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Bücher vom Onkel Doktor Die Hälfte der Erstklässler bekommen von ihren Eltern nichts vorgelesen. Jetzt sollen Kinderärzte Lesekoffer an ihre Patienten verteilen
DIE ZEIT Nr. 12 vom 13.3.2008
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Viel wird im Augenblick debattiert über die Abstiegsängste der Mittelschicht in Deutschland. Jüngste Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verorten inzwischen fast ein Viertel der Bevölkerung in der Gruppe der Geringverdiener, darunter viele Familien. Armut muss nicht automatisch Verwahrlosung oder den Ausschluss von kulturellen Aktivitäten bedeuten aber förderlich ist sie einer (bildungs)bürgerlichen Lebensweise auch nicht. Und so sind die Zahlen, die die Mainzer Stiftung Lesen gemeinsam mit der Deutschen Bahn AG und der ZEIT im vergangenen Dezember hat erheben lassen, unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit zwar erschütternd, aber höchstens in ihrer Größenordnung überraschend: Fast 50 Prozent der Eltern von Erstklässlern lesen ihren Kindern selten oder gar nicht vor; in Familien mit türkischem Migrationshintergrund gilt das sogar für 80 Prozent der Eltern. Letztere geben mit großer Mehrheit zu Protokoll, ihre Kinder spielten lieber am Computer oder sähen fern, als sich mit Büchern zu befassen. »Die Studie belegt eine hohe Schichtbezogenheit der Vorlesepraxis, je niedriger die Schulbildung, je niedriger das Haushaltseinkommen, desto weniger lesen Eltern vor«, sagt Heinrich Kreibich, Geschäftsführer der Stiftung Lesen. Da aber nichts die Sprachfähigkeit, das Konzentrations- und Ausdrucksvermögen so sehr fördert wie der frühe, vergnügliche Umgang mit Büchern und Geschichten, haben Kinder aus »lesefernen« Familien von Anfang an einen schlechteren Start im Leben als diejenigen ihrer Altersgenossen, die mit der kleinen Raupe Nimmersatt, Pu dem Bären und mit Aladin aufwachsen.
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