Schadet es Kindern, wenn sie früh in den Hort müssen? Die Psychologin Lieselotte ahnert begann in den Krippen der DDR zu forschen. Heute ist sie als Fachfrau für frühkindliche Entwicklung international gefragt.
Oft passiert ihr das nicht, dass sie einen ganzen Tag lang nur über sich reden soll, dass sie die vergangenen Jahre herauskramt wie einen Taschenspiegel, um hineinzusehen und sich zu erinnern. Dabei redet Lieselotte Ahnert eigentlich sehr gern und es ist eine Lust, ihr zuzuhören. Schauspielerin wollte sie mal werden und nicht Psychologin. Das ist lange her, aber ihr verborgenes Talent blitzt noch auf, wenn sie Menschen und Szenen lebendig werden lässt. Ohne Hilfsmittel. Nur mit ihren braunen Augen, ihrer sympathischen, festen Stimme und ein paar gut gesetzten Gesten.
Seit ein paar Monaten muss Lieselotte Ahnert sehr darauf achten, was sie sagt. Sie wird zitiert, gilt als Expertin. Man befragt sie zum Wohlergehen kleiner Kinder. Ob diese getrennt von Mutter oder Vater ihre Tage verbringen dürfen, ohne lebenslange Schäden davonzutragen. Natürlich kennt sie sich da aus, ein halbes Forscherleben hat sie sich mit ost- und westdeutschen Krippenkindern beschäftigt, aber wer nahm schon Notiz davon in den letzten 17 Jahren und in einem Land, in dem die Krippenbetreuung von unter Dreijährigen in manchen Kreisen beinah als Menschenrechtsverletzung galt? Sie hat sich nie aufgedrängt, auch wenn sie immer von der Bedeutung ihrer Forschung überzeugt war. Jetzt aber kommen die Anfragen aus aller Welt, selbst in Australien diskutiert man Ahnerts Forschungsergebnisse zur Stressbelastung von Krippenkindern. Da musste sie sich fragen lassen: Wissen Sie eigentlich, in welchen Notlagen Frauen sind, die öffentliche Betreuung in Anspruch nehmen müssen? Und wem bringe es überhaupt etwas, wenn sie erkläre, dass Krippenkinder das Stresshormon Cortisol ausschütteten, während ihre Altersgenossen am Rockzipfel der Mutter deutlich entspannter seien? »Da kann ich nur sagen: Wissenschaft ist Wissenschaft. Wenn ich diese Daten so rauskriege, wäre es nicht fair, sie den Menschen vorzuenthalten«, sagt die Entwicklungspsychologin.
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