Mit Schreiben vom 14.6.2007 hat der Vorsitzende des Innenausschusses, Sebastian Edathy, meine E-Mail vom 18.4.2007 beantwortet, worin ich ihn dringend bat, den personenstandsrechtlichen Schildbürgerstreich des Herrn Beckstein zu verhindern. Mit Links auf den Schreiben an Herrn Schäuble und Herrn Beckstein führte ich ihn zu Erläuterungen von einer Vielzahl von sachlichen Gründen, die Beckstein mit seiner Forderung einfach niederstampfte. Außerdem hätte Edathy weitere Gründe kennen müssen, die die Bundesregierung veranlaßt hatte, die NICHT-Eintragbarkeit des Doktorgrades im Pass einzuleiten.
Mittlerweile ist das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen und der tradionsbeseelte Verhinderungswunsch aus Bayern ist Gesetz geworden. Die Abgeordneten des Innenausschusses und vieler anderer in dieser Angelegenheit Eingebundenen (in Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat)zustimmenden haben einfach nur - zustimmend - mit dem Kopf genickt. Eine Diskussion gab es nicht, obwohl der (entgegengesetzt lautenden) Gesetzesentwurf der Bundesregierung nicht etwa fehlerhaft, grundgesetzwidrig oder unnötig war. Nein, er war sachlich begründet und berücksichtigte internationale Gepflogenheiten.
Edathy wies in seinem Brief auf bereits bekannte Tatsachen hin: Das Ergebnis (die beschlossene Eintragungsmöglichkeit des Doktorgrades im Pass) sei „insbesondere auf das Bestreben der (südlichen) Bundesländer zurückzuführen. Die sähen „die Aufnahme des Doktorgrades als in der Bundesrepublik traditionell verankert. Insbesondere? Es waren nur Bayern und in seinem Schlepptau das Land Thüringen, die sich gegen die Vernunft gesträubt haben.
Edathy räumte zwar ein:
Dagegen spreche allerdings, daß der Doktorgrad für die Identifizierung einer Person anhand eines Ausweisdokuments nicht notwendig ist, und,
im Sinne des gewünschten Bürokratieabbaus und einer Verminderung des Verwaltungsaufwandes sowie des Anpassens an internationalen Gepflogenheiten wäre es nach seiner Auffassung daher sinnvoll gewesen, auf die Aufnahme zu verzichten.
Doch offenbar war das kollektive Kopfnicken ein Zeichen kollektiven Versagens der Beteiligten. Oder war da eine sehr wichtige Funktion des Gehirns außer Betrieb?
Also sinnvoll sei das Nicken gewesen. Waren nicht schon die von Edathy genannten Hindernisse plausibel und wichtig genug, den Zwei-Länderwunsch abzulehnen? Waren die zuständigen Abgeordneten nicht in der Lage, über den Mißbrauch eines offiziell als Hochsicherheitsdokument eingestuften Dokumentes zu diskutieren? Was veranlaßte sie zu nicken statt zu denken?
Nach Ansicht von Edathy sei die Änderung des ursprünglichen Gesetzentwurfs nicht so wichtig gewesen, um Anlaß zu
„einem großen Streitpunkt im Zuge des Verabschiedungsprozesses
zu geben. „Großen Streitpunkt? Bei der Verabschiedung des Gesetzes gab es nicht einmal einen kleinen Streit, sondern nur das besagte Abnicken, und zwar ungeachtet der vielen von der Bundesregierung selbst angeführten (A) und ihr, dem Parlament, dem Innenausschuß und dem Rechtsausschuß mitgeteilten (B) Gründe:
A. Die von der Bundesregierung genannten Gründe:
Schwierigkeiten beim Feststellen der wissenschaftlichen Gleichwertigkeit ausländischer Grade mit inländischen,
Ausweisbehörden fehlt Sachkunde zum Beurteilen ausländische Grade,
Das Antragsverfahren für die Ausstellung des Passes wird verzögert,
Forderungen der Länder und aus dem gesellschaftlichen Bereich, das Verfahren zu vereinfachen,
Eintragbarkeit ausländischer Grade wird erheblich erschwert,
Beschluß der KMK (21.9.2001) für einheitliche Regelungen wird mißachtet,
Beabsichtigte Entlastung der Kultusbehörde wird konterkariert,
Probleme sind größer als der Nutzen für Verwaltung und Bürger,
Deutsche Praxis widerspricht internationalen Gepflogenheiten,
Internationaler Standard für maschinenlesbare Reisedokumente wird mißachtet und
Mißverständnisse bei der Grenzkontrolle „DR als Teil des Namens angesehen);
B. Die den genannten Institutionen im Bundehaus mitgeteilten Gründe:
Mißachtung der Rechtsprechung des BGH,
Doktor-Tourismus im Bereich von Großstädten,
Nivellierung des Doktorgrades,
Mißachtung des Gleichheitsgrundsatzes,
Mißbrauch des Ausweises als Visitenkarte,
Überbewertung des Doktorgrades,
Bestärkung von Vorurteilen,
Förderung des Titelhandels und
Der Staat als Therapeut für komplexbehaftete Akademiker
Dieses Kopfnickverfahren zum Beschließen des längst überholten Doktoreintrags im Paß, diente nur dazu, um eine im Mittelalter eingeführte Unterscheidung zwischen studierten und nichtstudierten Ärzten - jetzt generell für alle Fachrichtungen des Universitätswesens - als lebenslangen Hinweis auf besondere geistige Qualitäten zu erhalten. Die Erweiterungen der Privilegien eines akademisch Verzierten waren stets willkommen. Ein Anlaß sie zu beschränken oder gar abzubauen sah niemand, im Gegenteil sie wurden immer mehr als "Tradition" betrachtet und gepflegt. Niemand sollte es wagen, sie in Frage zu stellen. Der Verlauf des Gesetzgebungsverfahren läßt nur einen, den bereits mehrmals hervorgehobenen Schluß zu:
Wenn es um die Eitelkeit der Menschen geht, bleibt der Verstand ausgeschaltet.
Ulrich Werner
Die Geschichte eines Schildbürgerstreiches, eingefädelt von Günther Beckstein, Bayern.
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