DIE ZEIT: Alle Welt beneidet Amerika um seine Universitäten. Sie haben dort an einer Spitzenuniversität gelehrt und kennen beide Welten. Welche Gründe gibt es denn, Deutschland zu beneiden?
Rainer Forst: Nun, wenn wir vom beneidenswerten Amerika reden, meinen wir ja tatsächlich nur eine sehr kleine Zahl von vorzüglich ausgestatteten und in der Regel privat finanzierten Forschungsuniversitäten mit Milliardenvermögen. Sie sind zu globalen Ausbildungs- und Forschungsunternehmen geworden, in die die Eliten der Welt strömen. Das deutsche System ist historisch ganz anders angelegt, die staatlich finanzierte Universitätslandschaft ist trotz einiger herausragender Universitäten weit weniger hierarchisch geordnet.
ZEIT: Welche Vorteile hat das?
Forst: In Deutschland gilt der durchaus bewahrenswerte Grundsatz, dass man an jeder Universität eine gute wissenschaftliche Ausbildung erhalten kann. Und die Wertschätzung dieser Ausbildung ist international hoch, auch wenn gerade in der Hinsicht besondere Anstrengungen gefordert sind. Doch berücksichtigt man die Diskrepanz zwischen der rasanten Entwicklung der Zahl der Studierenden und dem schleppenden Ausbau der Lehrkapazitäten der letzten Jahrzehnte, ist sowohl die Qualität und Zahl der Studienabschlüsse als auch die der Forschungsleistungen beachtlich. Nicht nur die Bedingungen der Lehre, auch der Forschung sind freilich verbesserungsbedürftig. Deutsche Professoren haben etwa gegenüber ihren amerikanischen Kollegen nicht nur das doppelte Lehrdeputat, sondern auch ein Vielfaches an Studenten.
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Rainer Forst, 42, Professor für Politische Theorie und Philosophie in Frankfurt am Main, zuvor an der New School for Social Research, New York.
Das Gespräch führten Elisabeth von Thadden und Martin Spiewak
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