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Sprache / Wiener Sprachblätter WSB / WSB Wörter u. Unwörter ab 2001 / Wörter und Unwörter 2004
 

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Wörter und Unwörter, Sprachwahrer und Sprachbanausen des Jahres 2004 

Mitgeteilt von Gottfried Fischer - Schriftleiter des Vereins "Muttersprache", 15.1.2008


Wörter des Jahres

1. Tsunami/Flutwelle. Eine Flutwelle derartigen Ausmaßes hat es seit Menschengedenken nicht gegeben. Sie hat das Beben, das am 1. November 1755 Lissabon zerstörte und dessen Flutwelle tw. die europäischen Küsten verwüstete, bei weitem übertroffen. Die Angaben über die Zahl der Opfer sind unsicher, vielleicht kamen 300.000 Menschen um. Um das Grauen zu beschreiben, wurden in den Medien verschiedene Wörder verwendet: Todeswelle, Zerstörungswelle, Bebenwelle, Riesenwelle, Mordwelle/Mörderwelle, Flut biblischen Ausmaßes (zu diesem Ausdruck vgl. aber den Aufsatz unseres Obmannes auf S. 2, ebenso zum Wort Tsunami). Auch das Wort Flutkatastrophe war um die Jahreswende (das Unglück fand am 26. Dezember 2004 statt) täglich zu hören.

2. Parallelgesellschaften. Als der niederländische Filmemacher Theo van Gogh am 2. 11. aus islamistischen Beweggründen ermordet wurde, brach eine Auseinandersetzung darüber aus, ob sich manche Einwanderergruppen im notwendigen Ausmaß an die europäischen Gesellschaften anpassen oder aber Parallelgesellschaften bilden.

3. Rückumstellung. Viele Zeitungen und Zeitschriften haben 2004 auf die herkömmliche Rechtschreibung "rückumgestellt", d. h. die Umstellung auf die neue Rechtschreibung rückgängig gemacht. Das neue Zeitwort rückumstellen wird übrigens nie in der Mitvergangenheit (Präteritum) gebraucht.

4. Idioten-Laterne (neues Wort für Fernseher).

Viele Einsendungen erreichten uns nach der Wiederwahl Bushs, er sei ein fundamentalistischer Gottesmann, manichäisch (für fundamentalistisch), weltfromm.

Unwörter des Jahres

1. Double-U. Ausgesprochen: dablju. Double-U in George W. Bushs Namen (auf englisch) zu sagen ist völlig überflüssig für die Identifizierung des Gemeinten. Wer wüßte nicht, wer gemeint ist, wenn man einfach der amerikanische Präsident Bush o. ä. sagte?

2. Offshoring. Verhüllender Ausdruck für Abbau von Arbeitsplätzen und deren Verlegung ins billigere Ausland.

3. Komikids für "Kommunionskinder". Klingt komisch, nämlich nach Comics und ist dem Ernst des Vorganges nicht angemessen.

4. geil. Viel zu häufig angewandtes Modewort.

5. Ja, genau! Nachbildung des amerikanischen exactly!

6. Team. Unklares Allerweltswort, ersetzt Gruppe, Arbeitsgruppe, Truppe, Helfer, Gemeinschaft, Belegschaft, Mitarbeiter, Besatzung, Mannschaft, Riege.

7. Deckelung. Kaum jemand weiß, was darunter zu verstehen ist: "Beschränkung [von Einbußen, die bei niederem Einkommen einen zu hohen Prozentsatz erreichen]".

Beanstandet wurden auch die Wörter Jobfloater: von der dt. Bundesregierung geschaffen, wenn ein kleines oder mittleres Unternehmen einen Arbeitslosen oder Lehrling einstellt und dafür ein günstiges Darlehen bekommt. Das Wort ist denglisch. es kommt im Englischen nicht vor. Job/jobben: Un(nötig)wort, dt. Arbeit, Arbeitsplatz, Stelle, Stellung, Anstellung, Beruf, Amt usw. Auf dem Arbeitsmarktservice (= Jobservice) gibt es Joblose, Jobcorner, Jobcenter, Jobfolders, Jobcoacher, verjobben. Wird ausgesprochen wie das englische Wort für "abhauen": chop. Nicht wirklich für eigentlich nicht nach englisch not really. Einmal mehr für noch einmal nach englisch once more. Shoppen, klingt wie deutsch schoppen und drückt eine Art Einkauf aus, der eigentlich überflüssig ist. Es macht Sinn für es ist sinnvoll/hat Sinn nach englisch to make sense. Pensionsharmonisierung: verhüllendes Wort. E-Card: nichtssagendes Wort, könnte sich genauso gut auf den Einkauf von Badezimmerausstattung durch EDV beziehen, Gesundheitskarte wäre aussagekräftiger. Für diese Bezeichnung ist auch die Gesundheitsministerin.

Ansonsten: Blähwort für sonst. cool: Anglizismus, der zu oft gebraucht wird, auf die Nerven geht und andere, differenziertere Ausdrücke beseitigt; z. B. hat ein Toaster der Firma AFK Germany einen Cool Touch (für heißes Brot?). Notzuwegung: gefunden vor einem Wohnsilo auf der Braunshölle in Lahnstein/Rhein; richtig: "Rettungsweg – nicht zuparken". Fluchtsteuer: Kosten für Beibehaltung der Rufnummer beim Wechsel des Mobilfunkbetreibers. Anm.: Zynismus oder Unkenntnis der jüngeren Zeitgeschichte? Überquerungshilfe: für Fußgängerübergang in Bad Breisig in Rheinland-Pfalz. Unterschichtenkind: Klingt herabsetzend. Das Abschlußprüferaufsichtsgesetz sieht eine berufsstandsunabhängige Abschlußprüferaufsichtskommission vor (Wirtschaftministerium, BRD); diese Ausdrücke sind etwas zu lang. Vor Ort: oft in unser Reporter vor Ort; Modewort, das durch ständigen Gebrauch auf die Nerven geht. "Ich bin doch nicht blöd" (ausgesprochen blöde Werbung).

Sprachwahrer des Jahres

Sepp Forcher. Führt durch die Fernsehsendung "Klingendes Österreich". Er schreibt seine Sätze selbst und spricht in ungekünstelter Mundart, ohne Anglizismen, er bezeichnet z. B. das/die "E-Mail" als Elektronische Post.

Sprachbanausen

Synchronisierungsfirmen. Die Unternehmen, die Filme aus den V. St. übersetzen, behalten leider die brutale und vulgäre Ausdrucksweise bei, übersetzen aber oft nicht (z.B.: Hi, Mom) und sind dadurch die Hauptschuldigen an der Amerikanisierung unserer Sprache.

Dr. Gottfried Fischer
Schriftleiter des Vereins "Muttersprache", des größten Sprachpflegevereins Österreichs
H.: 0699.1.944.57.81
1070 Wien, Schottenfeldgasse 95/20
Weltnetz: http://homepage.univie.ac.at/goetz.fischer/WienerSprachblaetter.htm

 



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