Eine Akademikerbetrachtung mit soziologischem Seitenblick
Soziologie, das ist die Lehre vom Zusammenleben von Menschen, Tieren und Pflanzen innerhalb einer Gemeinschaft (Gesellschaft).
Der Mann, der landesweit der Soziologie zu zweifelhaften Ansehen verholfen hat, heißt Lothar Bossle. Seine Wirkungsstätte: Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. Einst Jusochef und Autor im Bundesorgan der Jungsozialisten, Berater von Helmut Kohl, 1970 Professor in Lörrach und dann mit Aktionen gegen die Sozialliberalen aufgefallen, erweckte er das Interesse von Franz Josef Strauß.
Otto Köhler schrieb in der AZ München am 29.11.1988: „Semesterbeginn im Mai 1977. 600 Studenten schreien, pfeifen, singen, trampeln im größten Hörsaal des Philosophie-Zentrums. Theodor Berchem, der Präsident der Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg, sucht sie zu beruhigen, aber was er sagt, regt sie erst recht auf: Hoffnungen, die Berufung könne rückgängig gemacht werden, seien völlig illusorisch, erklärt Berchem und warnt, sie sollten aufpassen, daß das, was sie täten, sich nicht ,,gegen die Hochschule" richte.
Die Berufung - das war die Berufung eines neu habilitierten Professors, der seine akademische Karriere politischer Protektion verdankt. Und den die ganze Universität, mit Ausnahme eines ehemaligen Wehrmachtspsychologen namens Wilhelm Arnold, nicht wollte. Vergebens. Franz Josef Strauß hatte entschieden: „Dieser Mann würde jeder bayerischen Universität zur Zierde gereichen."
Die Zierde, Lothar Bossle, war Juso-Vorsitzender und führender SDS-Funktionär, bevor er sich zur CDU bekehrte. 1972 gründete er rechtsaußen eine „Aktion der Mitte", die mit Industrie-Millionen in Wahlzeitungen und großen Zeitungsanzeigen Schlammschlachten („ein Sozialismus, der von 1933 bis 1945, war genug") gegen die sozial-liberale Koalition führte.
Von Filbinger zu Strauß
Hans Filbinger machte ihn zum Professor an einer später aufgelösten Pädagogischen Hochschule in Lörrach. Und Franz Josef Strauß entdeckte die wissenschaftlichen Qualifikationen Bossles für bayerische Universitäten, nachdem er zwei Jahre nach dem Putsch der chilenischen Militärs in Santiago den ermordeten Präsidenten Allende einen „sozialistischen Hitler" genannt hatte und anschließend Willy Brandt und Olof Palme mit diesem „Hitler" auf eine Stufe stellte. Allendes Tod, so erzählte Bossle dessen Mördern in Santiago, sei keine Tragik, sondern eine Tragikomödie gewesen.
Strauß fand diese interpretatorische Leistung so überzeugend, daß er Bossle als Ordinarius für Soziologie an der Universität Würzburg zwangseinsetzen ließ. Und Universitätspräsident Berchem mußte dafür büßen, daß er vor elf Jahren nicht so radikal war wie seine Studenten. „Gegen die Hochschule" richtete sich nicht ihr Widerstand, wie er damals warnte, sondern gegen Bossles Zwangseinsetzung auf den soziologischen Lehrstuhl.
Köhler sprach mit Berchem. Doch ihm war zwar keine direkte Stellungnahme zu entlocken, aber die Sorge um das Ansehen des Doktor-Grades der Würzburger Universität prägte deutlich seine Worte. Ein Bericht an das Kultusministerium, soviel immerhin sagte er, sei unterwegs.
Bossle hatte - einmal im Amt - zwar kaum Studenten gefunden, aber aus der ganzen Republik zahlreiche Kunden der florierenden Doktorfabrik, in die er seinen Lehrstuhl schnell verwandelt hatte. Anfangs amüsierten sich noch Bossles Zwangskollegen, wenn sie im Verzeichnis die fachsoziologischen Themen lasen, die er als Dissertation vergab. Da gab es für Militärstammtische die Ankündigung einer soziologischen Dissertation mit dem Thema: „Oberst Werner Mölders". Fromme Soldaten warten noch heute mit Spannung auf die schon 1982 angekündigte Arbeit über „Die Soldatenwallfahrt nach Lourdes". Sie werden sich noch länger gedulden müssen. Denn der Doktorand Franz Georg Strauß, der Sohn des Bossle-Einsetzers, hat - soweit bekannt - wichtigerer Verpflichtungen wegen sein Soziologiestudium noch nicht aufgenommen, so schrieb Köhler damals. Also doch kein „Dr. lou. Franz Georg Strauß.
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wie Otto Köhler in der ZEIT am 4. Nov. 1988 berichtete, wurde der diplomierte Politologe Bossle 1977 „gegen den Widerstand nahezu der gesamten Alma mater auf ein Sondervotum des ehemaligen Wehrmachts-Psychologen und Parteifreunds Wilhelm Arnold hin, vom Kultusminister in die Universität zwangseingesetzt. Zufällig war gerade ein Lehrstuhl für Soziologie frei. Wie wurde doch aus Lörrach berichtet? Wo Bossle auftauche, komme Bewegung in die Konten. So auch in Würzburg. Studenten, die bei Bossle am Institut für Soziologie studierten, seien rar. Umso mehr Leute gebe es in der ganzen Republik, die sich in seiner wohleingerichteten Doktoren-Fabrik den zierenden Titel holen, ohne sich intellektuell verausgaben zu müssen. Denn nach den Protesten gegen seine Zwangseinsetzung habe Bossle dafür gesorgt, daß es jetzt an der Julius-Maximilians-Universität auch wieder fröhlich zugehen könne, was nicht unbedingt mit Wissenschaft zu tun habe. Tatsächlich sei das, was jetzt in Würzburg zwecks Doktorarbeit Soziologie genannt werden dürfe, ein großes Gaudium. Jedes Thema laufe und sei es nicht willig, mache Bossle ihm Beine. Grübelten die Fakultätskollegen über die soziologische Relevanz eines der vielen Dissertationsthemen, so versehe es Bossle schnell mit der Ergänzung „aus soziologischer Sicht", Widerstand sei dann zwecklos. Die Auswahl ist groß. Gibt es doch Wirtschaftssoziologie, Kultursoziologie, Kulturpolitik, Familiensoziologie, Gender Studies, Theorie der Institutionen, Stadt- und Regionalsoziologie, Organisationssoziologie, Allgemeine Soziologie, Politische Soziologie, Geschichtssoziologie, Literatursoziologie, Mediensoziologie usw.
Ein Fakultätskollege: Wenn wir mal lachen wollen, nehmen wir den Band mit Bossles Dissertations-Ankündigungen, da liegen wir auf den Knien." Den Professoren verging aber das Lachen, als sie merkten, was am Ende bei Bossles Dissertationsankündigungen rauskommt. „Jeder Dreck kann hier als Dissertation durchgehen", klagte ein Fakultätskollege.
Bundesweite Empörung erregte im März ein Pamphlet des Pressesprechers der Antennenfabrik Hirschmann, das unter dem Titel
"Zersetzen, Zersetzen, Zersetzen - zeitgenössische deutsche Schriftsteller als Wegbereiter für Anarchismus und Gewalt"
ausgerechnet von der Bundeszentrale für politische Bildung verbreitet wurde. Die Spur führte Köhler damals in Bossles Würzburger Doktorenfabrik. Er hatte den Schmäh als Doktorarbeit angenommen.
Und so sehe vieles aus, was aus dieser Titel-Produktionsanlage kam. Das antisemitische Klischee vom Juden, der zur Handarbeit nicht fähig sei, bescherte Bernd Breunig mit seiner Dissertation
„Die deutsche Rolandwanderung (1932-1938)" über die brasilianische Einwandererkolonie „Rolandia". Mehr dazu
Claude Robert Ellner, der Pressesprecher einer Schweinfurter Kugellagerfirma, konnte mit einer Werbeschrift bei Bossle zum Doktor promovieren. Titel: „Die Entwicklung der Firma Kugelfischer, Georg Schäfer & Co." Mehr dazu
Als „Epos der Soziologie" rühmte Doktorvater Bossle das Werk des ehemaligen ZDF-Wetterpropheten und damaligen Landesbeauftragten der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brasilien, Wolfgang Thüne. Mehr dazu
Professor Wolfgang Weinacht, Dekan der zuständigen Philosophischen Fakultät III, wollte oder durfte nicht Stellung nehmen, als Köhler ihn nach dem Stand der Affäre Bossle fragte. Zu einer Auskunft war er bereit: Die Fakultät hat zum Fall Bossle einen ausführlichen Bericht geschrieben, der der Universität und dem Kultusministerium zugeht.
Weinacht, der verständlicherweise um den Ruf der Universität besorgt war, befindet sich in einer schwierigen Position. Als Korreferent Bossles hat er Thünes soziologisches Heimat-Epos abgesegnet. Daß er sich noch einmal zu solchen Hilfsdiensten bereitfindet, dürfte fraglich gewesen sein. Noch vor der mündlichen Prüfung hatte Thüne sich gegenüber der Lokalpresse so geäußert, als ob ihm der Doktorhut garantiert sei, schließlich hatte er den Titel in Bossles Doktorfabrik fest in Auftrag gegeben. Doch Weinacht, leicht weltfremd, empfand Thünes Vorfreude noch heute als „taktlos und stillos".
Aus der Fülle spezialsoziologischer Sichten wurden weitere Themen bekannt wie
„Aufzeichnung und Analyse von Augenbewegungen mit Hilfe eines elektrischen Verfahrens" (in spektralsoziologischer Sicht?)
„Oberst Werner Mölders" (aus traditionssoziologischer Sicht?)
„Die Absetzung Salvador Allendes aufgrund von Verfassungsverstößen seitens der Allende-Regierung eine soziopolitische Betrachtung".
„Eine militärsoziologische Untersuchung über die politische Enthaltsamkeit als Traditionselement der chilenischen Armee bis 1973"
Angekündigt war auch „Die Soldatenwallfahrt nach Lourdes". Dafür gab es mehrere Bewerber, einer war Franz Georg Strauß, dessen Verfahren wegen des Verdachtes auf Steuerhinterziehung noch nicht abgeschlossen ist.
Bei Bossle konnte jeder Depp seinen Doktor bauen. Die richtige politische Einstellung störte da überhaupt nicht, erst recht nicht finanzielle Großzügigkeit. Bossles Ehefrau, die als Geschäftsführerin den Creator Verlag betrieb, war ebenfalls sehr rege, zahlungsbereiten Doktoranden zu empfehlen, ihre Arbeiten als Buch drucken zu lassen, was Bossles Zwangskollegen überhaupt nicht paßte. Denn die soziologischen „Sicht-Dissertationen, die auf Kosten und im Namen der Universität an angesehene Bibliotheken in aller Welt verschickt wurden, konnten nun doch den Ruf der Universität als einer Stätte der Wissenschaft ruinieren.
Ein sicher wichtiges Thema eines Dank-Symposiums im Toscana-Saal der Würzburger Residenz, veranstaltet von Bossle mit Gerhard Löwenthal seines privaten, aber von der Universität mitfinanzierten „Instituts für Demokratieforschung" war
„Die Existenz des Menschen im 20. Jahrhundert zwischen totalitärer Diktatur und parlamentarischer Demokratie".
Der Name des so geehrten Menschen: Hans Filbinger, der Urförderer von Bossles Karriere. Abschließende Drohung des erfolgreichen NS-Marinerichters: „Wir vergessen nicht und wir verdrängen nicht. Wir halten das Vergangene gegenwärtig und lassen es einwirken auf unser politisches Handeln."
Mit beachtlicher Verzögerung beantragte Bossle am 29. Dezember 1988 eine einstweilige Verfügung gegen zwölf Punkte des ZEIT-Artikels. Sein Antrag wurde in allen Punkten am 11. Januar 1989 vom Landgericht Würzburg zurückgewiesen - eine Klage zur Hauptsache hat Bossle darauf nicht mehr erhoben.
3 Jahre später berichtete Otto Köhler erneut aus Würzburg (ZEIT, 3. Okt. 1991)
Würzburgs Soziologiestudenten wollten ihn, den Herrn Soziologieprofessor, dessen Name mit „endlosen Affären, Skandalen und negativen Schlagzeilen" verbunden sei, nicht länger ertragen. „Sein schlechter Ruf schadet nicht nur der gesamten Universität Würzburg", so klagen sie in einer Eingabe an den Petitionsausschuß des Bayerischen Landtags, „sondern insbesondere den Studierenden am Institut für Soziologie." Würzburger Absolventen der Gesellschaftswissenschaften mußten mit „eingeschränkten Berufschancen" rechnen.
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst habe sich mit dem Fall Bossle befaßt, ebenso der kulturpolitische Ausschuß des Landtags. Die Dissertationsverfahren und das dienstliche Verhalten von Bossle seien in Gang gekommen. Na ja. Das Ministerium habe das förmliche Dienststrafverfahren gegen den vielfachen Doktorvater eingestellt. Er wurde lediglich mit einer Disziplinarverfügung von 9000 Mark belegt - gegen die er Einspruch erhob. Nur ein Teil der Mißstände sei beseitigt worden
Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Professor Bernhard Schäfers schrieb mit ungewohnter Schärfe. Bossle ist in unserem Fach ohne Ansehen".
Für das Ministerium war damit der Fall erledigt. Schließlich, so Staatssekretär Leeb vor dem Landtagsausschuß, seien Professoren nun einmal Beamte mit besonders großen Gestaltungsspielräumen.
Beamtenfreiheit gleich Narrenfreiheit?
Der SPD-Landtagsabgeordnete Heinz Kaiser, der auf Grund des ZEIT-Artikels schon im Dezember 1988 die parlamentarische Untersuchung des Falls Bossle ausgelöst hatte, war mit dem Ergebnis keinesfalls zufrieden. Da werde verschleiert, vernebelt, heruntergespielt, verharmlost. Beispiel Creator-Verlag: Der war tatsächlich an die fromme Paderborner Bonifatius GmbH übergegangen. Kaiser hatte im Handelsregister nachgesehen. Im Endergebnis: Das Spielchen geht weiter, nur hat der Verlag jetzt einen anderen Namen.
Bossle muß auswärtige Zweitgutachter mit soziologischer Fachkunde heranziehen und nicht - wie bisher der Brauch - gefällige Würzburger Kollegen aus ganz anderen Fächern. Die Fakultät zeigt sich gern auch schon mal wieder tolerant gegen Bossle-Doktoranden. Eine kriminalsoziologische Arbeit, die der Doktorvater selbst als opus laudabile (Note 2) pries, wurde vom Bielefelder Zweitgutachter, dem Soziologen Günther Albrecht, wegen ihrer deutlichen, ja erheblichen Mängel negativ beurteilt. Flugs zog die Fakultät einen fachfremden Zusatzgutachter, den Strafrechtler und SEL-Lohr-Verteidiger Ulrich Weber, ehemals Würzburg, jetzt Tübingen, hinzu, der sich prompt dem Bossle-Urteil anschloß. Und so ist unter Beihilfe der Fakultät ein neuer Bossle-Doktor-Träger entstanden.
Schwarzer Filz
Der Abgeordnete Kaiser nannte das „schwarzen Filz". Da sei zunächst Bossles Parteifreund, der Kanzler der Universität Würzburg und CSU-Hochschulpolitiker Reinhard Günther, dessen Dienstreisen, oft nicht ohne Ehefrau, disziplinarrechtliche Bemühungen ausgelöst haben. Gegen ihn schwebt und schwebt seit bisher drei Jahren - noch ein Jahr, dann ist der heute 64jährige pensioniert - ein Untersuchungsverfahren bei der Landesanwaltschaft am Verwaltungsgericht Ansbach, und am fortdauernden Schweben werde das Verfahren auch nicht dadurch gehindert, daß der tüchtige Kanzler zugleich ehrenamtlicher Richter an diesem Verwaltungsgericht ist. Weiter zu lesen bei Köhler in der ZEIT. Und:
Die wichtigste Reise führte den Kanzler (Günther) zusammen mit dem Parteifreund Bossle in die deutsche Folterkolonie nach Chile, in die Colonia Dignidad. Bossle selbst war viermal dort ein gerngesehener Gast, mit dabei war auch schon mal der Würzburger Völkerrechtler und Regierungs- und Vertriebenengutachter Dieter Blumenwitz, mit dem Bossle viel verbindet, auch die Vaterschaft an mancher Promotion, für die der fachfremde Völkerrechtler die Augen zudrückte. Gemeinsam arbeiteten die beiden an der chilenischen Pinochet-Verfassung mit. Und wie gut es sich trifft: Der Staatssekretär Otto Wiesheu, der jetzige Wirtschaftsminister, der im Kultusministerium so unvergleichlich mild mit der Affäre Bossle umgehe, vor dem Kulturausschuß aber lieber „leider kurzfristig verhindert" war und seinen Kollegen Leeb schickte, hat seinen Doktor erfolgreich bei Blumenwitz verfertigt - wie das Würzburger Promotionsleben eben so spielte. Der Abgeordnete Kaiser reagierte er auch sauer auf das, was das Ministerium jetzt eher bedauernd den „Zusammenbruch des bisherigen Lehrbeauftragtenwesens im Fach Soziologie an der Universität Würzburg" nenne. Mit diesem Zusammenbruch scheine der Staatssekretär (Wiesheu) nicht einverstanden zu sein, denn er fügte etwas pikiert hinzu: ,Ob diese Auswirkung letztlich zum Nutzen des Faches Soziologie ist, möchte ich zumindest in Frage stellen."
So gab es eine ganze Fülle von Lehrbeauftragten an Bossles soziologischem Institut, die zwar keine Soziologen waren, aber durchaus zu soziologischen Betrachtungen Anlaß boten. Zwei alte Junta-Professoren aus Griechenland, ein Militärgeneralvikar, ein ehemaliger Siemens-Filialchef, der ehemalige MAD-Chef Gerd-Helmut Komossa und der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Heinrich Franke. Der entsprach zwar nicht einmal den Lehrvoraussetzungen des Hochschulgesetzes, erfüllte aber einen Lehrsatz, den der Abgeordnete Kaiser aus diesem Vorgang im Landtag ableitete: Wenn du mir ein paar vom Staat bezahlte Arbeitskräfte für mein Institut beschaffst, wirst du Lehrbeauftragter an der Universität." Franke, der sich selbst dazu nicht äußern wollte, weil er "den Schreibtisch voll" hat, ließ durch seinen Sprecher Eberhard Mann mitteilen, hier handele es sich um üble Nachrede" - zuständig für die ABM-Kräfte sei nämlich das Arbeitsamt Würzburg.
Blitzpromotion
Doch die Arbeitskräfte, die aus Geldern der Arbeitslosenversicherung für Bossles privates - er sagte: „durch eine lose Anlehnung an die Universität" tätiges - Institut für Demokratieforschung gezahlt wurden, dienten einem staatspolitisch wichtigen Zweck. Zwei angestellte Demokratieforscher konnten so einem 52-jährigen indonesischen Geheimdienstoffizier bei dem Verfertigen seiner Bossle-Dissertation zur Hand gehen. Wie das im einzelnen geschah, sei umstritten: Ob dafür 65.000 mäzenatische Mark aus Indonesien an Bossles Demokratieforschung in Würzburg geflossen seien oder nicht, dafür konnte - oder wollte - das Ministerium „keine Anhaltspunkte" finden. Einer der befragten Mitarbeiter, der Bossle-Doktor Franz Guber, jetzt bei der Landesleitung der CSU, möchte sich nur erinnern, dem Geheimdienstmann bei einem Referat zur Hand gegangen zu sein, das der für seine Dissertation brauchte. Und der andere, Wolfgang Ferner, heute bei der Stadt Erfurt, wisse auch nur, daß seine Frau die Arbeit getippt und er selbst lediglich die Fußnoten geprüft habe.
Wie auch immer: Es muß - im Geheimdienstleben und in der Würzburger soziologischen Wissenschaft ist eben manches anders - eine Blitzpromotion gewesen sein. Der Abgeordnete Kaiser im Landtag: „Herr Manullang taucht am 8. Juli 1982 in Würzburg auf und steigt im Hotel Rebstock ab. Am 19. Januar 1983 - ein halbes Jahr später - ist die mündliche Doktorprüfung. Ich frage mich: Wann hat ein Studium der Soziologie stattgefunden?"
Bossle, der außerhalb seines Fachgebietes so unendlich viel weiß, werde - soweit es am Bayerischen Kultusministerium lag und liege - der Universität Würzburg erhalten bleiben. Von der Technischen Universität Dresden verabschiedete er sich sehr schnell, als klar wurde, daß er nun doch nicht Gründungsdekan werde. Und auch ein Versuch, an der Universität Jena tätig zu werden, schien mißlungen zu sein. Doch der Demokratieforscher wird als Missionar unserer freiheitlichen Grundwerte mit Sicherheit noch weiter in der Welt herumkommen. Aus Posen (Poznan) schrieb kürzlich, so Köhler in der ZEIT, ein Dozent einem Würzburger Kollegen, hier sei ein Professor Bossle aufgetaucht, wer das denn sei?
Es sehe ganz so aus, als müßten jetzt - genau - fünfzig Jahre nach der Errichtung der Reichsuniversität Posen - auch polnische Universitäten erfahren, wer Bossle sei und was er alles könne. Zur Erinnerung: Diese Aussage wurde im Jahre 1991 gemacht.
"Die traditionsreiche Julius-Maximilians-Universität wird sich überlegen müssen, ob sie für derartige Arbeiten nicht einen besonders ausgewiesenen Dr. bossl. einführt."schrieb Köhler in der ZEIT. „Es könnte sonst peinlich für diejenigen werden, die in Würzburg ganz normal ihren Doktorgrad erworben haben und hoffen, daß man hinter ihrem Rücken nicht tuschelt.
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