Natürlich ist Englisch wichtig, es ist ja eine Weltsprache. Aber man kann es auch übertreiben...
Um es gleich zu sagen., Dieser Artikel hegt keinerlei Aversionen gegen Fremdwörter. Aber was zu viel ist, ist too much. Zum Beispiel folgender Text: „Freier Eintritt für Events, Future Pool, Band Session, Spirit Acts, Round-Table-Meetings und als Highlight der Open-Air-Gottesdienst." Wir haben es hier mit einer neuartigen Textsorte zu tun: mit Anglogerman, einem Mix aus Selfmade-English und Restdeutsch, in diesem Fall verfaßt von der Jugendabteilung eines Bistums. Allerdings wundert man sich, daß der Gottesdienst nicht auch mit dem englischen Begriff Service angeboten wird.
Anglodeutsch ist so komisch wie unvermeidbar. Der Moderator einer Radiodiskussion über schwer bedienbare Apparate: „Ich als Normaluser, wie kriege ich das gehändelt?"
Wir wissen es auch nicht, verstehen aber die sprachlichen Nöte. Gutes Deutsch ist rar geworden. Immer mehr deutsche Sprachbürger sind geschockt, wenn auf einmal die alten Weihnachtslieder X-mas-Songs heißen und der Osterspaziergang zum Oster-Trekking wird. Auch mag es manchen Muttersprachler befremden, wenn sich der neue Hausmeister als Facility Manager vorstellt.
Das Lamentieren über die Verunstaltung des Deutschen zum Denglisch ist mittlerweile volkstümlich. Selbst die Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden startete im Dezember vorigen Jahres eine Umfrage zu diesem Thema.
Größere Aufmerksamkeit erregt der konkurrierende Deutschverein mit der jährlichen Verleihung seines „Sprachpanscherlöffels" für herausragende Leistungen im Produzieren von Anglizismen - in einem Kaufhaus etwa: „Nach einem Rundgang durch vier Verkaufsetagen", sagt die Sprachbewahrerin Ilona Waldera, „hatten wir das Dutzend voll: Casuals, Lifestyle, Beautysets, Personality, Fashion für Kids und so weiter, sogar auf den Toilettentüren stand women und men." Viel Heiterkeit gab es, als Frau Waldera bei der Preisverleihung in der Stadthalle das übliche Marketingdeutsch präsentierte: „Drei der Spottgeburten aus Deutsch und Englisch fanden wir besonders apart: Adventure-Hemd, Nice-Price-Offerte und Highlander-Trekking-Rucksack. Unbequem ist es aber, daß wir Hessinnen jetzt statt „Unnerwäsch „Underwear tragen sollen."
Englisch gilt nun als duale Muttersprache, so weit die deutsche Zunge dazu reicht. Besonders klangvoll wird das Denglish in Bayern gesprochen, einer Region, die sich schon immer auf Mundart verstand.
Die weißblaue Anglophonie hörten wir zum ersten Mal auf dem Oktoberfest: „Schauns, mir san praktisch Global Players, das Team von Bayern Munich, internationaler gehts fei nimmer! An Goalgetter aus Brasilien und an Tschämpion aus Frankreich! Überhaupts: An polyglotten Flair hamer hier herunten an der Isar. Quasi sind wir beim Wiesn-Event eine große Family: Blonde, Schwarze, Gelbe und Preißn - ein Ethnomix, wie 's sagn: Welcome to Bavaria ..."
Ein Sprachwissenschaftler aus Regensburg schrieb kürzlich in einem Aufsatz Sprachloyalität - Sprachkultur - Sprachattraktivität. Warum noch Deutsch lernen, ihn erstaune die mangelnde „Sprachloyalität" der Deutschen. Er vermisse ein „selbstbewußtes Auftreten" gegenüber anderen Sprachen, besonders dem Englischen. Engländer wiederum, die in Deutschland leben, wundern sich über das Selfmade-English, das sich die Deutschen für den täglichen Sprachgebrauch gebastelt haben, vom Handy über den Talkmaster bis zum Happy End.
Aber auch unsereins reibt sich die Augen. Wer beispielsweise durch Frankfurt geht, erlebt auf Schritt und Tritt das multisprachliche Ambiente. „Checken Sie ein im Main Tower. Top Büros mit Skyline-Blick." Steht auf einer Werbetafel.
Eine der Institutionen, die für die Muttersprache zuständig sind, ist die Duden-Redaktion in Mannheim. Duden-Chef Matthias Wermke, promovierter Germanist, warnt vor Übertreibungen: „Das Thema wird auch ein wenig hochgespielt. Auf etwa fünfhunderttausend deutsche Wörter kommen rund sechstausend Anglizismen. Das ist ein relativ kleiner Anteil. Dennoch gibt es Bereiche, wo die englischen Ausdrücke einen sehr hohen Anteil haben: in der Werbesprache, im Kommerz, im Sport, in der Musik."
Ilona Waldera zahlte eine Zeit lang ihre mit englischen Ausdrücken gespickten Telefonrechnungen. Als ihr die deutsche Telekom die Broschüre advantage - Das Magazin für Advantage Kunden ins Haus schickte, rief sie in der Zentrale an, um sich die zahlreichen Anglizismen übersetzen zu lassen. „Editorial? Antwort: „Das weiß ich nicht. Bei der Frage nach Freecall gab's eine falsche Antwort. Bei anmailen, Megaout, Teledate cordless, One-Touch-Easy-Handy, Gaming Agents variierten die Antworten. Schließlich gab mir eine höhere Stelle den Rat, doch im Wörterbuch nachzusehen!"
Inzwischen hat die Telekom zum Rückzug geblasen. Ihre Telefonrechnungen sind wieder muttersprachlich, der CityCall zum Beispiel heißt jetzt Cityverbindung. Unbeeindruckt zeigt sich dagegen die Lufthansa von den Angriffen der Sprachkämpfer: Sie bleibt bei ihrem vertrauten Airportdeutsch. Am Schalter hört der Kunde so manche rätselhafte Auskunft: „Mit dem Stand-by-upgrade-Voucher kann das Ticket beim Check-in aufgewertet werden."
Sagen wir es so: Es gibt kein richtiges Deutsch im falschen Englisch. In Mannheim wurden wir in Sachen Anglizismen mit einem optimistischen Daumen nach oben entlassen. „In der Zeit der ersten Dampfloks", sagt Wermke, „war das Eisenbahndeutsch mit französischen Ausdrücken gespickt. Bahnsteige hießen Perron, man stieg ins Coupe. Heute sind diese Begriffe in Deutschland wieder aus dem Sprachgebrauch verschwunden. Und genauso wird es auch vielen englischen Lehnwörtern ergehen, die uns heute so befremdlich vorkommen." Wie gesagt: an die sechstausend Anglizismen sind im Umlauf - und täglich kommen neue hinzu. Über einem neu erschlossenen Wohngebiet prangt das Schild: Housing Area. Ein ambulanter Verkaufsstand firmiert als Factory-Outlet. Der Handel spricht Englisch, die Globalisierung fordert ihren Tribut auch im Tante-Emma-Laden.
Es drängt sich der Verdacht auf, daß hinter den englischen Modewörtern noch etwas anderes stecken könnte, nämlich das Kalkül, mit einer fremden Sprache sei der Kunde besser hinters Licht zu führen. Nehmen wir den mythischen Double Color Everlasting Lipstick. Auf Deutsch, als zweifarbiger Dauerlippenstift, ist das Ding doch sofort entzaubert.
Der große Winner unter den englischen Importwörtern ist der Event. Vor drei Jahren noch so gut wie unbekannt, sind die Events plötzlich allgegenwärtig. Eine freundliche Übernahme aus dem Angelsächsischen - mit dem Ergebnis, daß gleich eine ganze Reihe deutscher Wörter entlassen wurden: Veranstaltung, Ausstellung, Aufführung, Ereignis, Wettkampf, Fest, Feier - der Verschlankungseffekt ist enorm. Ganz zu schweigen vom Modernisierungsschub, den das Deutsche durch den Universal-Event erfuhr.
Wir haben uns gefragt, was die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung zu sagen hat. Nimmt sie die Anglisierungsdebatte überhaupt wahr in dem schönen Elfenbeinturm auf der Mathildenhöhe in Darmstadt?
Ihr Generalsekretär Dr. Gerhard Dette sagt: „Die Deutsche Akademie hat sich entschieden an der Anglisierungsdebatte beteiligt. Den inflationären Gebrauch bestimmter englischer Wörter - wie etwa ,Event` - wird niemand direkt beeinflussen oder stoppen können."
Daß deutschsprachige Gedichte unter dem Titel Poetry laufen und die letzte SPD-Kampagne Win 2000 genannt wurde, das schmerzt nun doch. Müßte sich die Akademie da nicht einmischen? „Man kann nur der Hoffnung sein", sagt ihr Generalsekretär, „daß unsere Sprache vor allzu großem Schaden bewahrt bleibt, wenn die, die verantwortlich mit ihr umgehen, der unsinnigen Anglisierungstendenz in eigenen Worten und Schriften Paroli bieten."
Eine Adresse für eine solche Mahnung aus Darmstadt wäre Hamburg. Genauer: Jil Sander, die Aftersun- und FashionLady. Sie hat einen Text geliefert, der als das Paradebeispiel für eine Untat an der deutschen Sprache gilt: „Mein Leben ist eine Giving Story. Man muss contemporary sein, das Future-Denken haben. Meine Idee war, die Hand-Tailored-Geschichte mit den neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated Concept entscheidend, die Idee, daß man viele Teile einer Collection miteinander combinen muss. Aber die Audience hat das von Anfang an supported. Der problembewußte Mensch von heute kann diese Sachen, diese refined Qualitäten mit Spirit eben auch appreciaten. Wer Ladysches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muß Sinn haben für das Effortless, das Magic meines Stils."
Deutsch ist da nur noch ein englischer Dialekt. Hier gibt's nichts mehr zu toppen!
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