In DSW 20 stand die Deutsche Telekom in der Sprachsünder-Ecke. Anlaß waren die neuen Tarifbezeichnungen, zum Beispiel Call Plus, Call Time oder XXL Freetime. Leider hat sie es trotz zahlreicher Hilfestellungen und Protestschreiben unserer Leser nicht geschafft, aus dieser Ecke herauszukommen. Unsere Leser riefen den Vorstandsvorsitzenden Kai-Uwe Ricke und den Leiter der Unternehmenskommunikation, Stephan Althoff, auf, sich an der Sprache der Kunden zu orientieren. Die Antworten des Unternehmens bezeugen eindrucksvoll die grundsätzliche Bereitschaft zum Nichthandeln.
Horst Steppuhn legte der Telekom ein Flugblatt bei mit dem Titel: „Die Amerikanisierung der Sprache und Kultur in Deutschland: Der massive Gebrauch englischer Wörter in unserer Landessprache verursacht immer mehr Verärgerung!" Steppuhn schrieb: „Hoffentlich gibt es bei Ihnen noch so viel sprachliche Kenntnis und Erfindungskraft, daß Sie in unserem Land zu normalen oder auch phantasievollen deutschen Begriffen und Titeln zurückkehren können! Bitte setzen Sie sich dafür ein, daß die Mitarbeiter in Ihrem Einflußbereich nicht auch die Amerikanisierung unserer Muttersprache fördern!"
Klaus Lohse verdeutlichte der Telekom: „Ihre Kunden sind Deutsche und wollen nicht akzeptieren, daß unsere Sprache weiterhin durch eine Überfrachtung von Anglizismen zerstört wird. Ich halte es zudem für unhöflich, Ihren Kunden gegenüber, die größtenteils die englische Sprache nicht kennen, unverständliche Wörter zu verwenden."
Ulrich Haberer gestand der Telekom, daß die Sprachsünder-Ecke seinen Puls aus Ärger deutlich beschleunigt habe und mutmaßte: „Sicher werden Sie sich mit den Zwängen der Wirtschaftsglobalisierung herausreden oder weil es ,in` sei, eben ,weltoffen`, imitschfördernd möglichst viele Angloamerikanismen zu verwenden, auch wenn es kaum einer des zahlenden Fußvolkes der Telekom-Kunden versteht." Haberer macht den „nicht ganz ernst gemeinten" Vorschlag: „Wandern Sie doch in Gottes eigenes Land aus! Dort könnten Sie in der geliebten Primitivsprache tagtäglich baden."
Burkhard Schoch warnt die Telekom: „Nicht, daß noch jemand auf die klebrige Idee kommt und die noch wirkenden Telefonistinnen im Kali Zentrum womöglich als Callgirls bezeichnen möchte. Zuzutrauen wäre es diesen vorauseilenden Deutschlingen in ihrer Denglischbeflissenheit. Man fragt sich: Wer soll denn mit solchen Mätzchen beeindruckt werden?" Schoch stellt klar: „Sollte ich jemals mit einem derartigen Kauderwelschschrieb beglückt werden, dann wird dieser umgehend an den Absender zurückgeschickt, mit dem Vermerk Kann nit verstaan, mir bitteschön, könnse noch deutsch schreiben? Zu Recht kann ein Kunde von Ihnen erwarten, in einwandfreiem Deutsch in Schrift und Sprache bedient zu werden. Mit Sicherheit werden dadurch Fehler und Mißverständnisse vermieden."
Was haben die Protestschreiben bewirkt?
Zuerst die gute Nachricht: Die Deutsche Telekom antwortete vielen unserer Leser. Das heißt, der Tadel ist angekommen und wurde zur Kenntnis genommen. Nun die schlechte Nachricht: Zwar war zu erwarten, daß die Telekom ihren sprachfeindlichen Kurs nicht umgehend ändert; aber daß sie es nicht einmal für nötig hielt, die Verständlichkeit für die Kunden als wichtiges Ziel zu betonen, ist ein Armutszeugnis. Statt dessen argumentierte die Telekom allein vom Gesichtspunkt der Vermarktung aus: „Oberstes Ziel bei der Positionierung neuer Produkte am Markt ist eine erfolgreiche Vermarktung ... Häufig gelingt die Vermarktung besser mit Begriffen aus dem englischsprachigen Raum ... Durch von uns initiierte Marktforschungen wird immer wieder belegt, daß die Mehrheit der im Test befragten Personen häufig die englischen Varianten und Verkaufsslogans für attraktiver halten [hält]." Mit anderen Worten: Die Telekom glaubt, daß sich ihre Dienstleistungen besser verkaufen, wenn man nicht so genau weiß, was hinter ihnen steht. Abhängige, also nicht aussagekräftige Befragungen („von uns initiiert") liefern Ergebnisse, die bereits vorher feststehen.
Doch der Knaller der Telekomiker kommt zum Schluß. Als Begründung für den Hang zur (d)englischen Monokultur muß auch noch die kulturelle Vielfalt herhalten. Man belehrte die DSW-Leser: „Darüber hinaus ist Deutschland heute ein multikulturelles Land. Wir möchten möglichst viele der hier lebenden und arbeitenden Menschen, egal welcher Nationalität, mit unseren Angeboten erreichen". Also, liebe Türken, ihr müßt nicht nur Deutsch, sondern auch Englisch lernen, wenn ihr hierzulande zurechtkommen wollt! So will es jedenfalls die Telekom. Daß eine nicht unbeträchtliche Zahl „der hier lebenden und arbeitenden Menschen" Deutsch spricht, ist den Telekommunikationsstrategen offensichtlich entgangen. Kein Anschluß unter dieser Nummer.
Sie können also weiterprotestieren, um das Nachdenken anzuschieben. Schreiben Sie dazu an:
Herrn Kai-Uwe Ricke, Vorstands-vorsitzender der Deutschen Telekom AG, Friedrich-Ebert-Allee 140, 53113 Bonn
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