Staatsministerin Maria Böhmer, Prof. Dr., ist Beauftragte der Bundesregierung, für Migration, Flüchtlinge und Integration.
Die Lehrer, Schüler und Eltern zweier Berliner Schulen vereinbaren, die deutsche Sprache nicht nur im Unterricht, sondern auch auf dem Schulhof und bei anderen schulischen Aktivitäten verbindlich zu verwenden. Hintergrund der Vereinbarung ist der hohe Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund und eine entsprechende Vielfalt der Herkunftssprachen. Die Festlegung wurde vor über einem Jahr getroffen, ohne daß Kritik und Empörung laut wurden. Dem Vernehmen nach haben sich die Leistungen der Schüler seither verbessert. Auch sei die Zahl der Anmeldungen gestiegen. So weit, so gut, möchte man meinen. Doch nun löst ein Zeitungsbericht über diese Maßnahme eine Welle der Empörung aus. Von Sprachverbot ist die Rede, der Vorwurf der Zwangsgermanisierung geistert durch die Debatte. PDS, Grüne und türkische Verbände kritisieren die Regelung mit harschen Worten.
Dabei geht es um eine Binsenweisheit: Spracherwerb findet nicht allein im Unterricht statt. Der häufige Gebrauch einer Sprache festigt und sichert die im Unterricht erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten. Doch gerade für Einwandererkinder sind die Gelegenheiten, Deutsch zu sprechen, oft rar. Daher ist besonders an Schulen mit einem hohen Anteil von Einwandererkindern diese Selbstverpflichtung angemessen, um das sprachliche Lernumfeld zu erweitern und Deutsch im Alltag der Schüler stärker zu verankern. Ja zu Deutsch im gesamten schulischen Leben heißt auch Ja zur Integration. Deutsch als verbindliche Verkehrssprache ist eine Grundvoraussetzung für die Verständigung von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlicher Familiensprache untereinander.
Eine Schulleiterin nennt die Vereinbarung daher auch einen „Akt der Höflichkeit". Gute Deutschkenntnisse stellen aber vor allem auch eine bessere Bildung und bessere Teilhabechancen sicher. Wenn ausweislich der PISA-Studie die Hälfte der in Deutschland geborenen türkischen Jugendlichen bei den Prüfungen für Lesefähigkeit nicht die niedrigste „Kompetenzstufe I" erreicht, wird das Ausmaß der „Sprachnot" deutlich. Sprachkenntnisse sind das A und O, um den Weg in unsere Gesellschaft zu ebnen. Ob in der Schule, in der Ausbildung, im Berufs- oder im Alltagsleben - in allen Lebensbereichen entscheiden die Deutschkenntnisse über die Chancen auf wirkliche Teilhabe und Integration. Das wissen nicht zuletzt die Schüler selbst. Daß hier ein richtiger Weg beschritten wird, zeigt eben auch die Akzeptanz dieser Regelung bei den Schülern wie bei den Eltern.
Die Kritiker übersehen, daß es sich bei dieser Regelung nicht um eine mit Sanktionen behaftete Zwangsmaßnahme, sondern um eine freiwillige Vereinbarung und eine Selbstverpflichtung handelt. Solche Vereinbarungen sieht das Berliner Schulgesetz ausdrücklich vor. Keine Schulleitung und kein Kultusministerium beabsichtigen eine entsprechende Weisung. Diese wäre auch kaum sinnvoll und würde nicht nur wegen fehlender Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten als Zumutung empfunden. Aber wenn Schulen von ihrer Möglichkeit zur Selbstbestimmung Gebrauch machen, sollten wir sie dann nicht ermutigen? Ich halte es für sinnvoll, wenn dieses Beispiel Schule macht.
Es geht auch nicht um ein generelles Verbot von Herkunftssprachen oder deren Abwertung. Die Muttersprache ist ein hohes Gut, aber Deutsch als Verkehrs- und Amtssprache ist eben zentral für den schulischen und beruflichen Erfolg in unserem Land. Mehrsprachigkeit zu fördern und dem Erwerb der deutschen Sprache den angemessenen Stellenwert einzuräumen, heißt eben, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen.
Schließlich handelt es sich bei der Pausendeutsch-Regelung nicht um eine einzelne Maßnahme, die allein schon selig macht. Nachhaltige Erfolge beim Deutschlernen, vor allem beim Schriftdeutschen, sind weder zu erwarten noch beabsichtigt. Vielmehr handelt es sich um einen Baustein in einem Konzept, mit dem die vielfach beklagten sprachlichen Schwächen vieler Jugendlicher aus Einwandererfamilien abgebaut werden können. Es geht um die sinnvolle Verknüpfung des gesteuerten und des ungesteuerten Spracherwerbs, bei der eine derartige Selbstverpflichtung auch die Bedeutung der deutschen Sprache für die Alltagskommunikation symbolisiert. Zentral ist eine gezielte, bildungsbegleitende Sprachförderung, die mit dem ungesteuerten Spracherwerb außerhalb des Unterrichts Hand in Hand geht. Sprachliche Frühförderung bereits im Kindergarten, gezielte Sprachförderung in unseren Schulen, aber auch in der beruflichen Bildung, und eine entsprechende fachliche Ausbildung des pädagogischen Fachpersonals werden durch das Pausendeutsch nicht überflüssig, sondern müssen breit verankert werden. Hierbei sollten wir uns keine Pause leisten.
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