|
|
Röslers Lackmustest
Semantische Purzelbäume mit Metaphern
FAZ NET vom 18. Juli 2010, Artikel von Andreas Mihm
|
|
Sehr geehrter Herr Mihm,
Ihren Artikel im FAZ NET habe ich mit Interesse gelesen. Schon bei der Überschrift musste ich stocken. Lackmustest? Ich möchte annehmen, dass Sie die Bedeutung dieses Fachbegriffes kennen. Im am Ende des Artikels genannten Zusammenhang ist dieser Begriff eine irreführende „Ignorantenmetapher. Sie fördern damit bewusst das Sprechblasen- und Floskeldeutsch.
Sollte Ihnen die Bedeutung dieses Fachbegriffes jedoch fremd sein:
er bezeichnet einen in der Chemie gebräuchlichen Test des pH-Wertes einer Substanz mit Hilfe des Farbstoffes Lackmus. Der pH-Wert ist ein Maß für die Stärke der sauren oder basischen Wirkung einer wässrigen Lösung. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist der „Lackmustest eine typische Laien-Metapher, die Halbgebildete gern benutzen, wenn sie sich mit Fachausdrücken brüsten wollen, wie „Quantensprung für einen großen Fortschritt (Meilenstein).
Ich halte es in jedem Fall für bedenklich, Spezialbegriffe aus der Naturwissenschaft für völlig sachfremde Situationen zu verwenden. Die Nachahmung ist garantiert, besonders wenn sie von überregionalen und sehr bekannten Medien verbreitet werden. Meistens merken die Metapheristen nicht, dass sie semantische Purzelbäume schlagen. Im vorliegenden Fall ist es ein besonders großer. Es ist absurd, die Säurewirkung einer Substanz mit der Pharmareform, Röslers Gesundheitspolitik und seiner Durchsetzungsfähigkeit in Verbindung zu bringen. Analog könnten Löcher in einem Balken als Lackmustest für die Tätigkeit von Holzwürmern bezeichnet werden. Oder ganz krass: Die Häufigkeit derartiger Verwendungen von Metaphern wie „Lackmustest und „Quantensprung ist ein Lackmustest für den Geltungsdrang eines „Halbgebildeten. Wären die Ausdrücke Test, Knackpunkt oder Prüfstein zu banal für derartige Situationen?
Informationen zum Lackmustest: http://www.sprache-werner.info/index.php?id=31707.
Bitte helfen Sie mit, die Ausdruckskraft und die Differenzierungsmöglichkeiten der deutschen Sprache zu erhalten. Mit freundlichen Grüßen Ulrich Werner am 18.7.2010
|
|
|
|
|
| |
|