WAS HEUTE Political Correctness heißt, ist natürlich nicht nur ein sprachliches Phänomen. Es ist ein Bündel politischer und weltanschaulicher Meinungen, eine Haltung, eine Stimmung, geradezu ein Lebensstil. Aber es ist auch, und zwar ganz zentral, eine Art zu sprechen, in Amerika zum Teil sogar der Ausfluß etlicher ausdrücklicher Sprachregelungen. Ausgerechnet die politischen Erben des free speech movement bestehen darauf, der freien Rede Grenzen zu ziehen.
Den Kern amerikanischer PC bilden die Forderungen einiger militanter Gruppen an den Hochschulen des Landes, Forderungen nach einer Revision der Lehrpläne und der quotierten Berücksichtigung bei der Stellenvergabe. Es ist eine lockere Koalition von Minderheiten, die sich da zusammengefunden hat. Gemein haben sie nur, daß sie sich alle in erster Linie als Opfer verstehen: Schwarze, Indianer, Hispanics, männliche und weibliche Homosexuelle und Frauen, auch wenn diese nicht gerade Minderheitenstatus beanspruchen können. Daß es eine Koalition weniger ausgewählter Bevölkerungsgruppen ist, wird klar, wenn man sich vor Augen hält, daß andere, die mit Recht ebenfalls über Diskriminierung und Zurücksetzung klagen könnten, entschieden nicht dazugehören: etwa Juden, Pädophile, Raucher, Psoriatiker (die einzige politisch korrekte Krankheit ist Aids) oder User des Betriebssystems OS/2. Diese Koalition hat sich einen Kompositfeind erschaffen: den weißen (eurozentrischen) heterosexuellen (phallokratischen, patriarchalischen) Mann. Er ist der Täter, der sie alle zu Opfern gemacht hat.
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