Garching am 19.2.2007
Süddeutsche Zeitung München
Leserbrief zu Artikel „Dr. Becksteins Titelkampf in SZ vom 16.2.2007, S. 1
Seit langem steht es fest: Der Doktortitel ist kein Namensbestandteil. So besagt es eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1962, ein höchstrichterliches Urteil also. Trotzdem hält sich selbst in Kreisen von Juristen hartnäckig der Irrglaube an das Gegenteil, vermutlich weil das Passgesetz die Eintragung des Doktortitels in Ausweispapieren vorsieht selbstverständlich nur auf Antrag des Inhabers. Da kann man nur froh sein, dass im Zuge der Umsetzung einer Verordnung von Seiten der EU diesem Unfug demnächst ein Ende gesetzt wird, vorausgesetzt dass Herr Bundesminister Dr. Schäuble standhaft bleibt und sich nicht dem Anliegen von Herrn Staatsminister Dr. Beckstein beugt.
Ich schicke vorweg, dass ich selbst seit 1994 Inhaber des Doktorgrades bin, dazu seit 2002 ordentlicher Professor an der TU München, also nicht dem Verdacht unterliege, mein Antrieb beim Schreiben dieses Leserbriefes sei Titelneid gewesen.
Der Doktortitel kann gegen den Willen des Trägers entzogen werden, zum Beispiel wenn nachträglich Täuschungsversuche im Promotionsverfahren offenbar werden oder wenn sich der Träger als der hohen Ehre nicht würdig erweist. Damit erfüllt der Doktortitel nicht die Merkmale eines Namens und hat somit im Namensfeld eines Ausweises nichts zu suchen, aber das nur ergänzend.
Stichhaltig ist die im Beitrag vom 16.2.2007 vorgetragene Argumentation, dass die Abschaffung der Eintragungspraxis den Behörden die Arbeit vereinfacht und dass das vielfach damit betriebene Schindluder dann nicht mehr möglich ist. Dagegen gibt es für die Eintragung in Pass und Personalausweis keinen wirklich guten Grund. In den zurückliegenden 13 Jahren seit meiner Promotion hat nie jemand in Zweifel gezogen, dass ich den Doktorgrad rechtmäßig führe. Wenn je ein Nachweis gefragt war, z.B. im Zuge meiner Bewerbungen oder meiner Berufung an die TU München, so war es selbstverständlich, dazu die Doktorurkunde vorzulegen und nicht etwa den Personalausweis. Auch kann ich das angeblich von der geplanten Maßnahme ausgehende falsche bildungspolitische Signal nicht erkennen. Ganz im Gegenteil: Von der bisherigen Praxis geht ein falsches Signal aus, nämlich dass der Doktortitel seinen Träger zu einem besseren Menschen mache oder dass wahre Bildung erst mit dem Doktorgrad erreicht sei. Beides ist absurd. Mehr denn je zuvor brauchen wir in Deutschland gut ausgebildete Akademiker, und vor allem solche, die mit Mitte Zwanzig und einem guten Diplomzeugnis einer Universität oder Fachhochschule in der Tasche in der privaten Wirtschaft ihren Mann respektive Frau stellen. Ebenso dringend brauchen wir qualifizierte Facharbeiter, also reichlich gut ausgebildete Arbeitskräfte, die sich mit weniger als den höchsten akademischen Weihen zufrieden geben.
Prof. Dr.-Ing. Michael Zäh, Garching bei München
Der Brief wurde nicht veröffentlicht. Ich erhielt von ihm erst heute Kenntnis. Mehr Informationen über den Traditionsguru Becksein und seinen Titelkampf.
Das deutsche Titelwesen
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