Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Leser/Hörer-Briefe / LESER/HÖRER-BRIEFE / Leserbriefe versch. Verfasser / LB.Ebeling an diverse / LB.Ebeling an Salzb. Nachrichten
 

  < zurück erweiterte Suche Seite drucken
 

An die Salzburger Nachrichten
Leserbrief von Horst Ebeling  

 

Redaktion der Salzburger Nachrichten

                                                                                                                            26.9.2007

Sehr geehrte Damen und Herren

Rechtschreibfehler bei unter Zeitdruck stehenden Tageszeitungs-Redakteuren zu kritisieren, ist unfair und daher nicht meine Sache. Aber Grammatikbeherrschung und Ausdruckssicherheit kann man von JournalistInnen einer anspruchsvollen Zeitung verlangen.

Auf Seite 3 der SN Nr. 221 vom 24.09.2007 bezeichnen Sie in der Unterschrift zum \"Bild der Woche\" den Dalai Lama als \"geistiges Oberhaupt der Tibeter\". Das ist natürlich blanker Unsinn und zeigt mangelnde Sprachkompetenz des Autors. Vom Substantiv \"Geist\" können grundsätzlich zwei Adjektive abgeleitet werden, die allerdings nicht beliebig austauschbar sind und eine sehr unterschiedliche Bedeutung haben. Ein Land kann durchaus ein geistiges Zentrum haben, eine Stadt, in der die Intelligenz des Landes beheimatet ist und von wo die geistigen Strömungen ausgehen. Auch wenn die Intelligenz des Landes geistige Führer, also führende Intellektuelle, gerade noch hinnehmen wird, einem geistigen Oberhaupt wird sie sich nicht unterwerfen, dagegen spricht schon die Freiheit des Geistes.

Gläubige Menschen, deren Religiosität eher das Herz als den Verstand einsetzt, können sich aber sehr wohl einem Mitglied ihrer Glaubensgemeinschaft, sei es nun ein tibetisch-buddhistischer Mönch oder ein katholischer Bischof von Rom, unterwerfen und ihn als ihr

geistliches Oberhaupt betrachten. Auch wenn sich der Dalai Lama bei seinen Auftritten als sehr geistvolle Persönlichkeit erweist, ist und bleibt er allenfalls das geistliche Oberhaupt der tibetischen Buddhisten. Die Frage, wie weit sich \"die Tibeter\" zum Dalai Lama als Religionsführer bekennen, soll hier nicht erörtert werden. Ich kann mir nur vorstellen, dass unter den Einwohnern Tibets oder den aus Tibet stammenden Menschen auch Anhänger anderer Religionen oder sogar praktizierende Atheisten befinden.

Da ich den selbst nach dem Österreichischen Wörterbuch falschen Gebrauch des Adjektivs geistig in der österreichischen Tagespresse auch im Zusammenhang mit dem kürzlichen Besuch des römischen Kirchenoberhauptes lesen musste, andererseits aber von jedem Vereinsvorstand, der auf sich hält, die anwesende \"hohe Geistlichkeit\" begrüsst wird, vermute ich hier einen Ausdruck der in Österreich so beliebten Beliebigkeit, in der das Ungefähre als hinreichend genau angesehen wird. So sehr ich immer wieder meine Studierenden anhalte, zulässige Austriazismen zu verwenden, österreichische Sprachschlampereien sollten nicht den Segen des Chefredakteurs finden.

Mit freundlichen Grüssen

Horst Ebeling



zum Seitenanfang < zurück Seite drucken