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„waffenfähig“ – eine der dudenfähigen Sprachverhunzungen

 Der Herausgeber einer großen deutschen Wochenzeitschrift kapituliert

August 2009

Ein Briefwechsel

Lieber Herr J.,

gern erinnere ich mich an den kurzen Meinungsaustausch mit Ihnen über die Wortschöpfung „waffenfähig“ einschließlich aller Variationen mit dem Suffix „fähig“   (mehrheitsfähig, zukunftsfähig usw.). Das war noch zur Zeit Ihrer Tätigkeit bei der SZ in München. Sie stimmten mir zu und versprachen, sich in der Redaktion für ein Verzicht auf derartige Fähigkeitsbezeichnungen wie „waffenfähig“ einzusetzen.

In Ihrem lesenswerten Artikel in der aktuellen Ausgabe „Mission Possible.  …“ ist das Unwort wieder aufgetaucht. Damals verfasste ich meine sprachlichen Hinweise (inzwischen sind es fast tausend) auch an die SZ mit Erläuterungen. Seit ca. 6 Jahren kann ich auf meine Website zur Sprache verweisen mit z. Zt. ca. 1300 Seiten, insg. sind es mit anderen Themen etwa 4 000.

Als „zeitungsfähiger“ Leser finde ich die Suffixe „geeignet“ und „tauglich“ besonders für Begriffe wie Waffen wesentlich klarer, also waffentauglich bzw. waffengeeignet. Auch deshalb, weil mit ihnen die Verneinung plausibler klingt: statt waffenunfähig jetzt waffenungeeignet, waffenuntauglich. Leider wird mit einigen „dudenfähigen“ Ausdrücken weiterhin die deutsche Sprache verhunzt, siehe mein offener Brief an die Dudenredaktion.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Werner

Die Antwort:

Sie haben eigentlich Recht, aber "waffenfähig" hat sich nun mal eingebürgert, und "geeignet" trifft es nicht ganz. Usage beats correctness, heißt es auf Englisch. Einen schönen Restsommer wünscht
Ihr J.

Meine Entgegnung:

Ihre freundlich gemeinte Antwort, Herr J., hat mich enttäuscht, weil ich Sie schätze und stets anerkannte, dass Sie als einer der wenigen Autoren und Journalisten meine sprachlichen Hinweise ernst genommen haben. Jeder Sprachliebhaber muss sich durch die Priorität eines „usage“ ausgebremst fühlen. Der englische Spruch (treffender wäre „usage“ ersetzt durch laziness“) beschreibt genau das Leitmotiv der Dudenredaktion. Seit 1934 ist sie mit ihren Wörterbüchern maßgebend an der Verhunzung der deutschen Sprache beteiligt. Auftragsgemäß betreibt der Duden keine Aufklärung, nur Sprachdokumentation, und das bedeutet Zählen der gesprochenen und geschriebenen Wörter. Ihm haben wir die „Fähigkeits“-Inflation“ und anderen Unsinn zu verdanken.

Den von Ihnen genannten Spruch ernst genommen sind alle Bemühungen um die deutsche Sprache überflüssig. Sprachvereine werden Ihnen vehement widersprechen. Auch mein Idealismus wird durch Ihre Einstellung zur deutschen Sprache nicht gerade gefördert. Zu münchner Zeiten klangen Sie noch anders und gaben mir Hoffnung, in leitender Position sprachfördernd einzugreifen. Nun enttäuscht es mich festzustellen, dass ich auch mit Ihnen trotz Ihrer Zustimmung nicht mehr als Mitstreiter für die Feinheiten der deutschen Sprache rechnen kann. Bei meinen vielen Hinweisen auf schlechtes und falsches Deutsch, auch an Ihre Zeitung, stieß ich (zu) oft auf Ignoranz. Ursache dafür mag Zeitmangel sein und/oder Bequemlichkeit. Floskeln wie „Man weiß ja, was gemeint ist“ und „Das ist Ausdruck der natürlichen Sprachentwicklung“ erschlagen jedes sachliche Argument. Gerade diejenigen, die mit der großen Verbreitungsmacht der Druckmedien den allgemeinen Sprachgebrauch wesentlich beeinflussen, sind vorab diese „user“ und Vorbild für die Leser, die den „use“ übernehmen, als weitere „user“ den „user“-Kreis vergrößern und gemeinsam den „usage“ festigen. Werden die „user“ auf den „use“ angesprochen berufen sich alle, also auch die Urheber des „use“ auf den „usage“. So wird unser höchstes Gut, die Sprache ver-„used“ (!). Die gegen ihr eigenes Gift immune Giftschlange beißt sich in den Schwanz und bleibt am Leben. Ich beschäftige mich lange genug mit Hirnforschung, um mich über menschliches Verhalten nicht mehr zu wundern.

Inzwischen habe ich den Dämpfer überwunden. Dabei halfen mir die vielen Ermunterungen, mich weiter für die Pflege der deutschen Sprache einzusetzen. Warum schauen Sie nicht doch einmal in meine Webseite und gehen zu „Favoriten“, wo aktuelle Beispiele für Sprachverhunzung erläutert sind? Warum muss eigentlich der „usage“ endgültig sein und kann er nicht durch „reverse use“ ersetzt werden? Die Umkehr im Sprachgebrauch würden keine Verbote hemmen. Auch Genehmigungen wären nicht erforderlich, nur Einsicht und Handeln.   
     
Dank für Ihre Sommerwünsche, die ich herzlich erwidere.
 
Ihr weiterhin zeitungsfähiger Ulrich Werner

Nochmals eine Antwort

Ich verstehe ihren Ärger, aber irgendwann ist die Kapitulation vor Usage angesagt. Ich zum Beispiel kämpfe nicht mehr gegen "wegen mir", "einmal mehr" oder den Unterscheidungsverlust von Das Selbe und Das Gleiche. Ein weites Feld, und man muss wissen, wo der Kampf noch lohnt.
Ihr J.

Auflagenvergleich:

Meine Webseite gegen 500 000 Exemplare der Zeitung

 



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