Eines muss man dem Rechtschreibrat lassen: Seine wichtigste Aufgabe hat er erfüllt. Es sieht so aus, als ob seine Vorschläge zur Änderung der Rechtschreibreform die meisten Kritiker derselben zum Verstummen bringen. Die Phalanx - ungewöhnlich weit aufgestellt von der Frankfurter Allgemeinen bis zum Marktführer des Boulevards - scheint umschwenken zu wollen. Alles gut, alle zufrieden? Fangen wir doch bei uns selbst an: In die private Korrespondenz der meisten Menschen hat die neue Rechtschreibung kaum Eingang gefunden. Und wollte man vom Schreibverhalten der Menschen her reformieren, müsste man ganz andere Wege gehen: Längst findet eine großer Teil der Mail-Kommunikation im Internet in "gemäßigter Kleinschreibung" statt, die außer Eigennamen nichts mehr groß schreibt. Doch an solche Änderungen denkt der Rechtschreibrat nicht, er betreibt Schadensbegrenzung und nimmt viele umstrittene Regelungen der Reform von 1996 zurück. Das Flagschiff der Reform, die ss/ß-Regelung, bleibt unangetastet - sie ist den Machern wohl zu wichtig, sinnvoller wird sie davon aber nicht. Es bleibt wohl so: Auch nach einer kastrierten Reform behalten vielen Hausregelungen bei Presseagenturen, Zeitungen und Buchverlagen Gültigkeit. Unsicherheiten und zweigleisige Schreibweisen bleiben für Lehrer und Schüler bestehen. Denkt heute noch jemand daran, wofür die Regelung einst angetreten ist? Viele Menschen sollten weniger Fehler machen. Das Gegenteil ist eingetreten.
E-Mail an den Autor: Claus.Ambrosius@rhein-zeitung.net
Deutschland: „Du" soll großgeschrieben werden Anspruch und Wirklichkeit der Rhein-Zeitung
Sehr geehrter Herr Ambrosius,
Sie schreiben u.a. in Ihrem heutigen Kommentar zur Rechschreibreform:
„Das Flagschiff der Reform, die ss/ß-Regelung, bleibt unangetastet - sie ist den Machern wohl zu wichtig, sinnvoller wird sie davon aber nicht. Merken Sie den Widerspruch? Anspruch und Wirklichkeit der Rhein-Zeitung! Es ist sehr bedauerlich, daß Ihr Blatt nicht den Charakter besitzt bei der seit Jahrhunderten von allen Größen der Literatur gepflegten ß-Schreibung zu bleiben und lieber dem Zeitgeist der Verhunzung nachgekommen ist. So, wie ich schon, die in Ihrer Zeitung entstellten Texte von Heinrich Heine, die ich den Herren Walterpeter Twer Herausgeber, Joachim Türk und Christian Lindner Chefredakteure und auch Ihnen, Herr Claus Ambrosius , als Leiter Kultur und Journal am 18. Februar 2006 zusandte, moniere ich hier Ihre erstaunliche Kommentierung. Die Antwort von Herrn Türk war äußerst unergiebig, um es freundlich zu sagen.
Weiter schreiben Sie:
„Längst findet eine großer Teil der Mail-Kommunikation im Internet in "gemäßigter Kleinschreibung" statt, die außer Eigennamen nichts mehr groß schreibt.
In den vergangenen 12 Monaten habe ich 2.555 elektronische Briefe (E-Mails) an über 9.000 Adressaten versendet. Im selben Zeitraum erhielt ich 2.092 elektronische Briefe (E-Mails). Nur ein Absender bediente sich der Kleinschreibung, es war ein Tennissport-Abteilungsleiter des SV Altenahr, den ich gebeten hatte den Gebrauch von Denglisch, wie „Görlsdei und „Bäusdei nicht weiter zu verwenden. In den neun Jahren des Umgangs mit dem Weltnetz (Internet) ist nur ein Mal ein Brief in Kleinschreibung bei mir eingegangen.
Sehr geehrter Herr Ambrosius, wenn Sie nun Ihren insbesondere jungen Lesern suggerieren, daß sprachlicher Schwachsinn und die Sprachverhunzung u.a. durch die Kleinschreibung, wonach >>Längst eine großer Teil der Mail-Kommunikation im Internet in "gemäßigter Kleinschreibung" stattfindet,<< dann leisten Sie eben diesen Sprachattentätern Vorschub. Das wird ja sicherlich nicht Ihr Anliegen sein!
Manchmal ist „mit heißer Nadel gestrickt nicht die beste Kommentierung!
Ich schätze mich glücklich, daß meine Korrespondenz-Partner so viel Sprach- und Schreib-Sensibilität haben, daß sie unser höchstes Kulturgut, die deutsche Sprache intensiv pflegen.
Zu meinem Bekanntenkreis zählen u.a. Handwerker, Ärzte, Geschäftsführer, Sekretärinnen, Politiker, Unternehmensberater, Historiker, Sprachwissenschafter, Rechtsanwalt, Lehrer, Professoren, Dozenten, Pflegedienstleiterin, Krankenschwester, Personalleiter, Redakteure, Hörakustiker, Physiotherapeut, Patentspezialist, Redakteurin deutschsprachiger Sender im Kaukasus, Radio-Programmchef, Bibliothekare etc. etc.
Ich hoffe, ich konnte Sie nachdenklich stimmen, zumal einem Kulturredakteur einer „großen Zeitung besondere gesellschaftliche Verpflichtung in der Pflege der deutschen Sprache obliegt.
Mit besten Grüßen Ingo Dedenbach 28. Februar 2006 Mönchsweg 12 53498 Bad Breisig Telefon: 0 26 33 47 32 62 Telefax: 0 26 33 47 32 63 E-Post: ingodedenbach@aol.com
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