Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung an 13.3.2013
Zu den Artikeln „Doppelpass im Wahlkampf“ und „Vom sogenannten Integrationsland“, SZ vom 21.2.2013
Die „doppelte“ Staatsbürgerschaft und mit ihr zusammenhängende Verdoppelungen“ (Doppelstaatler, Doppelpass)
Die staatsbürgerlichen Verdoppelungen sind schon eine Weile im sprachlichen Umlauf. Deshalb ahnt man, was mit dem in diesem Zusammenhang erwähnten und nie näher erläuterten Begriff „Doppelpass“ gemeint ist, nämlich ein zweiter, auf eine weitere (zweite) Staatsbürgerschaft abgestellter Pass. Der Begriff Doppelpass führt in die Irre. Es handelt sich nämlich um zwei verschiedene Pässe. Der als zweiter ausgestellte Pass wird zwangsläufig zum Zweitpass. Staatsbürgerlich gesehen ist der Doppelpass somit ein sprachlicher Fehlpass.
Auch eine Verdopplung besteht nicht. Weder die Länder, für die jeweils die - bis auf die persönlichen Daten unterschiedlichen - Pässe gelten, noch Sprache und Gestaltung der Dokumente sind identisch wie bei üblichen doppelten Gebrauchsgegenständen (Briefmarken, Hosenknöpfe). Bei Briefmarken muss sogar die Zähnung gleich sein, eine Eigenschaft, die nicht einmal immer mit bloßem Auge erkennbar ist, um als Doppel zu gelten. Niemand würde auch bei eineiigen Zwillingen den Zweitgeborenen als eine Verdopplung des Erstgeborenen bezeichnen. Siehe auch Zweitwagen statt Doppelauto und Zweitwohnung statt Doppelwohnung .Der Doppelpass beim Fußball kann ebenfalls nicht als Vorbild dienen.
Der Wörterzähler der Nationen, der Duden, steht erfahrungsgemäß bereit, die sprachliche Irreführung „Doppelpass“ mit der Aufnahme in seine Wörterbücher zu adeln. Der Ausdruck bekäme dabei den abmildernden Zusatz „umgangssprachlich“, wie es bei der „doppelten Staatsbürgerschaft“ der Fall ist, und die Aufnahme des Unsinns im deutschen Sprachschatz wäre sichergestellt.
Es sollen bereits mehrere Millionen „Doppelstaatler“ in Deutschland leben, ohne dass bekannt ist, ob sie dies als verdoppelte Bürger in einem verdoppelten Staat tun.
Ulrich Werner
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