Die Rede des Abgeordneten Frank Hofmann (Volkach) (SPD)
Nächster Redner ist der Kollege Frank Hofmann für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD)
Frank Hofmann (Volkach) (SPD):
Liebe Frau Piltz, hätte ich einen Hut getragen, dann wäre er mir sicherlich hochgegangen. (Otto Fricke [FDP]: Sie hätten ihn gezogen! - Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gezogen vor Anerkennung!)
Ich kann Ihnen nur sagen: Ohren auf und mitdenken, das wird notwendig sein.
(Gisela Piltz [FDP]: Ich tue das!)
- Nein. Denn was Sie heute vorgestellt haben, geht an der Realität, über die wir die letzten Tage geredet haben, völlig vorbei.
(Beifall des Abg. Sebastian Edathy [SPD] und des Abg. Clemens Binninger [CDU/CSU] -
Gisela Piltz [FDP]: Der Beifall von Ihren Kollegen ist sehr mager!)
Ich möchte auf der sachlichen Ebene bleiben und auf die teilweise bewusst geschürte Terrorhysterie eingehen, die auch in der Diskussion um die Pässe eine Rolle spielte. Ich will in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass wir die Pflicht haben, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Ich teile in diesem Fall die Kritik des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Peter Schaar, der die mangelnde Einflussmöglichkeit des Bundestages und des Europäischen Parlamentes beanstandet hat.
(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])
In Zukunft sollte die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Brüsseler Vorhaben den Bundestag im Vorfeld stärker beteiligen.
Wenn wir uns die Änderungsvorschriften des Passgesetzes anschauen, die die Koalitionsfraktionen erarbeitet haben, können wir von der SPD mit dem Erreichten sehr zufrieden sein. Ich möchte nicht verhehlen, dass dies nicht immer so aussah im Verlauf der Diskussion um die Speicherung des elektronischen Fingerabdrucks: Auf der einen Seite äußerten sich regelmäßig Hardliner, die den Terrorismus nicht effizient genug bekämpft sahen. Auf der anderen Seite bremsten FDP und Grüne - bei der FDP konnten wir es vorhin wieder hören -, die bei jeder technischen Innovation den direkten Weg in den Überwachungsstaat an die Wand malen. Die PDS nimmt aus meiner Sicht an einer zielführenden Diskussion überhaupt nicht teil.
Die Kritik von FDP und Grünen, die in ihren Anträgen zum Ausdruck kommt, geht an der Realität vorbei. So können zum Beispiel im elektronischen Pass gespeicherte Daten nicht mit einfachen Mitteln aus- und mitgelesen werden. Ich wiederhole deshalb mit anderen Worten das, was mein Kollege Berichterstatter von der CDU/ CSU, Clemens Binninger, gesagt hat. Damit ein Lesegerät die digitalen Daten auf dem Chip auslesen kann, muss es über einen geheimen Signaturschlüssel verfügen, dessen Gültigkeit durch ein elektronisches Zertifikat des Landes, das den Reisepass ausgestellt hat, bestätigt wird. Ein aktives Auslesen des Chips ist unter optimalen Bedingungen nur bis zu maximal 20 Zentimeter möglich. Hierfür muss ein Lesegerät bis auf diese geringe Entfernung an den Pass kommen. Pass und Lesegerät müssen sich mehrere Sekunden in Ruhe befinden. Außerdem müssen die Passnummer, das Geburtsdatum des Inhabers und das Ablaufdatum des Passes bekannt sein.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht doch drin im Pass! Das ist doch kein Geheimnis!)
Was wäre nun der Gewinn bzw. die Erkenntnis eines solchen Spionageangriffs? Neben allen bereits bekannten Daten bleibt als einziger Ertrag des Angreifers das Passfoto des Passinhabers, das digitalisierte Bild. An die Fingerabdruckdaten kommt er immer noch nicht heran. Die ganze Debatte um derartige Sicherheitsrisiken ist absurd und sollte von der Opposition nicht weiterverfolgt werden. Man muss schon, Frau Piltz, eine Überdosis "James Bond" genossen haben, wenn man dies weiterhin kritisiert.
(Beifall des Abg. Sebastian Edathy [SPD] und des Abg. Clemens Binninger [CDU/CSU] - Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was!)
- Sie, Herr Wieland, drei Überdosen "James Bond".
Für uns in der SPD-Fraktion ist klar: Wir wollen nicht alles tun, was technisch möglich ist; wir wollen aber alles tun, was technisch nötig ist, um dem Bürger ein größtmögliches Maß an Sicherheit zu gewährleisten.
(Beifall bei der SPD)
Dies ist uns mit dem vorliegenden Gesetz gelungen. Wir haben ein höheres Maß an Sicherheit gewonnen und es trotzdem gleichzeitig geschafft, die rechtsstaatliche Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu wahren. Wir konnten die von Herrn Binninger beschriebene verfassungsrechtlich problematische Forderung der Union nach der dauerhaften Speicherung der Fingerabdrücke aller Passinhaber im Passamt auch nach Aushändigung des Passes verhindern. Es bleibt dabei: Die Fingerabdrücke werden nur im Pass gespeichert.
(Beifall bei der SPD - Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorerst! - Gegenruf des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ja, was denn sonst?)
Eine Vorratsdatenspeicherung von Fingerabdrücken ohne konkreten Zweck, quasi eine Volksdaktyloskopie, wird es mit der SPD nicht geben. Ich erinnere Herrn Binninger, der gesagt hat, in der Verwaltung sei so etwas immer schon gemacht worden, an Folgendes: Bei uns gilt nicht der Grundsatz, dass Verwaltungsrecht vor Verfassungsrecht geht. Umgekehrt, Verfassungsrecht geht vor Verwaltungsrecht! Deswegen bleibt es auch dabei, dass eine Vorratsdatenspeicherung nicht kommen darf.
(Beifall bei der SPD)
Es wird also immer nur - dies sage ich auch den Bürgerinnen und Bürgern noch einmal - ein Vergleich von Pass und Passinhaber anhand der gespeicherten Fingerabdruckdaten stattfinden. Diese Daten sind im Pass und nirgendwo anders gespeichert. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorerst!) - Was heißt "vorerst"? Wir machen dieses Gesetz und nichts anderes. Ich kann nur über dieses Gesetz sprechen.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wiefelspütz, Binninger, der ganze Chor sagt das schon: Wir wollen die Daten haben!)
- Wer ist in diesem Fall Binninger? Der Gesetzgeber sind wir alle. Was jetzt herausgekommen ist, habe ich Ihnen gesagt.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also hat der Binninger nichts mehr zu sagen!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der sogenannte Onlineabruf von Passbildern zur Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten und Straftaten darf nur unter engsten Voraussetzungen stattfinden: bei der Unerreichbarkeit der Passbehörde und bei einer Gefährdung des Ermittlungserfolges. Außerdem ist die Möglichkeit des Abrufs auf die für den Landkreis zuständige Polizeibehörde beschränkt. So haben wir in der Koalition gemeinsam eine zentrale Datenbank verhindert sowie Sicherheit und Vertrauen bei den Bürgern geschaffen. Ursprünglich sah das Bundesinnenministerium - Herr Wieland, hören Sie zu - vor, die Landeskriminalämter als Zentralstellen für den Onlineabruf einzurichten. Hierdurch hätte ein Einfallstor für eine zentrale Lichtbilddatenbank entstehen können. Aber Clemens Binninger und ich, die CDU/CSU und die SPD, waren sich einig, dass wir dies nicht wollten. Deshalb ist es auch nicht dazu gekommen. Daraus brauchen Sie niemandem einen Vorwurf zu stricken.
(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorerst! Schäuble hat es in seiner Schublade!)
Was soll die Kritik am Onlineabruf im Eilfall? Ich erinnere daran, dass der Kabinettsentwurf den Onlineabruf für Verkehrsordnungswidrigkeiten als Regelfall enthielt. Der Bundesrat hat vorgeschlagen, diesen Abruf auf Straftaten zu erweitern. Die bisherige Praxis war, dass die Passämter die Lichtbilder den Polizeibehörden im Rahmen der Amtshilfe zufaxten. Das heißt, es gab die Übermittlung von Lichtbildern an die Polizeibehörden bei Straftaten schon immer. Wir haben nun den Onlineabruf nicht für den Regelfall, sondern nur für den Eilfall zugelassen. Dies ist keineswegs ein Anlass, über einen übermäßigen Eingriff in die Bürgerrechte zu klagen; vielmehr ist dies notwendig, sinnvoll und verhältnismäßig.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Der Abruf ist weiterhin umfassend zu dokumentieren, um möglichem Missbrauch vorzubeugen. Damit wird der Vorgang auch für den Datenschutzbeauftragten überprüfbar. Neben dem Datenschutz haben wir dem technischen Fortschritt Rechnung getragen, indem wir die Voraussetzungen für ein durchgängig elektronisches Verfahren zur Passbeantragung geschaffen haben.
Auf besonderen Wunsch der CDU/CSU und des Bundesrates bleibt der Doktorgrad entgegen dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung weiterhin in den Pässen und Personalausweisen eingetragen, selbst wenn dies international unüblich ist, zu Irritationen im Reiseverkehr führt und eine Gelegenheit zum Bürokratieabbau verschenkt wird. Ich sage hierzu nur: Habemus doctores.
Insgesamt bleibt festzuhalten: Wir erzielen für den Bürger einen konkreten Sicherheitsgewinn, indem wir die beim Reisepass bestehenden Fälschungsmöglichkeiten weiterhin reduzieren und die Kontrollen beschleunigen. Für den Passbewerber entstehen außer der Passgebühr keine Zusatzkosten. Wir haben ein modernes Passgesetz mit dem größtmöglichen technischen Sicherheitsstandard, ohne die Freiheit des Bürgers zu beeinträchtigen. Das ist Sicherheitspolitik mit Augenmaß. Danke.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
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