Der von meinem Vorwurf, die Sprache zu verhunzen, offenbar tief berührte Ernst Gottfried Mahrenholz fand, wie er schreibt, Trost auch im Duden, der als Plural für Wort sowohl Wörter als auch Worte gleichberechtigt nebeneinander zuließe. Der Trost sei ihm zwar gegönnt, aber entweder liegt ein Fehldruck des Dudens in seinem Regal oder er hat die Erläuterungen für die beiden Pluralbildungen nicht gelesen.
Im Duden Band 1, 20. Ausgabe, S. 808 steht: Plur. Wörter für Einzelwort od. vereinzelte Wörter ohne Rücksicht auf den Zusammenhang, z.B. Fürwörter; Plur. Worte für Äußerung, Ausspruch, Beteuerung, Erklärung, Begriff, Zusammenhängendes. Weitere Beispiele folgen, aus denen klar hervorgeht, daß Worte immer dann für mehrere Wörter steht, wenn diese einen Sinnzusammenhang ergeben. Dementsprechend taucht Worte im Grammatik-Duden (Bd. 4) in den Kapiteln über das Wort auf insg. 118 Seiten nicht ein einziges Mal auf.
Ältere Ausgaben des Dudens aus Ost und West, sowie Wahrig, Deutsches Wörterbuch erklären Worte und Wörter analog, ebenso Dudens Deutsches Universalwörterbuch. Der Bedeutungsunterschied zwischen Worte und Wörter ist, man kann sagen, uralt. So schrieb Martin Luther in seiner Bibelübersetzung (vollendet 1534): "Du wägest Dein Gold und Silber ein; warum wägest Du nicht auch Deine Worte auf der Goldwaage?". Kein Mensch würde im daraus abgeleiteten Sprichwort "die Wörter auf die Goldwaage legen". In "Trübners Deutsches Wörterbuch", Bd. 8 heißt es u. a.: Seit der zweiten Hälfte des 17. Jh. wird von den Sprachtheoretikern die heute gültige, in der lebenden Sprache aber noch immer nicht restlos durchdrungene Begriffsdifferenzierung der beiden Pluralbildungen gefordert: wörter pflegt man zu gebrauchen, wenn die meinung auf etzliche entzele wörter gerichtet ist: worte aber, wenn man eine gantze meinung, so in den worten bestehet, andeutet. Und für weitere Informationen: Im fünfbändigen Sprichwörter-Lexikon sind zu Wort, Wörter und Worte insg. 998 Zitate angeführt.
Man muß ja schon froh sein, wenn sich der Duden zum Nachweis sprachlicher Korrektheit eignet. Bei manchen Begriffen steht der Mahner für klare Sprache auf einsamen Posten. Entgegen der weitverbreiteten Meinung, der Duden sei das Produkt offizieller Sprachaufklärung, eine sog. Sprachberatungsstelle versucht diesen Eindruck zu wahren, erfüllt die Dudenredaktion den Auftrag, die Umgangssprache zu dokumentieren. Dementsprechend wird das ständig falsch verwendete Wort mehrfach im Duden als Synonym für mehrmals erläutert, und zwar sachwidrig, weil ohne Rücksicht auf die Tatsache, daß diese Wörter zwei völlig verschiedene Bedeutungen haben, denn mehrfache Ereignisse finden gleichzeitig statt, mehrmalige dagegen hintereinander. Dies zu mißachten hat insb. in den Bereichen Recht, Naturwissenschaften und Technik weitreichende Folgen.
Auch beim Danken verneigt sich der Duden vor des Volkes widersinniger Stimme, die Regel für reflexive Verben (Duden, Bd. 4) großzügig übersehend. In keiner anderen als der deutschen Sprache wird beim Danken das Gegenteil von dem gesagt, was man meint: anstatt (dem anderen) zu danken bedankt man sich (bei wem auch immer). Würden die Sichbedanker sich (bei Blumen) begießen, würden sie merken, daß nicht die Blumen naß werden, sondern sie selbst.
Ulrich Werner
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