Es bleiben Aussicht und Hoffnung, dass im Herbst nach der nächsten Bundestagswahl auf Grund neuer Mehrheitsverhältnisse auch im Bundestag der Gesetzentwurf in beiden Gremien eine Mehrheit erhält. Wenigstens können dann Traditionshüter der Marke Günther Beckstein aus Bayern nicht wieder den gesellschaftspolitischen Fortschritt Blockieren und der Doktorlobby zuarbeiten.
Die in Deutschland traditionelle Gier nach dem Doktortitel wird gespeist durch die Aussicht auf lebenslanges hohes Ansehen. Sichtbares Aufforderungszeichen für besonderen Respekt sind die zwei Buchstaben Dr vor dem Namen. "In den öffentlichen Verwaltungen wird seit jeher betitelt, was das Zeug hält." schreibt Stefan Bach in ZEIT ONLINE am 25.01.2013. Auch im Bundestag ist ständig die akademische Leuchtboje auf Türschildern, Schriftstücken und im Protokoll eingeschaltet. Das Kürzel "Dr." erweckt in alter Tradition den Anschein besonderer Leistung durch Studium und Dissertation, ohne dass Einzelheiten darüber bekannt, die Leistung also nachgewiesen ist. Das blinde Vertrauen auf die Berechtigung der akademischen Ausszeichnung schafft jedoch das Vorurteil, der Herr Dr. Meier könne, leiste und wisse grundsätzlich mehr als der Herr Meier.
Die international übliche Auffassung, es komme unter akademisch "Gebildeten" nicht auf Titel, sondern jeweils auf die reelle Leistung an, passt besser zu einer modernen Gesellschaft als die deutsche, im Ausland belachte Titelhuberei. Eine Änderung des absurden deutschen Titelwesens ist erst dann zu erwarten, wenn die Urteile höchster deutscher Gerichte, wonach der Doktorgrad kein Bestandteil des Namens ist, anerkannt wird, und zwar nicht nur von den Promovierten, sondern vor allem von der eifrig tätigen und erfolgreichen Doktorlobby. Die Aussicht auf hohes Ansehen nährt unvermindert den Titelwunsch (beinahe die Gier nach dem Titel). Die diversen Auswüchse beim Erwerb sind bekannt. Ohne die Bildungsboje vor dem Namen gäbe es kaum Anreize zum Titelkauf, zu Fälschungen und zu anderen Unredlichkeiten.
Ohne den Zirkus mit den Doktortiteln besonders im Bundestag gäbe es keinen Streit um die Aberkennung des Doktorgrades von Anette Schwan. Allerdings ist sie ein Sonderfall, weil sie keinen Hochschulabschluss vorweisen kann. Aber würden die Titel generell nicht genannt, fiele das Fehlen der Verzierung bei ihr nicht auf.
Das deutsche Titelwesen ignoriert auch alle anderen akademischen Grade und erfolgreiche Hochschulabsolventen ohne Titel, obwohl sie ebenfalls Leistungsträger der Nation sind. Auch sie trugen und tragen zum hohen Ansehen der deutschen Nation bei. Ein gesellschaftlicher Fortschritt wäre schon die zusätzliche Angabe der Fakultät entsprechend der Bezeichnung auf der Verleihungsurkunde. Zurück zur Hauptseite Titelsüchtig oder titelbedürftig?
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