I. Vorbemerkung
Seit mindestens 75 Jahren ist es üblich (1), in Patentansprüchen den Ausdruck „insbesondere", jetzt vorwiegend in der Fassung „insbesondere" zu verwenden und mit ihm eine Einfügung einzuleiten, die je nach Einfügungsort (Oberbegriff oder Kennzeichen) eine unterschiedliche Bedeutung hat. Nach der z. Z. herrschenden Praxis wird „insbesondere" (gleichbedeutend sind „vorzugsweise", „vornehmlich", „hauptsächlich", „auch für", „gegebenenfalls" und dgl.) im Kennzeichen des Anspruchs 1 selten, im Oberbegriff des Anspruchs 1 und in den Unteransprüchen jedoch grundsätzlich zugelassen, von Ausnahmen abgesehen. Die Hartnäckigkeit, mit der manche Anmelder bei Beanstandung derartiger Formulierungen im Anspruch 1 versuchen, sie dort zu belassen, folgt wohl dem Bestreben, das Patentbegehren nicht unnötig einzuschränken und möglichst wenig bestimmt und möglichst viel unbestimmt auszudrücken.
Die Beliebtheit der genannten Ausdrücke ist verständlich, solange sie erlauben, in den Patentansprüchen einen gewissen Deutungsspielraum einzuarbeiten, um z. B. im Verletzungsstreit den Schutzbereich des Patents in geeigneter Weise zu modifizieren. Das gelingt allerdings nur dann, wenn die Richter die Offenbarung anerkennen. Fehlen in den ursprünglichen Unterlagen die Angaben, auf die sich die unbestimmt gehaltenen Formulierungen beziehen können, nutzt dem Anmelder die Mehrdeutigkeit der Formulierung gar nichts. Betreffen diese Formulierungen den Gegenstand der Erfindung, so lassen sie sich oft schon im Prüfungsverfahren durch eine klare Definition ersetzen. Es wird allerdings immer wieder Fälle geben, in denen erst der Verletzungsgegenstand den Patentanspruch als nicht ausreichend klar abgefaßt erkennen läßt. Berechtigte Hervorhebungen (auch unberechtigte sind möglich und üblich), beispielsweise des Anwendungsgebietes, haben den gleichen Informationswert, wenn sie statt im Anspruch 1 in der Beschreibung stehen.
II. Begriffsbestimmung
Das Umstandswort „insbesondere" hat nach Mackensen (2) die Bedeutung von „besonders", was dem kürzeren Ausdruck „sehr" gleichgestellt ist. „Sehr" ist wiederum im Sinne von „in hohem Maße" zu verstehen. „Besonder(e)(s)" als Eigenschaftswort verwendet, kann den Sinn von „einzigartig", „außergewöhnlich" oder „auffallend" haben.
Bei der in Patentansprüchen üblichen Verwendung des Ausdruckes „insbesondere", in der Regel mit „insb." abgekürzt, ist häufig keine der oben angegebenen Bedeutungen einsetzbar, jedenfalls nicht ohne sinnbestimmende Zusätze, wie z. B. „geeignet für", die jedoch davon abhängen, ob die Einfügung im Oberbegriff oder im kennzeichnenden Teil des Anspruchs steht. Für die sinngemäß gleichbedeutenden Umstandswörter „vorzugsweise", „vornehmlich" etc. gelten dieselben Überlegungen.
III. Sachliche Bedeutung von „insbesondere"
Zunächst soll untersucht werden, welche Information oder Aussage eine I-Einfügung in einem Patentanspruch bewirkt, die mit „insb." eingeleitet wird; im folgenden soll sie kurz mit „I-Einfügung" bezeichnet werden.
Der wohl häufigste Anwendungsgrund für die Einfügung im Oberbegriff des Anspruchs 1 liegt im Bedürfnis des Anmelders, ein bevorzugtes Anwendungsgebiet für den Erfindungsgegenstand zu nennen. So lautete auch schon der Oberbegriff der Patentschrift aus dem Jahre 1903 (1):
„Spanntragewerk, insb. für Krankenlagerung und -transport."
Weitere Beispiele aus neueren Anmeldungen:
„Schaltung zur Störungsmeldung in Fernmeldeanlagen, insb. Fernsprechanlagen" oder
„Geschwindigkeitsgesteuerte Dosierbandwaage, insb. für Materialien mit anomalen Fließeigenschaften".
Die I-Einfügung zur besonderen Hervorhebung eines speziellen Lösungsmerkmals wird hauptsächlich im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 vorgenommen. Sie ist aber auch im Oberbegriff möglich und nicht schon deshalb zu beanstanden, weil die Lösung der Aufgabe nur im kennzeichnenden Teil des Anspruchs zu stehen habe.
Daß die Erfindung durch den gesamten Anspruch 1 definiert wird, wurde bereits mehrmals (3), zuletzt von Windisch (4) dargelegt.
Im Oberbegriff des Anspruchs und mehr noch in seinem Kennzeichen stehende I-Einfügungen bilden im Zusammenhang mit der sinngemäß zugeordneten Aussage eine Einschränkung, der durch die von ihr ausgelöste Sinnwirkung eine besondere Bedeutung zukommt. Wird z. B. im Rahmen der Lösung zunächst ein Halbleiter angegeben, der nach dem Fachwissen z. B. in Form eines Transistors oder einer Diode ausgeführt sein kann, so weist der Zusatz „insb. Diode" darauf hin, daß bei Verwendung einer Diode eine bessere Wirkung erzielbar ist als mit einem anderen Halbleiter. Die Verallgemeinerung (Halbleiter) mit dazugehörender Hervorhebung (Diode) kann sowohl im Oberbegriff als auch im Kennzeichen stehen. Dabei kommt es auf den Kontext an, ob es sich um ein Anwendungsgebiet oder ein Lösungsmerkmal handelt:
„Überlagerungsschaltung mit einem Halbleiter, insb. einer Diode" oder
„Schaltung für eine Mischstufe, worin ein Halbleiter, insb. eine Diode als Mischelement dient" . . .
Das letzte Beispiel zeigt (der Stand der Technik sei unberücksichtigt), daß die Formulierung „Halbleiter, insb. Diode" sowohl als Lösung als auch als Definition des Anwendungsgebietes betrachtet werden kann. Welche Aussage gemeint ist, kann letztlich nur aus den übrigen Unterlagen hergeleitet werden, sofern sie klar genug abgefaßt sind. Derartige Deutungsschwierigkeiten sind seltener, wenn die Formulierung im Kennzeichen steht, da dort Angaben über Anwendung und Zweck der Erfindung in der Regel nicht gemacht werden. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für das Patenterteilungsverfahren?
IV. „insb." im Oberbegriff des Anspruchs 1
Im Oberbegriff des Anspruchs 1 wie auch eines nebengeordneten Anspruchs muß eine I-Einfügung unbeachtet bleiben, weil der Gegenstand des Anspruchs die Forderung nach unbeschränkter Geltung erfüllen muß. Die I-Einfügung stellt aber eine Beschränkung dar, wonach die beanspruchte Lehre nur in dem speziellen angegebenen Fall gilt. Gibt die I-Einfügung ein spezielles Anwendungsgebiet an, so ist sie nichts anderes als eine Information darüber, in welchem Fall die beanspruchte Lehre besonders wirksam ist. Eine Bedeutung für den Schutzbereich besteht nicht, denn der wird durch die allgemeinere Fassung des Anspruchs begründet, die den speziellen Fall umfaßt. Selbstverständlich dürfen sich die der I-Einfügung nachfolgenden Ausführungen, auch die in den Unteransprüchen stehenden, auf die I-Einfügung nicht beziehen (unbeschränkte Geltung), was bei der Prüfung nur dadurch berücksichtigt werden kann, daß die I-Einfügung mindestens gedanklich ignoriert wird.
Problematisch wird die I-Einfügung, wenn sie ohne eine ihr vorangestellte Verallgemeinerung verwendet wird, indem - um beim obigen Beispiel mit der Mischstufe zu bleiben - die Angabe „Halbleiter" weggelassen wird. Der Oberbegriff würde dann lauten:
„Schaltung für eine Mischstufe, worin insb. eine Diode als Mischelement dient."
Da die Auszeichnung von Patentanmeldungen sehr stark vom Anwendungsgebiet der Erfindung beeinflußt wird, bleibt es dem Prüfer in der Vorprüfungsabteilung überlassen, die allgemeine Klasse zu bestimmen oder die Anmeldung der I-Einfügung entsprechend der speziellen Klasse zuzuordnen.
Ein weiteres Beispiel: „Rückschlagventil, insb. für Infusionsgeräte". Ob es sich hier um ein Bauteil der Maschinenbauindustrie handelt oder ob das Ventil nach Aufgabe und Lösung ausschließlich für Infusionsgeräte bestimmt ist, kann erst im Prüfungsverfahren festgestellt werden. Dort muß gegebenenfalls der Nachweis geführt werden, daß das Ventil als für die allgemeine Verwendung geeignet offenbart worden ist.
In Kenntnis der bisher im Amt beobachteten Wirksamkeit der I-Einfügung speziell bei der Auszeichnung von Patentanmeldungen wurde und wird auch mit ihr versucht, Anmeldungen in eine bestimmte Prüfungsstelle zu lancieren, von der man sich eine etwas großzügigere Verfahrensweise erhofft. Dieses völlig legitime Verhalten des Anmelders kann aber dazu führen, daß die Anmeldung ohne Ausschöpfung einer vollständigen Recherche in einer nicht zutreffenden Klasse bekanntgemacht wird.
Handelt es sich dagegen bei der I-Einfügung ohne vorangestellte Verallgemeinerung um ein Lösungsmerkmal, so kann der Anmelder den Schutz für den angemeldeten Gegenstand in einer Ausdehnung erhalten, die er u. U. nicht offenbart hat. So würde in der Fassung wie „worin als Mischelement insb. eine Diode dient" die Formulierung „insb. Diode" als alleinige Aussage über das benutzte Lösungsmerkmal einen allgemeinen Begriff andeuten, der vielleicht aus den Unterlagen, besonders aus der Beschreibung herleitbar ist oder aber auch nicht. Diesbezügliche Angaben können versehentlich unterblieben sein oder deshalb fehlen, weil sich der Erfinder am Anmeldetag zunächst nicht völlig klar war über die Wirksamkeit der Erfindung und über die Variationen der Lösungsmerkmale. Der Begriff „Diode" läßt sich einerseits dem allgemeinen Begriff „Halbleiter", andererseits aber auch dem allgemeinen Begriff „Röhre" unterordnen. Die Zulassung der Formulierung „insb. Diode" ohne vorangestellten allgemeinen Begriff würde es dem Anmelder ermöglichen, erst bei Auslegung des Patents jeweils die passende Verallgemeinerung auszuwählen und geltend zu machen. Die I-Einfügung stellt in diesem Fall einen eingeschobenen Unteranspruch dar, der sich auf einen unvollständigen Hauptanspruch bezieht. Bildet der Gegenstand des eingeschobenen Unteranspruchs den Gegenstand des Oberbegriffs des Anspruchs 1 weiter, taucht die Frage der Einheitlichkeit auf, die den Vergleich des Gegenstandes des eingeschobenen Unteranspruchs mit dem einen unvollständigen Oberbegriff aufweisenden Anspruch 1 erfordert.
V. „insb." im Kennzeichen des Anspruchs 1
Im Kennzeichen des Anspruchs 1 sind I-Einfügungen, die ein spezielles Anwendungsgebiet angeben, selten, sinnvoll auch nur in Ansprüchen für Aufgaben- (treffender genannt Anwendungs-)erfindungen. Im Normalfall wird durch die I-Einfügung ein besonderes Merkmal, also ein besonderes Mittel zur Lösung der Aufgabe hervorgehoben, das jedoch für die Lösung der Aufgabe in der vom Anmelder beanspruchten allgemeinsten Form nicht erforderlich ist. Auch hier muß die I-Einfügung als eingeschobener Unteranspruch angesehen werden, dem zunächst ebenso wie den separat aufgeführten Unteransprüchen keine selbständige Bedeutung, sondern nur eine solche in Verbindung mit dem Hauptanspruch beigemessen wird.
Vl. „insb." im Unteranspruch
Im Oberbegriff eines Unteranspruchs, der in der Regel durch die Bezugnahme auf den oder einen vorangehenden Anspruch im Wortlaut verkürzt ist, hat die I-Einfügung die gleiche Aussagewirkung, wie unter IV. dargelegt worden ist. Auch die unzulässige und unberechtigte Verallgemeinerung taucht hin und wieder auf, und zwar in einer Formulierung wie:
„Kraftfahrzeuge, insb. nach Anspruch 1,. . ."
Der vorangestellte Anspruch 1 lautete etwa: „Kraftfahrzeug mit Verbrennungsmotor, der über ein Übersetzungsgetriebe an allen vier Rädern wirksam ist, mit einer zentral steuerbaren Bremseinrichtung an jedem Antriebsrad, dadurch gekennzeichnet, . . ."
Der Unteranspruch würde sich demnach allgemein auf ein Kraftfahrzeug richten, das jedoch, wie der Anspruch 1 ausweist, in vielen Variationen bereits bekannt ist.
VII. „insb." im Zusatzpatent
Die Bezugnahme im Zusatzpatent auf das Hauptpatent mit der Formulierung „insb. nach Hauptpatent" ist in sachlicher Hinsicht den erörterten I-Einfügungen gleichzusetzen. Der Hauptanspruch des Zusatzpatents gilt zunächst in der allgemeinen Fassung, also so, als wenn die I-Einfügung nicht vorhanden wäre. Der Anmelder kann damit für den Gegenstand des Zusatzpatents einen vom Gegenstand des Hauptpatents unabhängigen, also selbständigen Schutz beanspruchen. Andererseits genießt der Anmelder infolge der Bezugnahme auf das Hauptpatent das Privileg, für das Zusatzpatent keine Jahresgebühren zahlen zu müssen, obwohl es sich - es sei wiederholt - zunächst um ein selbständiges Patent handelt. Der fakultative Bezug auf das Hauptpatent wird in Zusatzanmeldungen z. T. immer noch ohne Bedenken zugelassen.
Wird erst im Laufe des Prüfungsverfahrens beantragt, den Rückbezug auf die Hauptanmeldung fakultativ zu bilden, so darf die Frage der Offenbarung nicht unbeachtet bleiben. Es mußte bereits am Anmeldetag angegeben gewesen sein, daß in der Zusatzanmeldung eine nach Aufgabe und Lösung vollständige Erfindung, und zwar ohne Einbezug des Gegenstandes der Hauptanmeldung vorliegt.
VIII. Auslegungsschwierigkeiten
Unabhängig davon, in welchen Ansprüchen und an welcher Stelle in den Ansprüchen die I-Einfügung vorgenommen wird, ist oft unklar, was gemeint ist. Dies gilt speziell dann, wenn Relativsätze nachfolgen und offenlassen, auf was sich ihr Inhalt bezieht. Beispiel:
„Tisch, insb. mit Rahmen, an dem mindestens ein Bein befestigt ist."
„An dem" kann sich sowohl auf „Tisch" als auch auf „Rahmen" beziehen. In solchen Fällen ist es allgemein üblich, das Pronominaladverb „wobei" einzusetzen, das dann allerdings eine Eigenschaft mit einer Funktion verbinden muß. Auf das obige Beispiel angewendet würde der grammatikalisch falsche Ausweg lauten:
„Tisch, insb. mit Rahmen, wobei am Tisch mindestens ein Bein ... befestigt ist."
Die Unrichtigkeit dieser Formulierung wird erkennbar, wenn man ein einfacheres Beispiel betrachtet:
„Der Mann ist groß, wobei er lacht."
Auch hier ist die Aussage über die Eigenschaft mit einer Funktion kombiniert. Wenn bei komplizierten Sachverhalten durch „wobei" eine längere Satzkonstruktion umgangen werden kann, sollte diese Formulierung mit Rücksicht auf die Klarheit der Aussage aber nur dann verwendet werden, wenn zwei Tätigkeiten (Funktionen) verbunden werden sollen. Entsprechend dem Beispiel:
„Der Mann geht, wobei er lacht" müßte es dann im Tischbeispiel für den Fall, daß die I-Einfügung nur bis „Rahmen" reicht, heißen:
„Tisch, an dem mindestens ein Bein befestigt ist, insb. mit Rahmen."
Wenn nicht erkennbar ist, wie weit die mit „insb." begonnene Aussage reicht, ergeben sich ebenfalls Schwierigkeiten in der Beurteilung des Anspruchs. Beispiel:
„Empfänger für insb. sehr kurze elektromagnetische Schwingungen." Hier sind folgende Auslegungen möglich:
a. „Empfänger für Schwingungen, insb. für sehr kurze elektromagnetische Schwingungen",
b. „Empfänger für elektromagnetische Schwingungen, insb. für sehr kurze", und
c. „Empfänger für kurze elektromagnetische Schwingungen, insb. für sehr kurze."
Als Ausweg bietet sich die wörtliche Fassung einer der drei Auslegungen an, und zwar in Abhängigkeit von Offenbarung und Antrag des Anmelders, oder die Verwendung von Kommas, die die I-Einfügung einnahmen: „Empfänger für, insb. Sehr(,) kurze(,) elektromagnetische(,) Schwingungen."
Wenn die Tätigkeit des Prüfers im Deutschen Patentamt darin besteht, mehr oder weniger schwierige technische Sachverhalte gedanklich und in Schriftform zu beurteilen, so wird er im Laufe der Zeit auch die oben aufgezeigten Probleme bei der Beurteilung der Patentansprüche ohne besondere Anstrengungen lösen, d. h. mit mehr oder weniger Nachdruck und Gründlichkeit um die Klarstellung der Unterlagen bemüht sein, jedenfalls in dem Maße, wie er der gleichen Meinung wie der Verfasser ist. Andererseits muß aber die Frage erlaubt sein, warum seit langem Formulierungen in den Unterlagen toleriert werden, die ersichtlich die Prüfungstätigkeit erschweren und nicht einmal der Rechtssicherheit dienen. Vermutlich lassen sich auch Gründe dafür bringen, daß die Frage des Verfassers unberechtigt ist, beispielsweise den Hinweis auf die seit vielen Jahren bewährte Praxis. Das Verständnis für die freie Entscheidung des einzelnen, die I-Einfügung zuzulassen oder nicht, endet aber dann, wenn das Gesetz eindeutige Normen für die Abfassung der Patentansprüche vorschreibt. Es soll daher untersucht werden, ob und wie weit die I-Einfügungen gesetzlich gefordert sind und, falls entsprechende Regelungen fehlen, wenigstens erlaubt sind.
IX. Gesetzliche Regelung
Eine wörtliche Anweisung, 1-Einfügungen mit besonderen Anwendungsgebieten, Merkmalen, Mitteln oder dergl. Patentansprüchen vorzunehmen, fehlt sowohl im Patentgesetz als auch in den Anmeldebestimmungen für Patente. Lediglich für das Anwendungsgebiet der Erfindung gibt es in den Anmeldebestimmungen eine wörtliche Bestimmung, nämlich die, es in der Beschreibung anzugeben (5). Irgendwelche Andeutungen, etwa besondere Anwendungsgebiete im Oberbegriff des Anspruchs 1 anzugeben, sind in den Anmeldebestimmungen nicht erkennbar. Auch das Argument, das Verständnis des Anspruchs werde durch die I-Einfügung erleichtert, läßt sich nicht als Rechtfertigung für die I-Einfügung benutzen. Nach dem Zugeständnis für den Anmelder, die Erfindung im Anspruch 1 in allgemeinster Fassung zum Ausdruck bringen zu dürfen, ist zur Verdeutlichung des Schutzbegehrens ausschließlich die Beschreibung zu benutzen und heranzuziehen, wofür sie dem Patentgesetz nach ja auch bestimmt ist (6).
Für den Oberbegriff des Anspruchs 1 schreiben die Anmeldebestimmungen vor (7), er solle die technische Bezeichnung und die Merkmale des Gegenstandes enthalten, auf die sich die Erfindung bezieht, soweit diese Merkmale bekannt sind oder vom Schutz nicht erfaßt werden sollen. Die Bestimmungen sind im Zusammenhang mit der Rechtsprechung nur so zu deuten, daß im Oberbegriff die Merkmale des Gegenstandes anzugeben sind, von dem bei der Erfindung ausgegangen wird (8). Die Beachtung dieser Vorschrift kann nur darin zum Ausdruck kommen, daß im Oberbegriff ein konkreter, uneingeschränkt geltender Gegenstand definiert wird. Eine I-Einfügung im Oberbegriff bezeichnet aber einen Sonderfall und schließt diese Aussage expressiv verbis in Form eines gewissen Widerspruchs von der allgemeinen Aussage aus. Die I-Einfügung dient somit nicht zur Bildung des Oberbegriffs.
Das gleiche gilt für eine I-Einfügung, die sich auf ein besonderes Lösungsmerkmal bezieht. Die allgemeinste Form des Lösungsgedankens wird eben dann verlassen, wenn ein besonderer Fall betont wird, für den nach Aufgabe und Lösung ein eingeschränkter Wirkzusammenhang gilt. Hierfür sind den Anmeldebestimmungen nach die Unteransprüche vorgesehen (9).
Auch die Einschränkung am Ende von § 3 a Abs. 2 der Anmeldebestimmungen, wonach eine andere Fassung der Patentansprüche zulässig ist, wenn sie sachdienlich ist, kann nicht die Zulassung von I-Einfügung im Anspruch 1 begründen. Die I-Einfügung bewirkt ja nicht eine andere Fassung eines Anspruchs des gleichen Inhalts, sondern eine andere Fassung mit zusätzlichem und damit anderem Inhalt.
X. Rechtsprechung
Aus der Rechtsprechung ist die Entscheidung des BGH" bekannt, wonach mit „z. B.", aber auch mit Wendungen wie „vorzugsweise" oder dergleichen eingeleitete Satzteile in einem Patentanspruch, von Ausnahmefällen abgesehen, nicht angebracht sind. Dem erkennenden Senat lag zwar nur ein Patentanspruch mit dem Ausdruck „z. B." vor, aber die Gleichsetzung mit „vorzugsweise" ist bis heute in der Rechtsprechung unbeanstandet geblieben, wohl deshalb, weil es sich jeweils um eine unklare Formulierung handelt, die eine eindeutige Inhaltsbestimmung des Anspruchs erschwert, wenn nicht unmöglich macht. Der Senat des BGH betrachtete sie entweder als bloße nähere Erläuterung eines zuvor angeführten Merkmals, was Veranlassung wäre, diese in der Beschreibung aufzunehmen, oder als eine zweckmäßige Ausgestaltung, was die Aufstellung eines Unteranspruchs erfordere.
Was unter einer Ausnahme zu verstehen ist, die die Zulassung der Formulierung „z. B." rechtfertige, hat der BGH 8 Jahre später dargelegt". Damit ist bis heute kein strittiger Fall bekannt, mit der Formulierungen wie „vorzugsweise" oder „insbesondere" im Patentanspruch wenigstens ausnahmsweise bundesgerichtlich erlaubte Einführung finden konnten.
XI. Zusammenfassung
Patentansprüche mit durch „insb." eingeleiteten Einfügungen erschweren die Prüfung von Patentanmeldungen und bilden eine Quelle für Unklarheiten und Mißverständnisse. Die Großzügigkeit, mit der derartige Formulierungen in den Patentansprüchen zugelassen werden, ist allenfalls bei Unteransprüchen angebracht, wo sie als eingeschobene Unteransprüche helfen, deren Zahl zu verringern. Die nachfolgenden Rückbezüge sind dann aber besonders zu prüfen, ob sie eindeutig sind. Für den Hauptanspruch allerdings sollte - mit den gesetzlichen Bestimmungen im Hintergrund, welche I-Einfügungen weder vorschreiben noch erlauben - der Grundsatz gelten, nicht nur im Kennzeichen, sondern auch im Oberbegriff derartige Einfügungen nicht zuletzt zur Erhöhung der Rechtssicherheit zu vermeiden.
Dem Anmelder könnte diese Empfehlung als der Versuch erscheinen, ihm für einen späteren Rechtsstreit die letzte Chance zu nehmen, Patentschutz zu erhalten. Er möge dann aber bedenken, daß beim Rückzug auf bestimmte Merkmale, die zunächst nicht eindeutig formuliert sind, stets die harte Forderung nach Offenbarung auftaucht und letzten Endes mehrdeutige Patentansprüche auch unangenehm sein können, nämlich dann, wenn sie ihm entgegengehalten werden.
Fußnoten
(1) DPS 153 942 vom 27.05.1903
(2) Neues deutsches Wörterbuch
(3) Werner „Dürfen die Patentansprüche in der Beschreibung wiederholt werden?" Mitt. 1977, 185-188
(4) Windisch „Merkmalsanalyse im Patentanspruch?" GRUR 1978, 385-392, insb. 392 Abs. VI Zi. 9
(5) § 3 Abs. 4a
(6) § 26 Abs. 1 Satz 4
(7) § 3a Abs. 2a
(8) Mitt. 1977, 186
(9) § 3a Abs. 5
(10) BlfPMZ 1954, 24-27
(11) Mitt. 1961, 199-202
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