Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Bildung Grade Titel XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / Doktor-Grad, Übersicht / Tempo Ehrendoktor
 

  < zurück erweiterte Suche Seite drucken
 

Eitelkeit besiegt Sachverstand
Für einen Ehrendoktor nach rechts gedriftet

"Tempo" vom 08.12.2006

 

Was macht der eitle Mensch, wenn ihm plötzlich akademischer Schmuck angeboten wird: ein Ehrendoktor? Hatte er ihn nicht schon längst verdient? Warum war bisher noch niemand auf den Gedanken gekommen, ihm das zuzuerkennen, für was er sich würdig hielt, die akademische Würde? Schließlich gehört in Deutschland der akademische Grad eines Ehrendoktors, oft mit „Titel“ verwechselt“, zu den Verzierungen, die ein nichtstudierter Mann von Welt unbedingt haben muß. Erst recht, wenn die „Würde“ weder etwas kostet noch besondere Verdienste um das Hochschulwesen erfordert. Diese auffallend ziemlich günstige Gelegenheit durfte der bisher „Würde“-lose sich nicht entgehen lassen. Zumal die ziemlich schwülstige Bezeichnung des die Würde verleihenden Instituts immerhin eine gewisse nationale Würde erkennen lies.

 

Wer hat das ausgeheckt?

Jetzt ist bekannt¸ wer dahinter steckte: die Redaktion von „TEMPO“ mit einer Promi-Veralberung nach "Titanic"-Art. Das Magazin „Tempo“ wurde vor 20 Jahren von dem Österreicher Markus Peichl herausgegeben und 10 Jahre später beendet. Zum „Geburts- und Todestag“ (DER SPIEGEL 50/2006) erschien ein 360 Seiten starkes Jubiläumsheft mit dem Titel „Endlich die Wahrheit“ – 33 unumstößliche, unbestreitbare, unerbittliche und unverschämte Erkenntnisse über die Welt von heute.

 

Die "Deutsche Nationalakademie"

Die "Tempo“-Macher" haben eine "Deutsche Nationalakademie" (Präsident: ein Prof. Dr. Wendelin Däubner...) erfunden und hundert deutschen Prominenten schriftlich eine Ehrendoktorwürde dieser neuen Einrichtung angeboten. Die Falle: In den mitgeschickten Leitlinien der fiktiven Nationalakademie versteckten sich Zitate aus Hitlers "Mein Kampf" und dem Parteiprogramm der rechtsradikalen NPD. Willi Winkler schrieb zur Aktion von „Tempo“ in der SZ vom 9./10. Dezember,  „Ein bisschen läppisch ist die politische Fleischeinlage, der Versuch, mit Sätzen aus „Mein Kampf“ Ehrendoktorate zu verleihen, auf die staatlich geprüfte Dummermänner wie Udo Walz, Gotthilf Fischer und Dieter Bohlen natürlich hereinfallen.“  

 

14 % sind reingefallen

Von 100 auserwählten „Würdigen“ lehnten 86 ab, 14 aber tappten in die akademische Falle. Sie merkten vor allem nicht, daß ihnen mit den Zitaten eine Weltanschauung unterstellt wurde, „die bestrebt ist, unter Ablehnung des demokratischen Massengedankens dem besten Volk die Erde zu geben und auch innerhalb dieses Volkes den besten Köpfen Führung zu sichern.“ Mit Erleichterung erfährt man, wie wachsam einige - Ingo Schulze, Christoph Stölzl, Ulrich Wickert und Jürgen von der Lippe - den ganzen Elite- und Nationalsumms erkannt und mit deutlichen Worten abgelehnt haben. Doch auch unter der Mehrzahl der Ablehnenden, darunter Franz Beckenbauer, Peter Hahne, Christa Wolf, Ingo Schulze, Christoph Stölzl, Ulrich Wickert, Heidi Klum und Wolfgang Wagner, gab es einige, denen nur die Gelegenheit einer "Ehrendoktorwürde" nicht ganz zupaß kam - und weniger der rechte Ton. Viele hätten wachsweich mit Termingründen absagen und freundlich grüßen lassen.

 

Zu den Reingefallenen zählen Udo Jürgens, Dieter Bohlen, Markus Wasmeier, Gotthilf Fischer, Udo Walz, Claus Hipp, Meinhard von Gerkan, Reinhold Messner, Fritz Wepper und Rolf Bossi.

 

In einem Weblog heißt es, „Der Gerechtigkeit halber sei erwähnt, daß auch Sätze vorkommen, die in kaum anstößiger Weise von der "Perspektivlosigkeit der Jugend" und der Notwendigkeit "positiver Vorbilder" sprechen. Doch der rechtsnationale Tenor war unverkennbar."

 

Rechtsanwalt Rolf Bossi ist wütend

Einer der Gefoppten fühlte sich besonders hart getroffen, der münchner Anwalt Rolf Bossi, dessen Vater von den Nazis als Widerstandskämpfer hingerichtet wurde. Antwortete er zunächst: „Es ist mir ein persönliches Bedürfnis, die Ziele und Inhalte des Wirkens als ein rettendes Licht zu erleben inmitten der Finsternis unseres nationalen Rückschritts.“, so sei er, der, wie die AZ München vom 9./10. Dezember berichtete, „verbal am meisten auf die Pauke gehauen hat, besonders empört.“ „Herr Bossi ist getäuscht worden“, habe sein Assistent Maximilian Pauls zur AZ gesagt. Die Ziele der Akademie seien in dem Schreiben an ihn nicht aufgeführt gewesen. Seltsam sei aber, so die AZ, wo er sich laut seiner Antwort doch für genau diese Ziele einsetzen wollte. „Herr Bossi wird gegen diese Berichterstattung rechtlich vorgehen“, sagte sein Assistent Pauls.    

 

Julian Nida-Rümelin, Professor an der LMU München

Im Weblog heißt es weiter, „nicht jede Zusage sei gleich bedenklich. Am schwersten aber wiege ein dicker Umschlag, der eines Tages in den Akademieräumen eingetroffen sei. Absender war Julian Nida-Rümelin, Professor für Politische Theorie und Philosophie an der LMU München und Kulturstaatsminister a.D.: "Sehr geehrter Herr Professor Däubler" beginnt der Brief, in dem er sich für die große Ehre bedankt, die er annimmt, "da ich die Ziele und das Programm der Deutschen Nationalakademie ohne jeden Vorbehalt unterstützen kann." Beigelegt ist ein siebzehnseitiger Essay über die "normativen Bedingungen der Macht" . "Ziele und Programm" lagen dem ursprünglichen Anschreiben der Akademie bei, es ist kein langer Text. Selbst ein vielbeschäftigter Professor kann ihn überfliegen. Der letzte Absatz lautet: "Eine Weltanschauung, die bestrebt ist, dem demokratischen Massengedanken eine klare Ablehnung entgegenzubringen und der Elite des Volkes zu neuer Geltung zu verhelfen, muß auch dafür Sorge tragen, daß den besten Köpfen im Alltag und in der Politik der höchste Einfluss zukommt. Damit baut die Deutsche Nationalakademie nicht auf dem Gedanken der Majorität, sondern auf dem der Persönlichkeit auf. Sie setzt sich dafür ein, daß die Besten zum Zuge kommen und nicht das Mittelmaß."

 

Das ist auch dann deutlich, wenn man den ersten Satz nicht als Zitat aus Adolf Hilters "Mein Kampf" erkennt. Besonders stutzig mußte hingegen machen, was in den "Grundsätzen" fehlt: kein Bezug zum Gedanken der europäischen Integration, kein Verweis auf eine Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Institutionen. Statt dessen: "Der Schwerpunkt liegt auf dem Gebiet der Erforschung deutscher Geschichte, deutscher Kultur und deutscher Nationalökonomie." Dreimal deutsch, das hält besser.

 

Einen Monat später schickte Nida-Rümelin zwar eine e-mail hinterher und schrieb, er habe die Akademie mit Helmut Schmidts "Deutscher Nationalstiftung" verwechselt, aber diese vergibt keine Doktorwürde und hat in jedem ihrer Grundsätze einen klaren Bezug zu Europa und zur Demokratie.

 

Nida-Rümelin ist natürlich kein Deutschnationaler. Offenbar war er auf der Suche nach Verbündeten für seinen Versuch, mit Hilfe der politischen Philosophie den "Humanismus als Leitkultur" neu zu etablieren. In seinem jüngsten Buch versucht er eben das Ringen um die Wahrheit als zentral für die Demokratie zu beschreiben und gegen postmoderne Beliebigkeit einerseits und die libertäre Utopie des universellen Marktes andererseits zu verteidigen. Aber sein ausdrückliches Ja zur "Förderung der deutschen Elite", das Erlöschen aller kritischen Fähigkeiten, wo es um eine Ehrung seiner selbst geht und selbst die mangelnde lebenspraktische Gewitztheit, die Unfähigkeit, einen hoax etwa mittels Google zu enttarnen, zeugen vom bedenklichen Zustand der akademischen Elite, deren Exponent sich da geehrt glaubte. Schlagwörter wie Werteverfall, Massengesellschaft, Ablehnung des Mittelmaßes führen in solchen Kreisen augenblicklich zu gewichtigem Kopfnicken. Nida-Rümelins Reaktion ist ein Symptom der voranschreitenden Entkopplung akademischer Eliten von der bundesrepublikanischen Wirklichkeit, in der die Demokratie eben nicht wie eine geographische Gegebenheit in der Landschaft liegt, sondern täglich neu aufgestellt werden muß.“

 

Einsicht mit Spende

In der an die 100 Prominente von der fiktiven Deutschen Nationalakademie verschickte Einladung zur Verleihung der Ehrendoktorwürde stand auch der Satz: „Wir wollen aufhören, die Narren der Fremden zu sein, und zusammenhalten zu einem einigen, starken, freien deutschen Volk.“ Das „Münchener Tagebuch“ vom 12. Dezember ist der Ansicht, „diesen Satz hätten die Promis als eindeutig nazistisch identifizieren müssen.  Die 14 Prominente, die die Einladung angenommen haben, wurden dann in „Tempo“ und der nahestehenden Schmuddelpresse bloßgestellt. Dabei hätten sie doch wissen müssen, daß der Wunsch nach „einem einigen, starken, freien deutschen Volk“ eindeutig rechtsextrem ist. Vielleicht können sich die 14 Durchgefallenen mit einer großzügigen Geldspende für den „Kampf gegen Rechts“ rehabilitieren.“

 

Dummheit und Eitelkeit sind immer noch die schlimmsten Feinde von Vernunft und Aufklärung.

 



zum Seitenanfang < zurück Seite drucken