Papst-Fieber hin, Islamismus-Phobie her. In einer Zeit, in der die Religion wieder die öffentliche Debatte beherrscht, kommt die Nachricht von ihrem möglichen Ende überraschend:
Je tiefer Hirnforscher in das neurobiologische Fundament unseres Erlebens, Fühlens und Denkens vordringen, desto unglaubhafter erscheint vielen ein Leben nach dem Tod. Denn wie, bitte schön, sollte das Ich den Organismus überdauern? In unserer Titelgeschichte (ab S. 42) diskutiert Thomas Metzinger, welche Risiken die fortschreitende Naturalisierung des Geistes durch die Hirnforschung zeitigt. Gut möglich, dass mit dem Glauben an ein höheres Wesen, dem man sich zu verantworten habe, auch viele ideelle Werte schwinden und unsere Gesellschaft in eine zwischenmenschliche Eiszeit schlittert, meint der Mainzer Philosoph. Doch so plausibel dieser Schluss, so fraglich die Voraussetzung. Denn zum einen ist Religiosität derart tief in unser Gehirn eingebrannt, dass wir sie auch dank noch so gesicherter
Erkenntnisse kaum einfach als erledigt abhaken könnten, argumentiert der Gießener Biologe Eckart Voland im Streitgespräch ab S. 51. Und zum anderen übersteigt die Behauptung, alle geistigen Phänomene seien komplett neurochemisch verursacht, schlicht die Grenzen des Erforschbaren: Dass man Gott beim Scannen des Gehirns nirgends entdecken kann und es ihn folglich auch nicht gebe, ist ebenso platt wie die dem Weltraumpionier Juri Gagarin zugeschriebene Aussage, er habe Gott im Himmel nicht angetroffen, deshalb sei Letzterer wohl unbewohnt.
Zum Artikel
|