Manche Männer überqueren im Segelboot den Stillen Ozean, um jene Grenzen zu überschreiten, die dem Menschen gesetzt sind, andere durchmessen zu Fuß den brasilianischen Dschungel, wieder andere verabreichen sich halluzinogene Pilze oder erklimmen Himalaya-Gipfel ohne Sauerstoffgerät. Hans-Ludwig Kröber überschreitet Grenzen, indem er sich an einen Tisch setzt, seinen Block herausholt und zuhört.
Grenzüberschreitungen sind der Alltag eines forensischen Psychiaters, allerdings die anderer Menschen jener Verbrecher nämlich, die nun als sogenannte Probanden vor Kröber sitzen und ihn im Geiste mitreißen über diese unsichtbare Linie, die den mittleren Bürger trennt vom Räuber, vom Kinderschänder, vom Mörder. Zahllose Kriminelle hat Kröber im Laufe der Jahre hinüberbegleitet in die dunklen Gefilde, die scheinbar außerhalb der Gesellschaft liegen, in Wahrheit jedoch mittendrin: wo Anstand und Rücksicht als Schwächen gelten, wo die Regeln des Zusammenlebens manchmal ganz aufgehoben sind, wo das Recht des Stärkeren regiert oder die Verblendung, die bloße Angst, die totale Einsamkeit.
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