Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Bildung Grade Titel XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / Doktor-Grad, Übersicht / Guttenbergs Jagd nach dem Doktortitel / Guttenberg - Opfer des deutschen Titelwe
 

  < zurück erweiterte Suche Seite drucken
 

Zu Guttenberg – Opfer des deutschen Titelwesens?

 Missachtung der Rechtsprechung sichert Titelstaat und nährt die Erwartung lebenslangen hohen Ansehens

  

Welchen Eindruck mag ein politisch noch unbekannter junger Abgeordneter beim täglichen Gang durch die Flure des Deutschen Bundestages gewinnen? Immer wieder sieht er ein „Dr.“-Kürzel am Türschild. Auch in den Plenarsitzungen entgeht ihm nicht die ständige Bedokterung der Promovierten, ob Abgeordneter oder nicht. Ihre Namen sind jeweils mit den zwei Buchstaben „Dr.“ verziert, dem in Deutschland staatlich geförderten Zeichen für akademische Bildung, Garant für Ansehen, Achtung und Würde, lebenslang gültig. Der Doktortitel fehlt auch nicht beim Aufruf während einer Plenarsitzung und bei Angabe des Namens im Protokoll, wo der Titel in geradezu penetranter Weise stets vor den Namen gesetzt ist. Ist es dann nicht verständlich, wenn auch in ihm der Wunsch entsteht, diese lebenslang gültige automatische Erhöhung des Ansehens zu erlangen?

Auch Guttenberg mag es so ergangen sein. Fähig zu dissertieren fühlte er sich schon lange. Kennt er doch Abgeordnete, seiner Meinung nach richtige Blindgänger, die wohl nur deshalb so stolz schreiten, weil sie diese akademische Leuchtboje „Dr.“ tragen. Wie und wo sie promoviert haben, weiß niemand, was in der Dissertation steht, auch nicht. Sogar das Studienfach dürfen sie verschweigen. Also rundum  eine verbale Mogelpackung. Wegen des hohen Ansehens, das Promovierte in Deutschland genießen, ist der Doktortitel heiß begehrt. Der Titelhandel blüht. Das Angebot im Inland und Ausland ist reichlich. Natürlich enthält ein großer Teil der Dissertationen mehr oder weniger wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse. Aber wie soll jemand den zwei Buchstaben ansehen, welche Geistesblitze dahinter stehen? Zumal den Prädikaten „summa cum laude“ und „magna cum laude“ nach der aktuellen Erfahrung auch nicht mehr zu trauen ist, falls sie überhaupt bekannt werden.

Der Doktortitel wird Deutschland vor allem deshalb so dringend angestrebt, weil der deutsche Staat ihn offiziell als Namensbestandteil führt und dementsprechend seinen Eintrag in der Namenszeile von Pass und Personalausweis zulässt. So, als gäbe es nicht das BGH-Urteil im Jahre 1962. Es stellte zur Überraschung und sicher auch Enttäuschung der Promovierten fest:

„Akademische Grade sind KEIN Bestandteil des Namens.“

Da half und hilft weiterhin nur: Ignorieren, mit Hilfe der bundesweit sehr erfolgreichen Doktorlobby.

Hinweise auf die missachtete Rechtsprechung stießen in verschiedenen Regierungsstellen immer wieder ins Leere, zuletzt im Vorjahr bei Herrn de Maizière. Für die deutsche Regierung ist die Feststellung des BGH offenbar eine belanglose Stammtischfloskel. 

Vor vier Jahren wäre es beinahe gelungen, in Deutschland eine sach- und rechtskonforme Behandlung des Doktorgrades einzuführen, um u. a. die Meldebehörden zu entlasten und internationale Gepflogenheiten zu übernehmen. Der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble, Dr. jur., hatte die Passvorschriften ändern lassen. Doch Bayerns Innenminister Beckstein, Dr. jur., verhinderte das Jahrhundert-Vorhaben durch seinen Einspruch im Bundesrat mit dem Hinweis auf die Tradition. mehr

Der Reiz zu Promovieren blieb erhalten. Der Lohn ist so groß, dass viele Doktoranden auch das Risiko nicht scheuen, Unredlichkeiten zu begehen. Ob Guttenberg bewusst betrogen hat, ist noch offen. Jedenfalls konnte er sich nicht schnell genug mit der akademischen Verzierung schmücken. Er beantragte und erhielt eine Sondererlaubnis für vorzeitiges Führen des Titels. Binnen Kurzem waren die begehrten Buchstaben an allen wichtigen Stellen angebracht (und später wieder entfernt).

Vorläufiges Ende des Falles bilden der Entzug des Doktorgrades und Guttenbergs Rücktritt von allen Ämtern. Positiv ist der Einblick in die höchst fragwürdige Examensprozedur an der Universität Bayreuth. Er legt es dringend nahe, das Promotionswesen mit mehr Wissenschaft und Sachlichkeit zu beleben, vermutlich auch an anderen Universitäten.

Ulrich Werner

Links:

Das deutsche Titelwesen

Doktorgrad



zum Seitenanfang < zurück Seite drucken