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1943 - 1944 - Luftwaffenhelfer bei der "Heimatflak" und Reichsarbeitsdienst (RAD)

 

In Berlin
Im August 1943 wurden wir aufgerufen, bei der Verteidigung des Vaterlandes mitzuhelfen, als Luftwaffenhelfer in Berlin. Damit war die Jugendzeit in der Geburts- und Heimatstadt Hirschberg beendet. Die Trennung von der alleinerziehenden Mutter im Alter von 15 Jahren (1943) war, nach über 60 Jahren betrachtet, sicher deshalb leichter zu ertragen, weil auch Klassen- und Spielgefährten "zu den Waffen geeilt wurden".

Wir wurden zuerst einer 8,8 Flakbatterie in Ahrensfelde-Friedhof im Nordosten Berlins zugeteilt. Der Tag bestand aus einer Art Schulunterricht am Vormittag und Ausbildung an den Geschützen und den technischen Geräten am Nachmittag. Auch von schweren körperlichen Beanspruchungen blieben wir nicht verschont: Abladen von Verpflegungskisten und von Munition. 

Lehrinhalt und Wirksamkeit des Unterrichts in der Kantine einer Flakbatterie gehörte nun zwar zur Landesverteidigung, er förderte jedoch kaum die Bildung der Kinder-Soldaten, das Wort Teenager war noch unbekannt. Gab es nachts Fliegeralarm durften wir nach dem nächtlichen Aufenthalt, vorerst noch im Schutzbunker, etwas länger schlafen. Der Unterricht fand entweder verspätet oder gar nicht statt, je nach Länge des Alarms. Immerhin wurde respektiert, daß Jugendliche eine Mindestzahl von Schlafstunden brauchen.

Meinen 16. Geburtstag "feierte" ich mit dem Abladen von Flakgranaten. Auf meine schüchterne Bemerkung, ich hätte heute eigentlich Geburtstag, schickte mich der Unteroffizier zum Batteriechef, ich solle mich als „Geburtstagskind“ melden. Der gab mir spontan frei. Ich ging auf die "Bude", ein ehemaliger Eisenbahnwaggon, wo ich ein Päckchen mit Kuchen und Brief von meiner Mutter vorfand und glücklich war.

Im November 1943 wurden wir nach Spandau-Staaken verlegt.

 

    

  Berlin-Staaken: 10,5 cm Flugabwehrkanonen, Reichweite 10 000 m. Rechts einer
  dieser Munitionsbunker, über die wir nachts torkelten, wenn wir nicht das Pech hatten,
  in die Egge zu geraten und uns aufzueggen.

 

Gerade rechtzeitig, um die ersten schweren Angriffe in den Nächten des 22. und 23. November 1943 auf Berlin zu erleben. Wir saßen eingepfercht in einem bunkerartigen Graben und versuchten,  uns keine Angst anmerken zu lassen. Danach hatten wir immer öfter nächtlichen Besuch oder "nur" Alarm. Die Alarmauslösung hatte drei Stufen. Für uns galt schon das erste Klingelzeichen, meistens so um 23/24 Uhr, wir waren schon in der ersten Tiefschlafphase. Wir haßten es.. Raus aus den Federn, den Rucksack mit den Wehrmachtklamotten (Staatseigentum!) schnappen und losrennen zum Gefechtsstand. Wir Schüler arbeiteten an den technischen Geräten zum Einstellen der Daten an den Geschützen. Diese Daten wurden bei klarer Sicht an der optischen 4m-Basis ermittelt, einem sog. Kommandogerät 40, mit dem durch Anvisieren eines Flugzeugs die Voraussetzungen für einen Abschuß ermittelt wurden. Das K 40-Gerät benötigte vier Personen zum Bedienen. Der Mann zum Ermitteln der Entfernung, der E 1, schaute in der Mitte des über 4 Meter langen Rohrs wie bei einem Fernglas in die Optik. Dessen Strahlengang wurde durch optische Linsen auf einen Abstand von 4 Meter erweitert. Dies wirkte so, als wenn seine Augen genau so weit von einander entfernt wären. Hätten wir nur ein Auge, könnten wir nicht räumlich sehen.

E 2 und E 3, rechts und links nebem dem E 1, steuerten das Gerät in horizontaler bzw. vertikaler Richtung, Nach Erfassen des Ziels trat der B 4 in Aktion. Er mußte anhand der vom E 2 und vom E 3 ermittelten Daten, die ihm auf einem Kurvenblatt eingespielt wurden, den Kurs des Ziels ermitteln. Dies war wegen der Flugzeit der Granaten zum Vorhalten sehr wichtig, vor allem dann, wenn das Ziel den Kurs änderte. Sobald der B 4 sich sicher war, den in den nächsten Sekunden erwarteten Kurs des Flugzeugs bestimmt zu haben, meldete er „Kurs ermittelt“. Darauf hatten die Hiwis an den Geschützen, meistens sowjetische Kriegsgefangene und stämmige Burschen gewartet. Sie nahmen die Granate aus der Vorrichtung zur Zündereinstellung in ihrem Geschütz mit den eben noch anstehenden Daten und schoben die Granate ins Rohr, alles so schnell wie möglich. Jede Sekunde später konnten sich die Flugdaten geändert haben und das Geschoß flog am Ziel vorbei. Die Bedienung an den Geschützen für die horizontale und die vertikale Verstellung der Geschütze erhielten die vom K 40-Gerät errechneten Daten jeweils über ein Zeigerinstrument. Der eine Zeiger wurde vom K 40-Gerät gesteuert. Der andere Zeiger gab die Position des Geschützes an und mußte den erstgenannten Zeiger abgedecken. 

Nachts und bei schlechter Sicht übernahm das gleich nebenan stehende Funkmeßgerät (FMG) die Funktion des optischen Gerätes (K 40) - falls der Empfang nicht durch Stanniolstreifen gestört war. Jetzt wurde uns am K 40-Gerät die Zeigereinstellung vom Funkmeßgerät vorgegeben. Analog dem Verfahren an den Geschützen mußten wir mit dem örtlichen Zeiger den FMG-Zeiger abdecken. Der B 4 erhielt wieder die Bahndaten, aus denen er den Kurs bestimmte.

Bei nächtlicher Wolkendecke und Störungen des Funkverkehrs führten die Scheinwerfer das Kommando „Mattscheibe“ aus. Sie richteten den Lichtstrahl senkrecht nach oben. Die Jäger flogen über den Flugzeugen und sahen deren Schatten über den Wolken. 

Mit den russischen Gefangenen hatten wir ein gutes Verhältnis. Gegen Zigaretten und Brote fertigten sie uns aus 10-Pfennigstücken Ringe und andere Dinge.

Erst beim dritten Klingeln, der Alarmstufe drei, ertönten die Sirenen in der Stadt und gaben öffentlichen Alarm. Der blieb öfters aus, wenn die Bomberverbände bspw. bei Braunschweig abgedreht hatten und andere Ziele ansteuerten. Derweil standen wir noch einige - uns zu lange - Zeit in Bereitschaft und froren.

Angehalten, möglichst schnell gefechtsbereit zu sein, rannten wir bei Alarm so schnell wie möglich über das Gelände. Anfangs noch verschlafen wachten wir spätestens dann auf, wenn es plötzlich bergauf und gleich wieder bergab ging. Dann hatten wir einen der Munitionsbunker erwischt, die als Erhebungen im Gelände standen. Schlimm erging es jemanden, der in ein stehengelassenes Gerät hineinrannte. In der Dunkelheit sahen wir  nichts. Es ging darum, die Batterie möglichst früh gefechtsbereit zu melden. Beim Abschuß von Flugzeugen wurde zunächst anhand der aufgezeichneten Daten ermittelt, welche Batterien daran beteiligt waren. Im Zweifel zählte der gute Ruf der Batterie, den sie sich mit dem hohen Rang bei den Bereitschaftsmeldungen erworben hatte. Dementsprechend wurden Punkte verteilt. Mit 4 Punkten gab es das begehrte Flakkampfabzeichen.

Die Flak-Batterie stand mit einer zugeordneten Scheinwerfer-Batterie genau in der Schienengabel der Bahnstrecken Berlin-Hamburg und Berlin-Köln. Ein lohnendes Ziel für Angriffe aus der Luft. Am 6. März 1944 mit strahlend blauen Himmel erlebten wir den ersten schweren Tagesangriff auf Berlin. Daß wir ihn an dieser exponierten Stelle überlebten, haben wir wohl dem starken Wind zu verdanken und einem Abwurffehler der Piloten. Der Wind wehte aus gleicher Richtung wie die Sonne schien und in Flugrichtung der anfliegenden Maschinen. In gespannter Erwartung der gemeldeten Bomber sahen wir aus dem erstgenannten Grund den Bomberverband nicht, weil er durch die Sonne getarnt auf uns zukam. Plötzlich schlugen die Bomben in unmittelbarer Nähe ein. Wir warfen uns sofort in Deckung in die Winkel und Ecken des Schutzwalles. Das Krachen dauerte nicht lange. Zögerlich wagten wir uns aus der Deckung, ohne viel zu sehen. Der aufgewirbelte Boden und Staub hatte die Sonne verdunkelt. Der Bombenteppich war offensichtlich um ca. 200m in Windrichtung abgetrieben worden. Das hatte uns das Leben gerettet. Einen der Splitter las ich in der Nähe unseres Schutzwalles auf: ein völlig verzacktes scharfkantiges Metallstück von 40 cm Länge.

Die Benutzung von Sonderzügen für Urlauber war uns nur nach spezieller Genehmigung gestattet. Einmal lehnte der Offizier im Bahnhof meinen Antrag ab und strich meinen Fahrschein mit einer Schlangenlinie einfach durch. Bitter enttäuscht und in Vorfreude auf zu Hause wagte ich trotzdem die Fahrt von Berlin nach Hirschberg. Als die Militärkontrolle im Zug auftauchte, suchte ich Zuflucht in der Toilette. Doch ich wurde herausgeklopft, zeigte mit pochendem Herzen meinen Fahrschein – und alles war in Ordnung. Die hatten die Striche als Unterschrift mißdeutet. Die Urlauber im Abteil hatten mir erfolgreich die Daumen gedrückt.

 

3,7 Flak auf dem Flugplatz in Schroda bei Posen

Im Sommer 1944 wurden wir auf einen Militär-Flugplatz in Schroda ((X) siehe Info unten) bei Posen verlegt. Die Ostfront näherte sich langsam. Es ging ziemlich gemütlich zu. Wir trainierten an einer russischen 3,7 cm-Flugabwehrkanone, ich als K3, wieder für die Vertikale zuständig.

Der Ort Schroda wurde 40 Jahre später sehr bekannt. Hier wurde der Physiker Klaus von Klitzing 1943 geboren. Er erhielt 1985 den Physik-Nobelpreis für die Entdeckung des Quanten-Hall-Effekts.
 
 

 

 

In der nahen Kiesgrube übte ich täglich Flickflack und den Salto rückwärts, den ich bald barfüßig auf der Teerstraße springen konnte. Wir hatten einen gemütlichen Unteroffizier und meistens schönes Wetter. Fast eine Erholung, wenn es Urlaub gewesen wäre.  

 

 

 

Reichsarbeitsdienst und die letzten Tage in der Heimat

Nach dem Einsatz bei Posen als Luftwaffenhelfer mußte ich mich im Oktober 1944 in Trautenau in Böhmen zum Reichsarbeitsdienst melden. Schul- und Heimatfreunde konnte ich nicht mehr begrüßen. Gesund war die Arbeit im Wald ja. Doch hart und gefährlich. Von früh bis spät an steilen Hängen Bäume fällen. Die wurden auf selbst gebaute Rampen gewuchtet, von wo sie mit einem Wahnsinnstempo abwärts rasten. In wenigen Tagen hatten wir drei Tote und acht Schwerverletzte, die von den umherspringenden Stämmen getroffen worden sind. Nach 4 Wochen war dieser Einsatz wegen des Wintereinbruchs vorbei und der nächste Abschnitt in meinem Leben begann nach nur wenigen Tagen Erholung bei Muttern zu Hause: Die Abfahrt nach Norden als zukünftiger Marinesoldat. In den paar Tagen frischte ich meine große Liebe in Hirschberg auf. Doch ich verpaßte meine Traudl wegen eines Mißverständnisses bei der Verabredung und glaubte an einen Sinneswandel. Das abschiedlose Verlassen der Heimat, diesmal möglicherweise für immer, enttäuschte mich derart, daß ich mich spontan zu den Kampfschwimmern gemeldet habe. Doch für die war ich noch zu jung und so nahm der normale Gang der Rekrutenausbildung in Kopenhagen seinen Lauf. 

Heute wundere ich mich über unsere Begeisterung, wie wir uns dem Zeitgeist entsprechend bemühten, zu helfen. Wem? Dem „Führer“ oder der kämpfenden Truppe? Damit sie siegt? Damit der Krieg siegreich schnell beendet werde? Vielleicht lag die Ursache für unsere politische Passivität an unser politisch uninteressierten Mutter. Sie sorgte sich vorwiegend um die Söhne, um ihre Ausbildung und Ernährung. Nur der kann die Situation jedes Einzelnen beurteilen und das nur ungefähr, der diese Zeit in unmittelbarer Nähe des Einzelnen erlebt hat. Wir jungen Burschen fühlten uns anerkannt und in gewisser Weise geehrt, bei der Verteidigung mitzuwirken. Welche Kinder haben denn keinen Spaß am Kriegspielen? Stolz zeigten wir schon in der Bahn auf der Fahrt in den Urlaub den Kriegsurlauberschein und fühlten uns als richtige Soldaten. Zu Hause grüßten wir die Offiziere der Wehrmacht mit militärischem Gruß, statt, wie angeordnet mit dem Führergruß. Auch für den Einlaß ins Kino brauchten wir nicht mehr die Brille von Vater oder Mutter, um uns älter aussehen zu lassen bei für Jugendliche nicht freigegebenen Filmen. Der Urlaubschein war der Passierschein für alle Veranstaltungen. Wir schritten an der langen Schlange vor der Kasse vorbei und erhielten sofortigen Einlaß.

 



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