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Radikalismus der Mitte Harald Martenstein bekennt sich zu Anglizismen und erinnert daran, dass die deutsche Sprache früher ein Unterschichtphänomen war
ZEITmagazin LEBEN Nr. 33 vom 9.8.2007
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In der ZEIT wird immer auf Anglizismen geschimpft. Wieso beschäftigt dieses Blatt ausgerechnet einen Typen wie mich? I am the uncrowned king of the anglicism . Im Mittelalter hat die deutsche Oberschicht ein paar Hundert Jahre Lateinisch geredet, das war doch auch okay. Die deutsche Sprache ist nämlich ursprünglich ein Unterschichtphänomen gewesen, ähnlich wie heute Arschgeweih und Ballermann. Und jetzt macht ausgerechnet das Bürgertum so ein Bohei um diese Sache, statt, wie es sich bei einem korrekten und nicht allzu kurzatmigen historischen Gedächtnis gehören würde, wieder Lateinisch zu reden. Das kann doch keiner verbieten. Ad fontes, patrioti! Ich persönlich habe das Latinum, meinetwegen kann es morgen losgehen, urbi, orbi et hamburgi . But I love German. Goddammit, how I love this horny little language .
Meine Haltung zu Fragen der Ästhetik könnte man als "Radikalismus der Mitte" bezeichnen. In den Ferien habe ich ein Buch gelesen, in dem deutsche Schriftsteller über ihre Vorbilder schrieben und über ihre Leitidee. Die Schriftstellerin Antje Rávic Strubel äußerte dort, das Wichtigste beim Schreiben sei "Misstrauen gegenüber der Sprache".
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