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Deutschstunden Warum Harald Martenstein kein Lehrer geworden ist
ZEIT vom 16.11.2006 Nr. 47 S. 73
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Ich wollte eigentlich Lehrer werden. Also habe ich auf Lehramt studiert. Nach einigen Semestern bin ich als Aushilfsdeutschlehrer an eine französische Schule gegangen. Ich war ein extrem lockerer Lehrer, dies entspricht meinem Wesen, vielleicht sogar meinen Überzeugungen. Die französischen Schüler aber waren die Knute gewohnt. Sie haben mich mehrmals mit Stühlen beworfen. Die anderen Lehrer hatten sie in den vorangegangenen Stunden mit der Knute so sehr gepiesackt, dass sie sich Erleichterung verschaffen mussten. Dazu war ich die geeignete Persönlichkeit. Die anderen Lehrer waren alle Kommunisten. Sie gaben mir zu verstehen, dass sie alle Deutschen, auch die jungen, für Nazis halten. Ich hätte ihnen sehr gerne Filmaufnahmen davon gezeigt, wie ich von den Schülern mit Stühlen beworfen werde, wie ich hinter dem Pult in Deckung gehe und in gebrochenem Französisch rufe: »Ich tu doch keinem was! Goethe! Schiller! Heine!«, dann hätten sie sofort gemerkt, dass dies kein typisch nationalsozialistisches Verhalten ist.
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