Jonas* klemmt sich den großen Holzbaustein unters Kinn, greift ihn mit der linken Hand und legt den Kopf dazu ein bisschen schief. Seine rechte Hand langt nach einem zweiten Baustein, mit dem er über den ersten schabt. Leise singt er dazu »Li, li, la«, eine kleine Melodie. Jonas spielt Violine ein beliebtes Spiel im Berliner Musikkindergarten. Wenn Daniel Barenboim, der diesen Kindergarten gegründet hat, Jonas zusähe, würde der Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden möglicherweise Beifall klatschen, vor Freude darüber, dass sein Konzept aufgegangen ist. »Wir wollen die Kinder nicht nur zur Musik bringen, sondern durch die Musik zum Leben«, sagt Barenboim über sein Projekt, das er vor einigen Tagen auf dem Kongress »Musik bildet« in Berlin vorstellte.
Erziehung durch Musik diese Idee geht auf den Pianisten Leo Kestenberg zurück, der als einer der Ersten die fundierte Beschäftigung mit Musik bereits im Kindergartenalter vorschlug und als Ministerialreferent in der Weimarer Republik den Musikunterricht in diesem Sinne neu strukturierte. Vor den Nationalsozialisten floh der jüdische Künstler nach Tel Aviv, wo Barenboim seine Bekanntschaft machte und musikpädagogische Anregungen erhielt, die jetzt im Musikkindergarten umgesetzt werden. Zwei Jahre ist dieser inzwischen alt; er ist von anfangs 20 auf 60 Kinder angewachsen und inzwischen in die Leipziger Straße in der Nähe der Oper gezogen. Am liebsten hätte Barenboim ihn unterm Operndach.
Das mag elitär klingen, aber genau das Gegenteil ist der Fall. »Der Musikkindergarten ist nicht für Orchester- und Chornachwuchs, nicht für Hochbegabte und nicht für eine bestimmte Gesellschaftsschicht«, präzisiert der Initiator. Bei der Auswahl der Kinder 90 stehen derzeit auf der Warteliste wird auf eine ausgewogene Mischung von Alter, Geschlecht und sozialer Herkunft geachtet. »Wir wollen um Gottes willen keine kleinen Mozarts heranzüchten«, sagt auch die Leiterin des Kindergartens, Erzieherin Leonore Wüstenberg. Vielmehr sollten die Kinder eine Affinität zur Musik entwickeln. Die drei, die inzwischen keine Holzklötzchen-, sondern eine echte Geige spielten, täten dies außerhalb der Kita.
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