Zusammenfassung
Die z. Zt. verwendeten Bescheide des Deutschen Patentamtes (DPA) sind nach Inhalt und Form unterschiedlich abgefaßt. Für die Form wird eine einheitliche Fassung vorgeschlagen, die sich in einen das Prüfungsergebnis zusammenfassenden Textteil und in den Prüfungsbericht gliedert, bestehend aus der Formalprüfung und der Sachprüfung. Prüfungsergebnis und Formalprüfung können weitgehend mit Textbausteinen geschrieben werden, die unabhängig von der inneramtlichen Schreibweise (Handschrift, Schreibmaschine, Diktat) durch Angabe der entsprechenden Kennziffer von den Prüfern aufgerufen und automatisch vom Schreibgerät (Speicherschreibmaschine, Drucker) im Bescheid eingesetzt werden. Die Textbausteine können amtlich - auch als fremdsprachliche Fassung - bekanntgegeben werden und lassen sich bei Nennung der Kennziffer im Bescheid auch auf der Anmelderseite im PC oder anderen Speichern aufrufen oder anderweitig verwerten. Das ständige Schreiben von Texten in den Prüfungsstellen zwingt zur Umstellung der Schreibmethoden im DPA, wenn es bürotechnisch konkurrenzfähig bleiben will. Die Erweiterung der EDV-Einrichtungen im DPA müßte daher auch die Textverarbeitung für die Prüfer ein
Gegenwärtiger Zustand
lm DPA arbeiten ca. 600 Prüfer, um die z. Zt. jährlich etwa 30000 Prüfungsanträge zu bearbeiten. Bevor die dazugehörenden Anmeldungen endgültig erledigt sind, verlassen im Jahr ca. 55 000 Prüfungsbescheide das Patentamt. Kein Bescheid gleicht dem anderen, jeder ist ein Original. Mit einer einheitlichen Beurteilung der technischen Sachverhalte und der häufig mit diesen eng verbundenen patentrechtlichen Probleme und Fragen kann natürlich kein Anmelder rechnen. Dennoch enthalten die Bescheide jeweils eine Vielzahl von Feststellungen, Hinweisen und Beanstandungen, die mit denen anderer Bescheide inhaltsgleich sind.
Warum sollte im Bescheid von allen Prüfern eine thematische Reihenfolge eingehalten werden? Im Prüfungsverfahren gibt es wichtigere Dinge zu beachten. So werden die Bescheide auch zurecht nach den Erfordernissen des Einzelfalles „diktiert", mit den wichtigsten Feststellungen zuerst und den weniger wichtigen folgend - oder umgekehrt. Der eine Bescheid beginnt demgemäß mit den Darlegungen zur Sachprüfung und endet mit den formalen Beanstandungen, und im anderen wird erst am Schluß das Ergebnis der Sachprüfung aufgeführt. Auch Mischungen sind im Gebrauch.
Wer will behaupten, die eine oder die andere Reihenfolge sei falsch? Deshalb gab es im DPA diesbezüglich auch nie eine Vorschrift, nach welchem Ablaufschema der Bescheid zu verfassen ist. Maßgebend war stets das Ziel, dem Anmelder mitzuteilen, unter welchen Voraussetzungen die Patenterteilung möglich oder warum sie es nicht ist. Der Prüfer lernt das Schreiben der Bescheide vom Ausbilder, und nach dem Erreichen der Selbständigkeit modifiziert er die gelernte Methode mit der eigenen Auffassung. Damit sind den möglichen und seit Bestehen des Patentamtes zulässigen Variationen keine Grenzen gesetzt.
Gegen die sehr individuell abgefaßten Bescheide ist an sich nichts einzuwenden. Die gesamtinhaltliche Verständlichkeit wird aber mit Sicherheit nicht dadurch erhöht, daß so wichtige Feststellungen wie die, daß der Anspruch 1 nicht gewährbar ist, nicht nur an keiner bestimmten Stelle des Bescheides steht, sondern sie unterscheidet sich auch optisch kaum von anderen, weniger wichtigen Darlegungen, weil sie weder unterstrichen noch fettgedruckt ist.
Es wird eingeräumt, daß die Bescheide auf Grund eines Formblattes bereits schon einheitlich beginnen. Doch darauf stehen u. a. vorgedruckte Texte mit Formulierungen, die in den meisten Fällen nicht gelten , so z. B. die für Patentanwälte überflüssige Aufforderung, die Unterlagen zweifach einzureichen. Nach der Fristnennung ist für weitere Ausführungen wenig Raum, so daß außer der Angabe der Entgegenhaltungen nur ein paar Zeilen des Bescheidtextes Platz haben. Auf den weiteren Seiten des Bescheides folgen die Darlegungen in uneinheitlicher Reihenfolge. Die vorgedruckte, teilweise gestrichene und daher unübersichtliche erste Seite verlängert den Bescheid. Die Formulare müssen im voraus gedruckt, regelmäßig angepaßt und gelagert werden. Im Bescheidvordruck wird das Ergebnis der Prüfung zwar angekündigt, dem Leser aber überlassen, dieses Ergebnis durch das Studium des gesamten Bescheides herauszufinden. Mißverständnisse und Versäumnisse sind möglich.
Warum eigentlich (nicht) ändern?
Welche sachlichen Gründe sprechen dafür, die von der Person des Prüfers weitgehend abhängige Fassung der Bescheide beizubehalten, obwohl sie die dargelegten Nachteile für den Anmelder hat? Würde eine nach sachlichen Gesichtspunkten gegliederte und von allen Prüfern eingehaltene Reihenfolge der einzelnen Texte des Bescheides den Beurteilungsspielraum und die Argumentationsvielfalt der Prüfer einschränken? Scheint hier gar eine Falle zu liegen, um die Prüfer des DPA endgültig in die Weisungsunfreiheit zu führen?
Die Beschlüsse der Senate des Bundespatentgerichts sind seit langem einheitlich abgefaßt, ohne daß die Qualität der Beschlüsse leidet. Das gilt auch im wesentlichen für die Beschlüsse im DPA. Klagen über die äußere Uniformität sind nicht bekannt. Unterliegt das Abfassen eines Prüfungsbescheides etwa anderen Beurteilungskriterien? Könnten nicht vielmehr auch die beschlußähnlich abgefaßten Bescheide die Ansicht des BGH's bestätigen, wonach das DPA in sachlicher Hinsicht erste Instanz ist, d. h. daß die Prüfer eine justiznahe Tätigkeit ausüben?
Wie stark auch immer die Hemmnisse auf der Verfaserseite der Bescheide sein mögen, auf der Empfängerseite liegen andere Probleme. Der Anmelder ist schon deshalb in der schwächeren Position, weil er Anträge stellen, Mängel beheben, Auflagen erfüllen, neue Unterlagen einreichen, Fristen einhalten muß usw. Und zusätzlich sind bei ihm von den einzelnen Aussagen des Bescheides oft wichtige finanzielle und organisatorische Entscheidungen abhängig. Der Antragsteller-Status des Anmelders ist zwar nicht zu verändern, aber ohne großen Aufwand im Patentamt könnte das Beantworten der Bescheide erleichtert werden. Übersichtliche Bescheide helfen zu verhindern, daß für das Verfahren bedeutsame Auflagen übersehen werden und das Verfahren verzögert wird. Den Nutzen davon hätte auch der Prüfer.
Gliederung der Bescheide
Der Prüfungsbescheid läßt sich grundsätzlich beliebig gliedern. Aber womit soll man anfangen und nach welchen Regeln fortfahren? In einem Beschluß steht der Tenor am Anfang. Er teilt sofort in knapper Form die wichtigsten Ergebnisse mit. Dieses Prinzip kann ohne weiteres auf den Bescheid übertragen werden. Dem Tenor folgt der „Prüfungsbericht".
Der Tenor des Bescheides
Außer der von allen Prüfern einheitlich angewandten Reihenfolge der Themen im Bescheid wäre es vorteilhaft, die wichtigsten Feststellungen und die Auflagen für die Fortsetzung des Verfahrens, statt sie auf die einzelnen Seiten des Bescheids zu verteilen, dem Bescheid voranzustellen und sofort erkennbar auf der ersten Seite zu plazieren; z. B.:
- die Gewährbarkeit des Anspruchs 1,
- das Erfordernis, die Angaben zum Stand der Technik zu vervollständigen,
- die Sachdienlichkeit einer mündlichen Verhandlung und
- die Frist zur Beantwortung des Bescheides
Die beschlußtenorartige Gestaltung der ersten Seite des Bescheides gibt einen Überblick über das Ergebnis der Prüfung und versetzt den Anmelder in die Lage, bei der Beantwortung des Bescheides schnell zu kontrollieren, ob er sämtliche, möglichst numeriert angeführten Auflagen beachtet hat. Mit der Numerierung sind die einzelnen Aussagen - auch im weiteren Verfahren - ohne nähere Angaben direkt ansprechbar.
Der Prüfungsbericht
Da die erste Seite mit diesen Angaben ohnehin mindestens fast ausgefüllt ist, kann auf der zweiten Seite des Bescheides grundsätzlich der Prüfungsbericht folgen. Er besteht aus den zwei wesentlichen Teilen der Prüfung einer Patentanmeldung, nämlich der Formalprüfung und der Sachprüfung.
In der Regel werden bereits im ersten Bescheid formale Beanstandungen erhoben. Strittig ist allenfalls, ob sie der Prüfer auch dann dem Anmelder mitteilen soll, wenn er im Anmeldungsgegenstand keine erfinderischen Besonderheit und daher keine Aussichten sieht, das Verfahren erfolgreich zu beenden. Erfahrene Prüfer wissen, daß zunächst erfolglos erscheinende Verfahren mit neuen Unterlagen fortgesetzt werden, und weisen daher grundsätzlich im ersten Bescheid auf formale Mängel hin, die meistens bei der Neuvorlage von Unterlagen vermieden werden. Derartige mit relativ geringem Aufwand erstellte Informationen sind für den Anmelder immer nützlich; er kann sie in einer nächsten Anmeldung verwerten, wenn das vorliegende Verfahren endet.
Reihenfolge: Formalprüfung - Sachprüfung
Da der Tenor des Bescheides am Anfang des Bescheides steht, wäre gerade die Reihenfolge Formalprüfung - Sachprüfung günstig, weil damit zwei Textteile des Bescheides zusammenfaßbar sind, die sich für den Einsatz von sog. Textbausteinen eignen, die nach dem Muster-Bescheid näher erörtert werden.
Muster eines gegliederten Prüfungsbescheides
Erste Seite:
Es gelten die ursprünglichen Unterlagen.
Auf den Prüfungsantrag, wirksam gestellt am 1. 1. 1987. Die Prüfung der oben genannten Patentanmeldung hat zu dem nachstehenden Ergebnis geführt:
1. Der Anspruch 1 ist nicht gewährbar.
2. Die Vorlage eines neuen Patentbegehrens ist für die Fortsetzung des Verfahrens erforderlich.
3. Die Vorlage einer neuen Beschreibungseinleitung ist für die Fortsetzung des Verfahrens erforderlich.
4. Die Unterlagen lassen z. Z. nichts Patentfähiges erkennen.
5. Im Prüfungsbericht, Teil III. Sachprüfung sind Entgegenhaltungen genannt.
6. Zur Äußerung auf diesen Bescheid wird eine Frist von 4 Monaten gewährt, die mit der Zustellung beginnt.
Zweite u. folgende Seiten:
Prüfungsbericht
I. Formalprüfung der Patentansprüche
1. Der Anspruch 1 enthält den Ausdruck „gegebenenfalls". Die Andeutung eines Sonderfalles schafft keine klaren Rechtsverhältnisse, schon deshalb nicht, weil auch im Zusammenhang mit dem Kontext nicht erkennbar ist, wann welcher Fall gegeben ist.
2. Der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 enthält den Ausdruck „insb.", wodurch ein Merkmal eingeleitet wird, das offensichtlich zur Lösung der Aufgabe nicht erforderlich ist und allenfalls für eine Weiterbildung des Gegenstandes des Anspruchs Bedeutung hat. In den Hauptanspruch eingeschobene Unteransprüche können nicht zugelassen werden. Es wird anheim gestellt, einen darauf gerichteten Unteranspruch aufzustellen.
II. Formalprüfung der Beschreibung
1. Es wird auf Lösungsmerkmale hingewiesen, die nicht in Anspruch 1 aufgeführt sind, vergl. S. ...
2. Die Darlegungen am Ende der Beschreibung, S. ... über Vorteile sollten, soweit sie keine Wiederholungen zum Inhalt haben, in der Beschreibungseinleitung eingefügt werden, um die Übersichtlichkeit zu erhöhen.
III. Sachprüfung
Erstmalig genannte Entgegenhaltung, deren Numerierung für das weitere Verfahren gilt:
(1) DE OS 12 34 567
(2) US PS 1 345 876
Aus (1) ist eine Vorrichtung zum ... bekannt, bei der ... eintritt. Die Vorrichtung nach Anspruch 1 der Anmeldung unterscheidet sich von der bekannten nur dadurch, daß ...
Weitere sachliche Stellungnahmen, wie bisher in den Bescheiden. Prüfungsstelle für KLASSE A 16 X. Name des Prüfers.
Die Variationen
In fast jedem Bescheid des Patenterteilungsverfahrens werden Feststellungen getroffen (oder Auflagen erteilt), die einen Teil des Prüfungsergebnisses darstellen, bspw. die Gewährbarkeit des Anspruchs 1, die mit dem einfachen Satz „Der Anspruch ist (nicht) gewährbar." bejaht oder verneint werden könnte. Doch welche Variationen dieses Satzes bekommen die Anmelder zu lesen?
a) Der Anspruch 1 erscheint (nicht) gewährbar.
b) Der Anspruch 1 kann (nicht) gewährt werden.
c) Die Gewährbarkeit des Anspruchs 1 kann (nicht) festgestellt werden.
d) Der Anspruch 1 ist für die Fortsetzung des Verfahrens (nicht) geeignet.
e) Mit dem derzeit vorliegenden Anspruch 1 kann das Verfahren (nicht) fortgesetzt werden.
f) Es liegt (k)ein gewährbarer Anspruch 1 vor.
Die Aufzählung ist nicht vollständig. Ein sachlicher Unterschied zwischen den verschiedenen Textkonstruktionen ist nicht feststellbar. Unterschiedliche Fassungen für ein und denselben Sachverhalt dienen nicht der Rechtssicherheit.
Auch im Rahmen der Formalprüfung herrscht eine Vielfalt in der Wort- und Satzwahl. Es werden unterschiedlich gefaßte Erläuterungen und Begründungen desselben sachlichen Inhalts für dieselben Beanstandungen verwendet.
Auch in den Anmeldungsunterlagen stehen immer wieder dieselben Formulierungen, die beanstandet werden müssen. Der Prüfer, der sie für nicht zulässig hält, muß sie dann jedes Mal aufgreifen und begründen, warum sie zu streichen oder zu ändern sind. Das wiederholte Schreiben der Begründungen führt von einer anfangs noch ausführlich gehaltenen zu einer verkürzten Fassung der Darlegung. Die Folge: Eines Tages ist die Begründung nicht mehr verständlich, schlüssig und/oder stichhaltig. Erst der Hinweis des Anmelders oder Jahre später, wenn das Gericht Stellung genommen hat, wird die Nachlässigkeit bzw. Argumentationsschwäche erkannt.
Textbausteine
Jede Wiederholung von Denkvorgängen führt zur Routine und schließlich dazu, daß sie „auswendig" abläuft. Im Laufe der Zeit entstanden und entstehen weiterhin auch im Patentwesen bei allen Beteiligten zwangsläufig Textbausteine, die im Kopf gespeichert sind und jeweils an der passenden Stelle in den Text einfließen. Erfahrene Patentanwälte haben ihre Standardsätze und ganze Absätze, die sie ohne längeres Überlegen diktieren und die in Schriftsätzen und Anmeldungsunterlagen erkennbar sind.
Auch erfahrene Prüfer benutzen solche stets wiederkehrenden kopfgespeicherten Textteile beim Schreiben oder Diktieren der Bescheide. Schriftlich vorliegende Textbausteine waren und sind nur vereinzelt im Gebrauch. Sie werden entweder auf den Bescheidsentwurf geklebt oder als kopiertes Formblatt, auf dem die geltenden Absätze angekreuzt sind, dem Bescheid als Anlage beigefügt. Die vom Verfasser vor ca. 10 Jahren für seine Prüfungsstelle entworfenen, jeweils als Anlage dem Bescheid beigefügten Textbausteine sind inzwischen in seinem Personal Computer (PC) gespeichert und werden nunmehr direkt in den Bescheid geschrieben.
Die bereits erwähnten vorgedruckten Textstellen in den Normbescheiden kann man gleichfalls als Textbausteine bezeichnen. Auch in der Gebrauchsmusterabteilung des DPA scheinen Textbausteine benutzt zu werden, wie manche Anwälte zu erkennen glauben. Das Europäische Patentamt (EPA) hat sie ebenfalls schon eingeführt; die sog. official patterns werden in Formalbescheiden regelmäßig verwendet. Den Prüfern steht der Bausteinsatz als Diskette zur Verfügung. Sie dürfen sie ändern.
Schreibmethoden im DPA
Zum Absetzen der Bescheide durch die Prüfer dienen folgende Methoden: Telefondiktat, persönliches Diktat, Schreibmaschine und der Kugelschreiber.
Der Handbetrieb
Der Kugelschreiber bleibt auch weder vor dem Telefon- noch dem persönlichen Diktat unbenutzt. Denn das Ergebnis der Prüfung im Patenterteilungsverfahren läßt sich nicht ohne Überlegung und damit Unterbrechungen des Schreibvorganges niederlegen. Pausen sollen den Diktiervorgang nicht verlängern. Die Bescheide werden daher vor dem Diktat mindestens stichwortartig schriftlich fixiert. Es wird also eine große Zahl, man kann wohl behaupten die Mehrzahl der Bescheide im DPA mit der Hand geschrieben, bevor sie in Reinschrift das Amt verlassen.
Handgeschriebene Bescheide dauern länger als mit einer Schreibmaschine geschriebene (die Handschreiber bezweifeln es, solange sie nicht maschineschreiben können). Sie erschweren die Lesbarkeit, verursachen Rückfragen bei unleserlichen Schriften und Fachausdrücken und bergen das Risiko, daß falsche und sinnentstellende Wörter im Bescheid stehen, wenn die Rückfrage mangels Zweifel am gelesenen Text unterbleibt.
Der Fortschritt
Während immer mehr Betriebe, ja sogar Kleinbetriebe dazu übergehen, Buchhaltung und Korrespondenz mit einem PC abzuwickeln, und nunmehr Bayern in Realschulen die Textverarbeitung als Unterrichtsfach einführt, werden die Prüfungsbescheide im DPA noch weitgehend von den Prüfern handgeschrieben verfaßt. Andererseits war und ist es ständiges Ziel der Amtsleitung, das Erteilungsverfahren nicht nur qualitativ zu verbessern, sondern auch zu verkürzen, bei gleichzeitiger Erhöhung der Arbeitsleistung der Prüfer.
Die Zahl der Prüfer, die mit einer Schreibmaschinentastatur umgehen können oder ihr wenigstens nicht ablehnend gegenüber stehen, steigt zwar, seit PC-Erfahrene aus Industrie und Wirtschaft die Prüferlaufbahn im Amt einschlagen. Gelegentlich ändert sogar auch ein älterer Prüfer seine Schreibgewohnheit und steigt auf die Tastatur um. Die Mehrzahl der Prüfer bleibt jedoch auf den Handbetrieb eingeschworen, in der Annahme, daß sie mit der ihnen gewohnten Schreibmethode z. Zt. am besten und am schnellsten arbeiten.
Diese Auffassung stimmt sogar, wenn man berücksichtigt, daß jede Umstellung einer Arbeitsweise Zeit und Energie kostet. Wenn der Idealismus ohne Nahrung bleibt und Anreize für persönliches Engagement fehlen, denkt jeder verständlicherweise nur an den gegenwärtigen Erfolg. Bleibt der Handschreiber also vorerst bei seiner Methode, so bieten Textbausteine nicht zuletzt ihm eine ideale Möglichkeit, die Schreibprozedur abzukürzen.
Offizielle Textbausteine
Die Effektivität eines Textbaustein-Systems hängt weitgehend von der Zahl und der schnellen Zugriffsmöglichkeit ab. Je mehr Fälle und Situationen des Verfahrens umfaßt werden, um so öfter können Textbausteine eingesetzt werden. Es ist daher ratsam, im DPA einen offiziellen und umfangreichen Satz von Textbausteinen bereitzuhalten. Jeder Prüfer kann ihn für seinen Bedarf ändern und/oder ergänzen und außerdem seine privaten Formulierungen einbringen, die allen Prüfern des Amtes zur Kenntnis gebracht auch von diesen nutzbar sind.
Der offizielle Satz des DPA, in Zusammenarbeit mit der Rechtsabteilung verfaßt, kann als deutsche und fremdsprachliche Version (englisch, französisch) vom Amt herausgegeben werden. Die ständige Aktualisierung, d. h. Anpassung an Änderungen von Rechtsvorschriften oder andere textverändernde Situationen sowie des Numerierungssystems sind zu organisieren.
Der Prüfer ruft bei Bedarf den Textbaustein in seinem Bescheid auf, indem er nur die entsprechende Kennziffer angibt. Längere oder zahlreiche Änderungen veranlassen abzuwägen, ob nicht die Neuschrift dieses Textteiles günstiger ist. Der fertige Bescheid sollte jeweils vor Verlassen des Amtes dem Prüfer vorgelegt werden. Die Kontrolle des Textes ist notwendig - bei diktierten Bescheiden ist es schon jetzt üblich -, um zu vermeiden, daß der Bescheid einen unpassenden Text enthält. Die Bausteinnummer kann versehentlich falsch gewählt oder am Telefon mißverstanden worden sein. Wenn der ausgedruckte Bescheid dem Prüfer spätestens zwei Tage nach dem Diktat vorgelegt wird, kann er schnell feststellen, ob sinnentstellende Fehler enthalten sind. Die Kontrolle ist so lange notwendig, bis den Prüfern im DPA ein eigener PC mit Textverarbeitung zur Verfügung steht.
Textbausteine müssen kein Amtsgeheimnis bleiben. Die Angabe der Textbaustein-Nummer im Bescheid würde dem Anmelder zeigen, daß eine Standardformulierung verwendet ist, die er bei der Übersetzung des Bescheides entweder als eigene oder als Amtsversion in seinem PC abrufen kann.
Einengung der Handlungsfreiheit?
Die Veröffentlichung der Prüfungsrichtlinien hat die Handlungsfreiheit der Prüfer nicht gerade erweitert. Das Einführen von Textbausteinen und deren Bekanntgabe scheint ebenfalls alles andere als imagefördernd zu sein. Bei Beurteilung übersieht man jedoch, daß Textbausteine nur zur Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses und der Formalprüfung geeignet und vorgesehen sind. Die Prüfung selbst bleibt weiterhin unangetastet ausschließlich im Ermessen des Prüfers, d. h. was er auch in formaler Hinsicht beanstandet oder für zulässig hält, wird ihm durch Textbausteine nicht vorgeschrieben. Zweck der Textbausteine ist es vielmehr, die vielzahlig sinngleichen Äußerungen von Prüfern des DPA so weit wie möglich zu vereinheitlichen.
Die Textverarbeitung auf PC
Für den Einsatz der EDV im DPA existieren umfangreiche Planungsunterlagen, und zwar - so weit dem Verfasser bekannt - hauptsächlich für die patentamtliche Verwaltung und für den Anschluß an Datenbanken. Danach sollen zur Erweiterung der Nutzung von Datenbanken in externen Rechenzentren und der PATDPA multifunktionale Datenendgeräte, sog. Prüfer-Workstations für Recherche und Kommunikation eingesetzt werden. Der PC-Einsatz sei dabei Teil der DPA-IT-Strategie. Eingeteilt in die Hierarchien Groß-, Bereichs- und Arbeitsplatzrechner sollen die zentralen Ressourcen für komplexe und speicherintensive Anwendungen vorbehalten bleiben, während auf der Ebene des Arbeitsplatzes - hier: Recherche im Prüfstoff - für abgegrenzte, in sich geschlossene Anwendungen preisgünstig durch Personal Computer abgewickelt werden. In den Planungsunterlagen soll vermerkt sein, es bestände bereits jetzt innerhalb der Prüferschaft ein lebhaftes Interesse, sich im Rahmen der Prüfungsarbeit der Möglichkeiten der Datenverarbeitung zu bedienen. Etwa 30 Prüfer würden private „Klein-Computer" benutzen, um neben den von ihnen geführten Karteien und anderen Unterlagen Daten zu sammeln, zu ordnen und sortiert abzurufen. Im Rahmen der Planung sollen u. a. Mehrplatzsysteme und Netzwerke untersucht sowie ISDN ins Auge gefaßt worden sein, nur nicht die Textverarbeitung auf PC durch die Prüfer.
Wer seit vielen Jahren das Desinteresse erlebt, womit im Amt jeder neuen Methode bei der Bescheidserstellung begegnet wird, wundert sich nicht darüber. So wurden bisher z. B. die Versuche, Mustertexte in Bescheiden zu verwenden, genauso ignoriert wie die ersten PC-bearbeiteten Bescheide. Der Verfasser erinnert sich in diesem Zusammenhang an seine Anregung im Jahre 1966, die Wiederholung der Patentansprüche in der Beschreibung zu vermeiden. Diese Vereinfachung des Verfahrens, die er übrigens seitdem mit Erfolg in seiner Prüfungsstelle praktizierte, wurde im Amt abgelehnt und vereinzelt sogar erbittert bekämpft. Erst sieben Jahre später erlaubte Präsident Haertel die Kurzfassung, nachdem sie von vielen Anmeldern befürwortet worden war.
Die Möglichkeiten des PC am Prüferarbeitsplatz sind im Deutschen Patentamt noch nicht erkannt worden. Gelegenheit, amtliche Erfahrungen kennenzulernen, gab und gibt es genügend. Der private Einsatz von PC's wird im Amt in dankenswerter Weise zwar geduldet, aber nicht gefördert oder gar anerkannt. Beim Einrichten der Geräte ist der Einzelne auf sich gestellt. Entsprechend Sachkundige im Hause, die sich mit Betriebssystemen, Drucker-Anpassung, Akustikkopplern und Modems sowie der dazugehörenden Software auskennen, bietet es nicht an. Die EDV-Pioniere im Amt helfen sich gegenseitig, so gut sie können und Zeit haben, und ertragen die vielen Mißerfolge, bis die Datex-P-Verbindung zum ersten Mal steht. Sie binden sogar Privatkapital, um sich die für erforderlich gehaltenen und zeitgemäßen Arbeitsmittel zu beschaffen. Ihre PC's, in der Planung mit „Klein-Computer" bezeichnet, sind gar nicht so klein; bspw. benutzt der Verfasser einen IBM AT mit 20 MB-Speicher, Kosten einschl. Drucker, Modem und Software 10.000,- DM. In der privaten Erprobung und Anwendung sind außer Textverarbeitung und Datex-P-Betrieb weitere Bereiche der EDV, nämlich das Anlegen von Datenbanken und das Erstellen von Statistiken, und zwar für die Aktenerledigung und für die Rechercheneffektivität. Die Prüfer haben dafür die Programme selbst geschrieben.
In Bonn ist man anscheinend vorerst nicht gewillt, Gelder für eine größere Zahl von Computern zu genehmigen; die vor kurzem beantragten sieben Stück wurden abgelehnt. Offenbar besteht im Bundesjustizministerium die Meinung, die Datenbank-Recherche erfordere nicht unbedingt ein Gerät für jeden Prüfer. Vermutlich muß also der jetzige und künftige Bedarf an Datenendgeräten mit den z. T. geliehenen sieben Terminals bzw. Datenendgeräten gedeckt werden; vielleicht werden gelegentlich ein paar Geräte dazukommen. Damit wird dem Prüfer des DPA zugemutet, eines der über das ganze Haus verteilten Geräte aufzusuchen, d. h. er muß für jede Recherche sein Zimmer und womöglich auch noch das Stockwerk verlassen und sich bei der Recherche mangels Bedienungserfahrung auch noch von einem Kollegen helfen lassen. Die einfachen Datenendgeräte lassen keine Speicherung und Bearbeitung, also Kürzung des Datenflusses zu. Das Einblenden der Recherchenergebnisse in den gerade zu bearbeitenden Bescheid mit der Übernahme von Textteilen ist gleichfalls nicht möglich. Die Verpflichtung der Prüfer zur Datenbank-Recherche ist beschlossene Sache, denn das DPA kann es sich nicht leisten, Druckschriften zu übersehen, die jeder Bundesbürger über Datex-P in der Datenbank ermitteln kann. Es ist zu befürchten, daß hierfür zu wenig und vor allem die falschen Geräte eingesetzt werden, weil sie zu einseitig konzipiert sind.
Ein Wort noch zur Statistik. Sie wird im Bereich der Hauptabteilung Patentwesen nach wie vor in Handarbeit durch den Prüfer und durch Abteilungsbeauftragte erstellt; das Endresultat besteht aus Zahlen. Anschauliche Grafiken über die Entwicklung von Eingängen und Erledigung etc. verursachen weiteren Zeitaufwand, insg. jährlich etwa 2000 Prüferstunden. Ein jedem Prüfer zugeordneter PC könnte - das entsprechende Anwendungsprogramm vorausgesetzt - zusätzlich die Statistik fertigen, ohne daß jemand Formulare ausfüllen und rechnen muß. Ebenso wie bei einer Buchhaltung werden alle Aktionen automatisch erfaßt, sobald sie dem Computer eingegeben sind, z. B. beim Druck des Bescheides. Die schon jetzt bestehende zentrale Überwachung der 9-Monatsfrist für den Erstbescheid erfolgte unmittelbar. So manche interne Mahnung würde überflüssig. Die Statistik des Amtes wäre jederzeit abrufbar und grafisch darzustellen. Engpässe oder andere Tendenzen sind wesentlich eher und nicht erst nach Ablauf des Jahres zu erkennen.
Die Richtigkeit dieser Darlegungen wird durch die Entwicklung im Europäischen Patentamt bestätigt. In der Nachbarbehörde, die das DPA ständig dem Vergleich hinsichtlich Laufzeit, Kosten und Prüfungsgüte aussetzt, ist bereits die Modernisierung des internen Schreibsystems eingeleitet. Die ersten Prüfer haben Schreibautomaten (Speicherschreibmaschinen, PC) einschließlich Disketten mit Textbausteinen erhalten. Demnach wurde auch im EPA erkannt, daß zum Schreiben vieler Texte und zur Recherchenabwicklung (Verbindung zur Außenstelle in Den Haag) nur ein PC mit entsprechender Software in Frage kommt, der dem Prüfer jederzeit an seinem Arbeitsplatz zur Verfügung steht, und zwar nach der Maxime, daß der den Text Produzierende ihn auch versandfertig machen soll. Natürlich sind sämtliche PC miteinander kompatibel. Die Umstellung im EPA wird sich ohne eine gleichwertige Maßnahme im DPA bald in einer Beschleunigung des Verfahrens gegenüber dem deutschen Amt auswirken.
Es ist verständlich, daß die Einführung der Textverarbeitung bei den Prüfern des DPA in anderen Tätigkeitsbereichen die Befürchtung aufkommen läßt, es würden dadurch Arbeitsplätze vernichtet. Ob und in welchem Umfang dies bei einem Zeitraum von etlichen Jahren eintreten würde, ist bisher nicht nachgewiesen worden. Darf die Rücksicht auf Arbeitsplätze aber so weit gehen, daß die Modernisierung des DPA verhindert wird, weil dem Stand der Technik gemäße Arbeitsmittel nicht eingeführt werden können?
Der Präsident des Deutschen Patentamtes, Erich Häußer hat den markanten Satz (2) geprägt:
„Die wirkliche Schwachstelle bei uns ist nicht die mangelnde technische Kreativität, sondern häufig ein zu langes Zögern beim Aufgreifen neuer technischer Ideen und wenn es darum geht, diese einzusetzen in neue fortschrittliche Produkte, Verfahren und Marktanteile."
Honni soit qui mal y pense.
(1) vgl. hierzu die Aufsätze des Verfassers „Müssen Patentansprüche in der Reschreibung wiederholt werden?" und „Dürfen die Patentansprüche in der Beschreibung wiederholt werden?"
(2) Zitat aus DIE ZEIT, Nr.44 v. 2310.87, Artikel von Otto Ulrich: „Wissen ist Macht": „Bei elektronischen Datenbanken sind die USA Europa weit voraus", S. 44
Bemerkung des Verfassers
Seit vielen Jahren gehört ein PC mit Drucker, Datenbankanschluß und Bildrecherche am Platz zur Standardausrüstung eines Prüfers.
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