Anhand authentischer Formulierungen Helmut Kohls leistet Walter Jens eine Analyse der normativen Konstitution der politischen Persönlichkeit des Altkanzlers. Diese Auswertung dimensioniert mit terminologischer Sensibilität die „Katastrophe Kohl" in der ethisch bestimmten Begrifflichkeit „Ausmaß Kohlscher Verblendung".
Dabei vermeidet Walter Jens, wiewohl Kenner der griechischen Tragödie, den klassischen Ausdruck „Hybris", der hier deshalb nahe liegt, weil der Ex-Kanzler mit mafiosen Methoden illegaler Parteifinanzierung das Transparenzgebot des Grundgesetzes permanent verletzt und sich so als notarischer Verfassungsbrecher gegen die Rechtsgemeinschaft stellt.
Gleichzeitig durchzieht seine 16-jährige Kanzlerschaft der konstante Amtseidbruch als ethische Monstrosität, mit der er sich aus der menschlichen Gemeinschaft ausgrenzt. Allein schon diese Tatbestände qualifizieren sich als Akte der Hybris. Indem Kohl jedoch sich beharrlich weigert, die Namen angeblicher Spender offen zu legen, verleiht er dieser Hybris den Charakter des Kontinuums.
Daher entsteht der Eindruck, Verfassungs- und Amtseidbruch sowie Hybris seien als hoheitliches Gewohnheitsrecht die ganz natürlichen Amtsprivilegien nun nicht eines demokratischen Staatsmannes (während und nach der Amtszeit), sondern eines ins 20. Jahrhundert sich verirrenden altorientalischen Gottkönigs.
Indem Kohl aber diese Akte der Hybris mit seinem (illegalen und daher nichtigen) Ehrenwort prinzipiell aller gesetzlichen und rechtlichen Zuständigkeit entzieht und also durch seine Ehre tabuiert, stiftet er- - völlig singulär - die Hybris der Hybris. Zu fragen bleibt, ob sich darin nicht das Selbstbewusstsein von Kohl als Übergott offenbart. Jedenfalls sind Rechtsgemeinschaft und Menschheit umso gewissenhafter verpflichtet, Kohl wirksam in die Schranken zu weisen.
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