", der den Auslöser für Frau Herrmanns Klage bildete.

Informationen über das Titelwesen in Deutschland

 



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