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Patentwesen / Artikel Übersicht / Das Potenzunwesen
 

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Das Potenz-(Un?)Wesen im Patentwesen
Über den Rückbezug in Patentansprüchen

Von Ulrich Werner

"Mitteilungen der deutschen Patentanwälte", 1988, H. 6

I Zusammenfassung

Es gibt kaum eine Patentschrift ohne ihn, für seine spezielle Formulierung wird sogar eine gewisse Zeit aufgewendet, und dennoch hat er später einmal vor Gericht, insbesondere im Verletzungsstreit nicht mehr die Bedeutung, die ihm im Prüfungsverfahren beigemessen wird, und das ist wiederum wesentlich weniger, als er aussagt: Der Rückbezug im Unteranspruch. Die textliche Ersatzfunktion des Rückbezugs drängt seine Vervielfältigungskraft in den Hintergrund. Seine schutzgestaltende Rolle ist eine Fiktion. Als Textersatz und Verknüpfungsmittel vereinfacht er den Wortlaut der Ansprüche und verringert er ihre Anzahl erheblich. Er besteht aus einem einfach les- und verstehbaren Wortgebilde und schließt fast unerkannt schon mit relativ wenigen Unteransprüchen eine derart hohe Zahl von Kombinationen der Ansprüche ein, daß eine vollständige Prüfung aller bildbaren Gegenstände, d.h. aller Weiterbildungen des Gegenstandes des Anspruchs 1 unmöglich ist.

Aus der Sicht des Verletzungsrichters erscheint der Rückbezug entbehrlich, weil es den Richter nicht interessiert, wie viele und welche Ausgestaltungen der Erfindung möglich sind, sondern allein die Frage, ob der eine Gegenstand, der den Schutzbereich so legt, daß der Verletzungsgegenstand umfaßt wird, als patentfähige Erfindung offenbart ist oder nicht. Auch in bekannt gewordenen Verfahren mit Beschränkungen des Patents fühlten sich die Richter durch den Rückbezug nicht gehindert, einen Gegenstand zuzulassen, der unter strikter Beachtung des Rückbezugs ausgeschlossen war. Die von den beteiligten Kreisen nicht angesprochene, ja meist nicht erkannte Potenz des Rückbezugs wird nicht benötigt, um die Rechtsbeständigkeit eines Patents zu gewährleisten. Alle im Wortlaut (einschließlich Rückbezug) der Patentansprüche eingeschlossenen Alternativen (Weiterbildungen) sind im Verfahren vor der Erteilung des Patents nicht geprüft.

Durch Gesetz und Rechtsprechung nicht festgelegte, sondern unterschiedlich und strittig formulierte Rückbezüge verringern die Rechtssicherheit. Es wird daher angeregt, die Unteransprüche ohne Rückbezug abzufassen, etwa im Stil des neuerdings wieder aktuellen einteiligen Hauptanspruchs, dessen Merkmalsaufzählung mit entsprechender Numerierung fortgesetzt werden kann. Ist die Überflüssigkeit des Rückbezugs einmal erkannt, folgt eine drastische Reduzierung der Zahl der Unteransprüche, da die Numerierung der Merkmale im Rahmen der Gliederung die Unteransprüche ersetzt, und zwar bis auf eins, d. h. es gibt nur noch einen einzigen Unteranspruch, den "weiteren (Patent) Anspruch" neben dem Hauptanspruch.
 

II. Der Rückbezug im Unteranspruch (Zu den Fundstellen)

Mit der Formulierung des Patentanspruchs haben sich u. a. Ballhaus/Sikinger (1), Bruchhausen (2), (3), Kumm (4), (5) und Windisch (6) befaßt. Ihre ausführlichen Darlegungen gehen bis 1877, dem Beginn deutscher Patentgeschichte zurück und umfassen Themen wie Auslegung des Patents, Schutzbereich, gegliederter und einteiliger Anspruch. Zwangsläufig steht dabei der Hauptanspruch im Mittelpunkt, Unteransprüche allenfalls im Zusammenhang mit dem Schutzbereich, für dessen Bestimmung der Inhalt aller Ansprüche zu ermitteln ist. Nur Kumm (7) erwähnt sie unter Hinweis auf § 3 a der Anmeldebestimmungen (Fassung 1965) in der Folgerung, der Unteranspruch müsse nicht nur den Rückbezug auf den übergeordneten Anspruch enthalten, sondern auch den Gattungsbegriff der beanspruchten Ausgestaltung, den er definieren soll.

Auf den Rückbezug als Kombinationen-Erzeuger hat Balk (8) mit Beispielen aus der Chemie hingewiesen und Johannssson (9) beim Vergleich der europäischen Patentansprüche mit den deutschen Patentansprüchen, den er in Erwartung der engeren Auslegung des Schutzbereichs des Patents auf Grund des Europäischen Patentübereinkommens anstellt.

Der Rückbezug, erstmals etwa 1888 verwendet - inzwischen waren ca. 63000 Patent erteilt - diente zunächst dazu, einen Zusammenhang zwischen Ansprüchen mit verschiedener Kategorie herzustellen. Inzwischen besteht seine Hauptfunktion darin, Text zu sparen, indem er angibt, welche der vorangehenden Ansprüche in den Oberbegriff einzulesen sind. Seit der Bolzenschießgerätentscheidung (10) kann sogar der nebengeordnete Anspruch einen Rückbezug aufweisen, so daß der Rückbezug allein nicht mehr darüber Auskunft gibt, ob ein abhängiger oder ein unabhängiger Anspruch vorliegt; es kommt also immer auf den Inhalt des Anspruchs an. Benkard spricht von Zweckmäßigkeitserwägungen, nach denen der äußere Aufbau des Anspruchs gestaltet ist (11).

In keiner Fassung des deutschen Patentgesetzes wird der Rückbezug erwähnt. Der verlängerte Arm des Gesetzes, die Anmeldebestimmungen für Patente, schreibt ihn erstmals 1965 vor. In der jetzt gültigen Fassung, nunmehr Patentanmeldeverordnung (12) genannt, ist die Haltung des Gesetzgebers zweideutig. Danach kann die Merkmalsaufzählung im Oberbegriff durch die Bezugnahme auf einen aus den gleichen Merkmalen bestellenden anderen vorangehenden Patentanspruch oder Oberbegriff ersetzt werden (13). Diese Möglichkeit wird wenig später jedoch aufgehoben durch die strikte Anweisung (14): "Unteransprüche müssen eine Bezugnahme auf mindestens einen der vorangehenden Patentansprüche enthalten."

Werden und Wandel des Rückbezugs unterlag und unterliegt weiterhin primär der individuellen Beurteilung seitens der Prüfer im Deutschen Patentamt, da weder der Gesetzgeber noch das Patentamt oder die nachgeschalteten Gerichte einen einheitlichen und offiziell anerkannten Rückbezug gefördert haben. Auch die beteiligten oder besser gesagt betroffenen Kreise auf der Anmelderseite waren wenig aktiv, um ihre Gegenseite, also das Patentamt, zu animieren, die Ungewißheit beim Abfassen des Rückbezugs im Unteranspruch zu beenden.

III. Die "Praxis"

Kockläuner (15) Auffassung, vor 20 Jahren sei eine Wende im Abfassen des Rückbezugs eingetreten, kann nicht bestätigt werden. Weder damals noch im Laufe der letzten Jahre hat sich der Zustand einer gelegentlichen Ungewißheit über das "Ende" (im Verletzungsstreit) geändert. Sein Bedauern der Entscheidung des 11. Senats (16) ist verständlich. Eine Wiederholung der in ihr angestellten und für den Anmelder in der Tat sehr ungünstigen Erwägungen dürfte jedoch nicht zu erwarten sein. In der Regel werden im Verfahren vor der Patenterteilung unklare und häufig auch den Schutzbereich einschränkende Fassungen des Rückbezugs nach Verständigung mit dem Anmelder vom Prüfer geändert. Auf diese Weise bleiben viele Varianten und teilweise ziemlich eigenartige Rückbezüge nur ein Versuch des Anmelders und gelangen nicht an die Öffentlichkeit. Kockläuners Blick über den nationalen Patentzaun (17), die Unteransprüche betreffend, und seinem Aufgreifen der lange ruhenden Diskussion (8), (18), (19), (20) über den richtigen Rückbezug verdanke ich die Anregung, mich mit dem Rückbezug erneut zu befassen. Dabei geriet ich in einen irrealen Bereich des Patentwesens, den auch ein gewissenhafter und aufmerksamer Prüfer nicht mehr überblicken kann. Ursache ist die Potenz des Rückbezugs. In auffälligem Gegensatz zu seiner formalen Vervielfältigungsmacht beim Bilden der Anspruchsgegenstände steht die Beachtung, die ihm die Fachwelt schenkt.

IV. 6 Thesen zum Rückbezug (Zu den Fundstellen)

1. Der Rückbezug wird überlesen.

2. Der Rückbezug begründet nicht, stört aber auch nicht die Patentfähigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1.

3. Der Rückbezug wird unterschiedlich, unklar und unstrittig abgefaßt und zugelassen.

4. Der Rückbezug verhindert nicht, nichteinbezogene Ansprüche bei der Beschränkung des Patents zu berücksichtigen.

5. Der Rückbezug beeinflußt nicht die Auslegung des Patents.

6. Der Rückbezug vereinfacht den Oberbegriff des Anspruchs nur scheinbar.

Zu These 1

Alle am Verfahren zum Erteilen und Auslegen des Patents Beteiligte, vom (sachkundigen) Anmelder bis zum Richter im BGH, wissen es, der zunächst rein optisch auffällige Teil des Unteranspruchs, das Kennzeichen, bildet nicht allein den sachlichen Inhalt des Unteranspruchs, es gibt für sich gelesen auch keinen Sinn. Erst im Zusammenhang mit dem anstelle des Rückbezugs eingesetzten Textteil, gebildet aus einem der vorangehenden Ansprüche, der wiederum einen Rückbezug aufweisen kann, ist der Anspruch vollständig. Dennoch wird dieser Sachverhalt ständig sogar von den Fachleuten im Patentwesen ignoriert, die von "den Merkmalen des Unteranspruchs" sprechen. Der Rückbezug, von Anspruch zu Anspruch mit sich ändernden Ziffern regelmäßig wiederholt, wird beim wiederholten Lesen zur Formalauskunft und ist dann nicht mehr als ein Hinweis auf eine bestimmte Abhängigkeit, die der Leser mehr oder weniger beiläufig zur Kenntnis nimmt. Dabei unterstützt ihn die rationelle Arbeitsweise des Gehirns: Immer wiederkehrende Informationen werden insbesondere beim Lesen überflogen und im einzelnen nicht mehr aufmerksam (oder kritisch) geistig verarbeitet.

So trat und tritt beim regelmäßigen Lesen von Patentliteratur die gute Eigenschaft des Rückbezugs, Text zu sparen, in den Hintergrund und mit ihr das Wissen um seine Inhaltsschwere. Der Leser der Patentschrift tauscht den Rückbezug nicht durch Text aus, sondern hängt den kennzeichnenden Teil z. B. des Anspruchs 2 einfach (optisch) an den Anspruch 1 und versteht ihn damit sachlich (sogar) richtig. Der Auslaßeffekt wird verstärkt durch den relativ kurzen Textteil im Oberbegriff des Unteranspruchs und schnell zur Gewohnheit. Es werden dann die "Merkmale des Anspruchs" genannt, aber nur die kennzeichnenden Merkmale gemeint. Die (wesentlichen) Merkmale des Oberbegriffs sind aber notwendig, um den Anspruchsgegenstand zu definieren und zu beurteilen.

Benkard (21) z.B. äußert sich über "die Zusammenfassung der Merkmale mehrerer Patentansprüche" im Zusammenhang mit der Beschränkung, obwohl die Unteransprüche untergeordnet sind, also Rückbezüge aufweisen. Er kann mit "Merkmalen" nur jeweils die kennzeichnenden Merkmale der Unteransprüche meinen. Ähnlich ungenau werden in den Kommentaren, Entscheidungen und Urteilen die Kombinationen und die Zusammenfassung der (= aller) Merkmale der Unteransprüche, also ohne Beachtung der Rückbezüge in den einzelnen Unteransprüchen hervorgehoben.

Zu These 2

Nach der PatAnmVO sind im ersten Patentanspruch (Hauptanspruch) die wesentlichen Merkmale der Erfindung anzugeben22. Sofern der Gegenstand des Anspruchs 1 die Erfordernisse für das Anerkenntnis der Patentfähigkeit erfüllt, werden die kennzeichnenden Merkmale der Unteransprüche nur noch dahingehend geprüft, ob sie zweckmäßige und nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Gegenstandes des Anspruchs 1 beschreiben. In den Prüfungsrichtlinien vom 24. Juni 1981 ist der diesbezügliche Prüfungsauftrag des Prüfers so umschrieben:

"Da die Unteransprüche auf vorangehende Ansprüche rückbezogen sind, werden sie meist (müssen sie nicht?) nur in Verbindung mit diesen Ansprüchen - also nicht losgelöst von ihnen - Gegenstand der Prüfung sein. Würden die Unteransprüche nicht berücksichtigt, so würde ein teilweise ungeprüftes Patent erteilt. Um das zu verhindern, muß sich die Recherche auch auf den Inhalt der übrigen Ansprüche erstrecken, und zwar auch dann, wenn der Hauptanspruch gewährbar erscheint. Für kennzeichnende Merkmale in den Unteransprüchen, die dem Fachmann allgemein geläufig sind, ist ein besonderer druckschriftlicher Nachweis nicht erforderlich. Es ist ferner zu prüfen, ob die angegebenen Rückbeziehungen auch zutreffen und nicht etwa sinnwidrig sind."

Das Einhalten dieser Richtlinie kann nur darin bestehen, den Rückbezug als Hinweis auf die weiterbildende Eigenschaft seiner kennzeichnenden Merkmale zu betrachten und zu prüfen, ob ein technischer Zusammenhang zwischen diesen und den Bezugsansprüchen besteht. Die weitere Eigenschaft des Rückbezugs, soweit sie überhaupt erkannt wird, nämlich als kombinatorische Verbindung zwischen den Ansprüchen, muß schon aus zeitlichen Gründen vom Prüfer ignoriert werden. Die Prüfung des Rückbezugs ist dann wohl mehr eine Kontrolle auf Richtigkeit. Den gewährten Anspruch 1, der die Grundlage für das Patent bildet, kümmert es nicht, was nach ihm kommt.

Zu These 3

Die langjährigen Bemühungen Kockläuners (15), (18), (20), die Bedeutung des "und" als "oder" hervorzuheben und wegen der nach seiner Ansicht unbestrittenen umgangssprachlichen Mehrdeutigkeit auch in den Rückbezügen von Unteransprüchen als zulässig zu verteidigen, ist aus der Sicht des Anmelders verständlich. Das Motiv ist klar: Er möchte vermeiden, daß er im Auslegungsstreit Nachteile hinnehmen muß. Doch dem Anmelder stehen die gleichen Rechte zu, wenn er die Rückbezüge klar abgefaßt hat. Vor allem im Einzelfall hängt die Zulassung der Änderung immer jeweils von der Offenbarung ab, von der Ausnahmeentscheidung des 11. Senats16 abgesehen.

Mit "oder" der Alternativ-Rückbezug

Vorerst ist es nicht soweit, daß das Bindewort "oder" dieselben Diskussionen auslöst wie das "und". Dem Verfasser liegt aber ein Schreiben der Dudenredaktion vom 25.3.87 vor, wonach zu erwarten ist, daß sie die einschließende Bedeutung des "oder" künftig auch in der Duden-Grammatik aufnehmen wird; im Bedeutungswörterbuch ist sie schon enthalten. Noch haben wir aber wenigstens mit dem Bindewort "oder" im Rückbezug unstrittige Verhältnisse, indem "oder" im Sinne "wenn nicht dies, dann ...(23) verstanden wird.

Der Deutsch-Fachmann

Das Einschalten der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) ist an sich zu begrüßen (24). Es war aber zu erwarten, daß sie bei ihrer Stellungnahme, wie sie selbst am Ende ihres Gutachtens einräumt, nur von rein sprachlichen Gesichtspunkten ausgehen würde. Sie mußte daher zwangsläufig die ihr vorgelegten Rückbezüge anders lesen als jeder Prüfer oder Richter. Für den hier interessierenden Fall unterblieb leider auch die Frage, wie die GfdS den Rückbezug (nach Anspruch 1 oder 2) im dritten der von Kockläuner vorgelegten Anspruch beurteile. Welche "herrschende Praxis" Kockläuner auch immer meint, wonach es bisher gleichgültig gewesen sei, ob der Anspruch 3 auf "Anspruch 1 und 2" oder auf "Anspruch 1 oder 2" rückbezogen ist, in meinem Prüferkollegenkreis wird der Bedeutungsunterschied zwischen diesen beiden Formulierungen dem Anmelder erläutert und beim Abfassen des Rückbezugs berücksichtigt.

Schulte, dessen Kommentar jedem Prüfer vorliegt und der deshalb als Repräsentant einer "Praxis" angesehen werden könnte, zählt lediglich mehrere sprachlich mögliche Formulierungen auf, leider auch den Summen-Rückbezug (nach Anspruch 1 und 2), ohne patentrechtlich zu differenzieren (25). Wenigstens unterscheidet er, ob Anspruch 2 auf Anspruch 1 rückbezogen ist oder nicht. In der 4. Auflage seines Kommentars sind die Beispiele zum Bilden des Rückbezugs nicht mehr angeführt.

Die beliebigen Anspruchsalternativen (Merkmalskombinationen)

Der im folgenden verwendete Ausdruck "Teilmenge" ist jeweils gleichzusetzen mit "Merkmalskombination", die sich entsprechend den im Rückbezug genannten Anspruchsnummern bilden läßt. Auch im Summenrückbezug sind eine Vielzahl von Kombinationen enthalten, z.B. bei 4 Ansprüchen (je auf einen der vorangehenden rückbezogen) durch Additionen der Ansprüche:

1+2, 1+3, 1+4, 2+3, 2+4, 3+4, 1+2+3, 1+2+4, 1+3+4, 2+3+4 und 1+2+3+4 (gleich 11 Alternativen).

Die GfdS (26) sah im knappen Kontext der Anspruchsformel keine ausreichende Festlegung auf beliebige Teilmengen der vorausgehenden Ansprüche. Der Patentsachkundige erkennt jedoch sofort, daß Teilmengen, die den Anspruch 1 nicht enthalten, ausscheiden (im Beispiel sind es 4). Er vermißt ferner die Berücksichtigung der Rückbezüge in den Ansprüchen, auf die jeweils Bezug genommen ist. Je mehr Ansprüche eine Kombination bilden, um so öfter müssen mehrmals angeführte Merkmale gestrichen werden.

Unabhängig von diesen die Rechtssicherheit nicht gerade fördernden Randerscheinungen steigt die Zahl der Anspruchsgegenstände mit der Zahl der Ansprüche sehr schnell an. Bei 20 Ansprüchen sind bereits unvorstellbar viele Weiterbildungen des Gegenstandes des Anspruchs 1 im Patentbegehren enthalten, besser gesagt, versteckt. Mit der Möglichkeit des Teilschutzes für Gegenstände, die durch Weglassen von Merkmalen gebildet werden, ändert sich der Gesamtsummenbildner. Nun kommt es nicht mehr auf die Zahl der Ansprüche an, sondern maßgebend ist die Zahl der Merkmale. Mit jedem weiteren Element (Anspruch, Merkmal) wird die Zahl der Merkmalskombinationen verdoppelt.

Die Empfehlung der GfdS zur Klarstellung der knappen Anspruchsformel ist leider unbrauchbar, weil sie die Frage mit der Frage beantwortet. Ihre vorgeschlagenen Alternativ-Rückbezüge enthalten außerdem einen eingeschobenen Summen-Rückbezug. Solange der Rückbezug noch als Textkürzungs- und Kombinationsgestaltungsmittel im Unteranspruch verwendet wird, ist es ratsam, sich über die Regeln für seine Formulierung zu einigen. Die Mehrheit der Fachleute vertritt die Auffassung, daß nur der Alternativ-Rückbezug (nach Anspruch 1 oder 2, nach einem der Ansprüche 1 bis x etc.) klar und eindeutig ist. Sie lehnen es ab, im Patentanspruch das Bindewort "und" wie "oder" zu lesen. Andere Formulierungen bringen dem Anmelder keine schutzrechtlichen Vorteile, sondern führen zu Unklarheiten, ja sogar zu Nachteilen, wie die Entscheidung des 11. Senats (16) beweist. Eine solche Absprache, zu der sicher auch Kockläuner nach seiner diesbezüglichen Empfehlung (27) stehen würde, wäre für die Anmelder auch im Hinblick auf neuere Entscheidungen des Bundespatentgerichts (28), (29) ratsam, die an die Zulässigkeit erinnern, im Einspruchsverfahren ohne Zustimmung des Anmelders Änderungen des Patentbegehrens vorzunehmen.
 

Zu These 4

Schulte (30) meint, es sei der "Umfang der Rückbeziehung mit Rücksicht auf § 14 (PatG) klarzustellen; denn der Patentinhaber ist für die Ermittlung des Gegenstandes des Unteranspruchs im späteren Einspruchs-, Nichtigkeits- oder Verletzungsverfahren an diese Bezugnahme gebunden, d. h. der Inhalt des in Bezug genommenen Anspruchs ist in den Unteranspruch einzubeziehen." Die von ihm angezogenen BGH-Entscheidungen sind jedoch nicht geeignet, die Bindungswirkung des Rückbezugs zu belegen. In der einen (31) fühlte sich der BGH selbst nicht an den Rückbezug gebunden und hat im Nichtigkeitsstreit den Anspruch 4 (mit nachgeordneten Ansprüchen 5 bis 7) als beständig erklärt, ohne zu berücksichtigen, daß der Anspruch 4 dem Rückbezug nach drei Gegenstände zum Inhalt hatte. Der Senat hat ferner den Gegenstand des Anspruchs 4 als von den vorangehenden Ansprüchen (Rückbezug: "nach einem der vorangehenden Ansprüche") unabhängigen Gegenstand betrachtet und als patentfähig erklärt, ohne zu erläutern, warum er in dem oberbegriffslosen Anspruchstorso eine verständliche Lehre erkennen konnte. Die Entscheidung erscheint im Ergebnis nur dann schlüssig, wenn man dem Anspruch 4 gedanklich (nur) den Oberbegriff des für nichtig erklärten Anspruchs l voransetzt, wodurch das Zugeständnis der Patentfähigkeit auch insofern verständlich wird, als der Anspruch 1 keine ausführbare technische Lehre (im Kennzeichen) enthält, worin ein Nichtigkeitsgrund lag. Aus der weiteren von Schulte angeführten Bolzenschießgerät-Entscheidung (32) läßt sich gleichfalls keine Bindungswirkung an den Rückbezug ableiten.

Welchen Anhalt gibt die Rechtsprechung des BGH - außer den eben genannten Entscheidungen - für die Respektierung des Rückbezugs nach der Patenterteilung? In der Metallfenster-Entscheidung (33) ließ der BGH nicht nur einen Anspruch zu, der durch Streichen von Merkmalen aus den Unteransprüchen gebildet war, sondern auch eine neue, im Patent eindeutig nicht angegebene, ja durch den Rückbezug klar ausgeschlossene Merkmalsverbindung. Bemerkenswert ist auch die ohne Begründung übergangene Prüfung des Rückbezugs der Unteransprüche nach Änderung des Patentbegehrens. Der Überlegung, die Kockläuner beim BGH vermutet, wonach "derartige Kombinationen ja unter den ursprünglichen Anspruch 1 fielen", ist nur schwer zu folgen; sie läßt sich nicht einmal mit dem als unklar abgelehnten Summen-Rückbezug vereinbaren, wonach man eine beliebige Teilmenge zugesteht. Dem Rückbezug der Unteransprüche wurde vom BGH eine fast exotische Bedeutung zuerkannt. Die gedankliche Bezugskonstruktion bestand danach aus einem Rückbezug, der zusätzlich einen Vorbezug enthält, d.h. der Anspruch 5 ist über Anspruch 2 nach Anspruch 1 rückbezogen, was noch angängig ist, und löst bei Bedarf, also im vorliegenden Fall den Vorbezug (oder wie immer man diesen Bezug nennen will, vielleicht "vorwärtsgerichteten Rückbezug") nach Anspruch 3 (und 4) aus.

Im Jahre 1964 legte der BGH (34) in einem Nichtigkeitsstreit ebenso wie der Nichtigkeitssenat des Deutschen Patentamtes im Verfahren Ansprüche (4 und 5) zu Grunde, die sachlich nicht auf den Anspruch 1 des Patents rückbeziehbar waren. Die in diesen Ansprüchen weitergebildete Schraubhülse ist erstmalig im Anspruch 3 erwähnt, der jedoch mit den Ansprüchen 1 und 2 für nichtig erklärt worden war. Der Rückbezug in den (zunächst aufrechterhaltenen, vom BGH aber mangels Erfindungshöhe ihrer Gegenstände ebenfalls für nichtig erklärten) Ansprüche lautete: "nach einem oder mehreren (!) der vorangehenden Ansprüche". Weiter heißt es im Urteil "Hiernach ist festzustellen, daß sowohl für den Anspruch 4 als auch für den Anspruch 5 als Oberbegriff nur der Anspruch 1 einzusetzen ist; denn auf diesen Hauptanspruch, der nach der Vorstellung des Anmelders den Kern seiner Erfindung enthalten soll, sind sämtliche Ansprüche 2 bis 4 zurückbezogen" ... "Für den Anspruch 4 kommt es daher nicht darauf an, ob der Füllhalter auch die besonderen Merkmale der Ansprüche 2 und 3 aufweist."

In der Faltenrohr-Entscheidung (35), die Benkard (36) im Zusammenhang mit der "Unterordnung" anzieht, waren nur direkte Unterordnungen der Ansprüche zu beurteilen, weil alle Unteransprüche bis auf einen auf den Anspruch 1 rückbezogen waren und dieser eine (Anspruch 6) auf "Anspruch 1 und 2". Die Offenbarung (der beschränkten Ausführungsform) beurteilte der Senat nicht danach, wie der Rückbezug der Ansprüche gestaltet war, sondern nach der deutlichen Offenbarung in den ursprünglichen Unterlagen ("differenziert beschrieben"). Hierbei ließ er die Auffassung des BPatG nicht gelten, die Patentinhaberin müsse im Beschränkungsverfahren alle Merkmale der Ansprüche (1 und 4) zusammenfassen. Er führt aus, "daß ein Patentinhaber ganz eigenständig darüber befinden soll, ob und in welcher Richtung er sein erteiltes Schutzrecht einzuschränken wünscht."

Zu These 5

Im Straßburger Übereinkommen zur Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen Rechts der Erfindungspatente vom 27. November 1963 ist in Art. 8 Abs. 3 geregelt, daß der sachliche Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt wird, die Beschreibung und die Zeichnung jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind. Diese Vorschriften sind auch in das deutsche Patentgesetz übernommen worden (37). In Erwartung der neuen gesetzlichen Bestimmungen und der sich darauf einstellenden Rechtsprechung haben sich mehrere Sachkundige zur Auslegungspraxis geäußert (1), (2), (3), )9), (38), (39), (40), (41), (42). Übereinstimmend wurde dabei direkt oder indirekt zum Ausdruck gebracht, daß Schutzumfangsfragen nicht Gegenstand des Patenterteilungsverfahrens sind. Unter Berücksichtigung von § 14 PatG, der den Patentanspruch nur in der Mehrzahl nennt, muß unterstellt werden, daß in den Artikeln bei der Erwähnung "des Patentanspruchs" auch die Unteransprüche eingeschlossen sind, für die der Prüfungsausschluß hinsichtlich Schutzumfang erst recht gelten muß, nachdem ihre Gegenstände nicht einmal dahingehend geprüft sind, ob sie patentfähig sind.

Winkler erwähnt die Unteransprüche nur mit der Empfehlung an das Patentamt (38), den Anmelder zu veranlassen, alle unwesentlichen Merkmale in den Unteransprüchen zu beanspruchen, um Elementen- oder Teilkombinationsschutz zu erhalten. Bruchhausen (2), (3) hat dargelegt, was der Anmelder bei der Formulierung der Patentansprüche im Hinblick auf deren Bedeutung für den Schutzbereich beachten muß. Seine Empfehlungen für das Formulieren der Ansprüche, um angemessenen Schutz für den Erfinder und Rechtssicherheit für Dritte zu erlangen, erstrecken sich indirekt auf die Unteransprüche, wenn er rät, "einen ersten Anspruch mit der geringsten Anzahl der Merkmale abzufassen" und "in weitere Ansprüche zusätzliche Merkmale zur Umschreibung seiner (des Verfassers der Patentansprüche) Erfindung aufzunehmen". Anstelle der Umschreibung einer (abstrakt formulierten) Erfindung bilden häufig Weiterbildungen und Ausgestaltungen der Erfindung den Inhalt der Unteransprüche. Inwieweit der Rückbezug der Unteransprüche besonders im Hinblick auf die spätere Auslegung zum Ermitteln des Schutzbereichs eine Rolle spielt, haben weder Bruchhausan (2), (3) noch Ballhaus/Sikinger (1) erörtert.

Mit dem Rückbezug im Unteranspruch wäre eigentlich der Verletzungsrichter konfrontiert, wenn er den Schutzbereich des Patents bemessen will. Der Rückbezug war aber nicht Gegenstand der Betrachtungen in den angeführten Artikeln, was dafür spricht, daß er nicht so bedeutend ist, wie allgemein, jedenfalls im Patentamt angenommen wird. Wie ernst müßte er ihn nehmen? Von Falck (41) sieht die Bindung des Verletzungsrichters an den Akt der Patenterteilung nur in dem Bereich gerechtfertigt, in dem die Erteilungsbehörde sich tatsächlich Gedanken über die Patentfähigkeit des Anmeldungsgegenstandes gemacht hat. Außerhalb dieses Bereichs könne ein Erteilungswille des Patentamts nicht bestanden haben, und demgemäß sollte eine Bindungswirkung nicht anerkannt werden können. Im Prüfungsverfahren findet (auch) in Befolgung der Prüfungsrichtlinien des Amtes keine so umfassende Prüfung des Rückbezugs statt, daß er für den Verletzungsrichter in den Bereich der Bindungswirkung einbezogen werden könnte.

Zu These 6

Wenn man den gängigen und für den Anmelder günstigsten Rückbezug liest, ja immer wieder liest, so klingt er eigentlich recht harmlos: "nach einem der Ansprüche 1 bis 13" oder "nach einem der vorangehenden Ansprüche". Mit der Betonung auf "einem" rückt die Einzahl in den Vordergrund und die Realität, nämlich die Vielzahl von Alternativen in den Hintergrund. Auch für den kritischen Leser ist der anscheinend überschaubare Rückbezug nur scheinbar harmlos. Übersetzt man seinen sachlichen Inhalt, soweit er über den wörtlichen Text hinaus geht, in eine Zahl, die angibt, wie viele Weiterbildungen der Erfindung (theoretisch) möglich sind, dann ist die Überraschung groß. Diese Zahl wird mit der Formel berechnet:

S = 2(n-1)-1,

worin n = die Zahl der Ansprüche ist. Es ergeben sich danach:

mit 5 Unteransprüchen: 31,

mit 10 Unteransprüchen: 1 023,

mit 15 Unteransprüchen: 32 767, und

mit 20 Unteransprüchen: 1 048 575,

Alternativen (= Weiterbildungen der Erfindung). Ein Anspruch mehr, und die 2 Millionengrenze ist überschritten (2097151). Nach oben sind keine Grenzen gesetzt, denn das PatG sieht keine Beschränkung der Zahl der Unteransprüche vor. Sie brächte keine Beseitigung des Problems. Die Unteransprüche würden nur länger und enthielten in vermehrtem Maße fakultative Einschübe.

Johannesson wies auf die gegenüber der europäischen Rückbezugs-Regel liberalere Haltung im Deutschen Patentamt hin (43) und errechnete die Anzahl der Kombinationen, die der Rückbezug zwangsläufig einschließt. Auch er ging ebenfalls von dem für den Anmelder günstigsten Rückbezug "nach mindestens (?) einem der vorangehenden Ansprüche" aus und kam - ohne die Berechnungsformel anzugeben - bei 5 Unteransprüchen auf 28 Kombinationen; tatsächlich sind es sogar 31. Balk (8) zeigte anhand der von der Anspruchsfassung abhängigen Addition der Komponenten die sich ergebenden Mehrstoffsysteme auf und nannte für 4 Unteransprüche die richtige Zahl 15. Johannessons Bemerkung, "es sei die unerfreuliche Aufgabe der Allgemeinheit festzustellen, welche Kombinationen technisch sinnvoll sind", trifft den Kern des Problems genau. Mit jedem weiteren Anspruch, durch den die Zahl der Kombinationen verdoppelt wird, steigt die Aussichtslosigkeit zu prüfen, schneller als sie dem Prüfenden bewußt wird.

Es besteht weitgehende Übereinstimmung darüber, daß § 14 PatG auch den Schutz einer Unterkombination zuläßt, wenn also nicht sämtliche im Patentanspruch 1 genannten Merkmale verwirklicht werden (44), (45). Ballhaus/Sikinger (46) nennen keine Anspruchsnummer, wenn sie Äquivalenz, Überbestimmungen (hierzu auch Vollrath (42)), das Fehlen von Merkmalen und das Weglassen von Merkmalen im Zusammenhang mit der Auslegung des Patents erörtern. Ein Grund, ihre Darlegungen nur auf den Hauptanspruch zu beziehen, ist nicht erkennbar. Sie gelten daher sinngemäß auch für die Unteransprüche. Damit wird die Gesamtzahl der Kombinationen nicht mehr mit der Zahl der Unteransprüche, sondern mit der Zahl der einzelnen Merkmale gebildet. Die Millionengrenze ist dann schon mit 10 Unteransprüchen, je zwei Merkmale aufweisend, erreicht.

Man kann auch anderes herum rechnen und fragen, wann übersteigt die Zahl der Kombinationen die Zahl 100, die eigentlich schon zu viele und daher nicht mehr übersehbar sind. Mit 7 Merkmalen, die ohne weiteres bereits in zwei Ansprüchen enthalten sein können, sind bereits 128 Alternativen bildbar. Zwei weitere Ansprüche mit je drei Merkmalen erhöht die Zahl der Alternativen auf die schon nicht mehr diskutable Menge von 8192. Die Zahlen sind eigentlich unglaublich. Sie liegen so weit von der Prüfungsrealität, daß man sie verdrängen muß. Ballhaus/Sikinger können bei ihrem Appell an das Deutsche Patentamt, auf die Formulierung der Patentansprüche besondere Sorgfalt zu verwenden (44), vermutlich nur an den Hauptanspruch gedacht haben.

V. Der gegliederte Anspruch (Zu den Fundstellen)

Um den Inhalt der Patentansprüche überschaubarer zu haben, wird seit vielen Jahren über Merkmalsanalyse und den gegliederten Patentanspruch diskutiert (6). Das Deutsche Patentamt hat zur Ergänzung der PatAnmVO, §4 vor 10 Jahren ein Merkblatt für das Abfassen von nach Merkmalen gegliederten Patentansprüchen mit 18 Beispielen herausgegeben (47), zwei davon für den einteiligen Anspruch, ohne daß aber ein Umschwung in den Formulierungsgewohnheiten erkennbar wurde. Der von Windisch erwartete Wettbewerb (48) zwischen dem meist verschachtelten Anspruch und dem gegliederten Anspruch hat nicht stattgefunden. Er wäre vom Anmelder zu eröffnen gewesen, nachdem das Amt die Bereitschaft zur Annahme von gegliederten Ansprüchen bekundet hatte.

Die Bemühungen, den gegliederten Anspruch zu fördern, haben sich in letzter Zeit verstärkt. Die PatAnmVO erlaubt für die Fassung des Patentanspruchs jede andere, solange sie sachdienlich ist. Damit bleibt die Frage offen, ob der gegliederte Anspruch bevorzugt nach wie vor in Oberbegriff und Kennzeichen geteilt oder als einteiliger gefaßt werden soll. Warum der einteilige Anspruch erst im Zusammenhang mit der Gliederung ins Gespräch kam, obwohl er nicht von ihr abhängt, ist unbekannt. Sicher brächte der zweiteilige in gegliederter Fassung bereits eine bessere Lesbarkeit und Verständlichkeit des Anspruchs.

Bruchhausen beklagt die zu strikte Befolgung der Bildungsvorschrift für den Oberbegriff, wodurch zwar der Stand der Technik berücksichtigt, die Erfindung aber nicht ihrem Gehalt entsprechend zum Ausdruck komme (49). Mit Nachdruck weist er auf § 4 Satz 2 der PatAnmVO hin (50), wonach der Anspruch nicht darüber Auskunft geben soll, was bereits bekannt ist oder was vom Schutz nicht erfaßt werden soll. Der z. T. durch den Prüfungsablauf bewirkten Spaltung der Erfindung in Oberbegriff und Kennzeichen entspricht die von der Amtsleitung weder bestätigte noch beanstandete Auffassung bei den Prüfern, die Lösung der Aufgabe allein in den Merkmalen des Kennzeichens zu sehen, wie es häufig in der Beschreibung angegeben ist. Windisch ist der Ansicht, daß erst die Verbindung aller Merkmale des Patentanspruchs die Lösung ergibt (51), hat aber sonst gegen die Beibehaltung der Zweiteiligkeit keine Einwände (52). Auch er plädiert für eine flexible Handhabung der Gliederung und weist hinsichtlich des Aufwandes bei Änderung einer bereits vorhandenen Gliederung auf die "Überarbeitung aller Bezugnahmen" hin. Die oben genannten Zahlen werden die Entscheidung erleichtern, ob sich der Aufwand lohnt.

Ballhaus/Sikinger wenden sich gegen die Gliederung des Anspruchs in Oberbegriff und Kennzeichen, die sie als nicht sinnvoll bezeichnen (53). Vielleicht überzeugt letztlich das Argument von Bruchhausen (49), "daß in Verletzungs- und Nichtigkeitsprozessen die gegliederte Anspruchsfassung (Oberbegriff und Kennzeichen) nur selten ausreicht, den Gegenstand des Schutzes zu umschreiben, und daß in der überwiegenden Zahl der Streitfälle dieser Gegenstand von den Gerichten anders umschrieben wird als durch seine unglückliche Aufteilung in "0berbegriff" und "Kennzeichen", um die Verbreitung des einteiligen Anspruchs zu fördern.

Die offizielle Förderung des einteiligen und damit zwangsläufig gegliederten Anspruchs ist jetzt im Deutschen Patentamt angedacht worden. Z. Zt. wird eine diesbezügliche Änderung des PatAnmVO diskutiert, die neben der sehr problematischen Freistellung des Anmelders von klaren Angaben zur technischen Aufgabe die künftige Fassung des Patentanspruchs umfaßt. Es bleibt zu hoffen, daß sich die noch aktuellen Vorstellungen des Gesetzgebers dahin gehend modifizieren lassen, daß der Anmelder Anreiz und Hilfestellung zum Abfassen einteiliger Ansprüche erhält. Z. Zt. sind derartige Formulierungen im Änderungstext nicht erkennbar.

VI. Die Konsequenz

Die Diskussion um das "und" im Summen-Rückbezug ist nur eine Gedankenspielerei, verglichen mit der Vervielfältigungsmacht des Rückbezugs, der eine nicht mehr übersehbare Zahl von Gegenständen im geprüften Patent verbirgt, von denen meist nur ein einziger vor Gericht geltend gemacht wird. Gilt für den Rückbezug schon die Bindungsfreiheit des Verletzungsrichters, dann erst recht für Ausführungsformen, auf die der Wortlaut der Ansprüche nicht paßt, und für Teilkombinationen, die nicht Gegenstand der Prüfung vor Erteilung des Patents sind. Sie können es nicht sein, weil der Gegenstand der Verletzung nicht im voraus bekannt ist. Die schwierige Aufgabe der Prüfer im Deutschen Patentamt, einen angemessenen Schutz für den Erfinder und Rechtssicherheit für Dritte anzustreben, hat Bruchhausen mit dem Hinweis auf die Erfahrung höchster Gerichte und namhafter Sachkenner beschrieben (54), wonach "die menschliche Phantasie nicht ausreicht, um schon bei der Patenterteilung die Fülle der Fragen zu überblicken, die durch später auftretende Verletzungsfälle für die Begrenzung des sachlichen Schutzbereichs aufgeworfen werden, und daß im Augenblick der Patenterteilung so gut wie niemals die zahlreichen und mannigfaltigen Möglichkeiten überblickt werden können, die sich für eine Benutzung, Umgehung und Ausgestaltung der geschützten Lehre ergeben können."

Mit der gesetzlich vorgeschriebenen, (mindestens erwähnten) Angabe des Rückbezugs in Patentansprüchen und der Zulassung der Korrektur im Erteilungsverfahren wird der Anschein erweckt, als wären alle Kombinationen wenigstens philologisch geprüft. Die Wahrscheinlichkeit, daß die möglichen Kombinationen nicht geprüft sind, wächst aber potenziell mit der Zahl der Rückbezüge. Abwandlungen der Erfindung im Rahmen des Erfindungsgedankens fallen nicht unter den Prüfungsauftrag der Erteilungsinstanzen. Vielmehr fällt es in den Bereich des Verletzungsrichters zu beurteilen, ob die Abwandlung der geschützten Erfindung auf Grund der Offenbarung schützbar ist, ein Argument übrigens, das von der Anmelderschaft immer wieder vorgebracht wird. Schließlich steht die geringe Aufmerksamkeit, die der Rückbezug auch vor Gericht findet, im Gegensatz zum Formulierungs-, Leseund Prüfungsaufwand.

VII. Der Anspruch ohne Rückbezug

Zum Herstellen der logischen Verbindung zwischen den Ansprüchen ist der Rückbezug nicht unbedingt erforderlich. Sachliche Lücken sind bereits aus dem Text heraus erkennbar und dienen )a auch als Grund für entsprechende Beanstandungen und Änderungen. Vor Gericht wäre ein solcher Ausschluß der Verknüpfung ebenfalls erkennbar und als unzulässig erklärbar. In Ausnahmefällen kann die Verknüpfung angegeben werden. Beispiele für ein Patentbegehren ohne Rückbezug:

1.   Tisch ... mit folgenden Merkmalen:

1a. Tisch, mit den weiter(bildende)n Merkmalen:

1b. Tisch, mit den weiteren Merkmalen:

An welchen Anspruch sich jeweils das Wort "weiter" anschließt, im Sinne des Alternativ-Rückbezugs "nach einem der vorangehenden Ansprüche", bleibt offen. Die Notwendigkeit eines Sonder-Rückbezugs (etwa in der Fassung "Tisch (ab Anspruch 1b, mit den weiteren Merkmalen") wird bestritten, so lange er im Verfahren vor der Erteilung des Patents überblickt werden kann und im Verfahren nach der Erteilung sogar vom BGH ignoriert wird. Andere Möglichkeiten für das Numerieren sind durch Punkt getrennte arabische Ziffern (1.1, 1.2 usw.). Beispiele dafür sind im Merkblatt für das Abfassen gegliederter Patentansprüche enthalten (55).

Bei dieser Gelegenheit soll auch noch die Frage aufgeworfen werden, ob die Benennung der Ansprüche sinnvoll ist. Kumm hat sich dagegen gewandt, den 1. Anspruch prinzipiell "Hauptanspruch" zu nennen (56) auch die geltende PatAnmVO mißachtet die patentrechtliche Gleichberechtigung verschiedener selbständiger Lösungen der Aufgabe, wenn sie die entsprechenden Ansprüche als "Haupt- und Nebenanspruch" bezeichnet (57). Eine technische Rangordnung für mehrere Lösungen der Aufgabe festzulegen, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben und für die Beurteilung der Patentfähigkeit nicht erforderlich. Sie dürfte sich auch ändern, je nachdem mit welchem Teil des Standes der Technik die Lösungsgegenstände verglichen werden. Als sachgerechte Benennung der Anspruchstypen wird vorgeschlagen:

"Patentanspruch" für den Hauptanspruch und

"weiterer Anspruch" für den Unteranspruch.

Bei nebengeordneten Ansprüchen:

"1. Patentanspruch" für den Hauptanspruch und

"2. Patentanspruch" für den 1. Nebenanspruch usw.,

jeweils mit "weiteren Ansprüchen", die entsprechend ihrer Zuordnung (gleiche arabische Ziffer) mit Buchstaben versehen werden. Im seltenen Fall, daß ein Anspruch von beiden (oder allen) nebengeordneten Ansprüchen abhängt, kann die gleichzeitige Zuordnung dadurch angezeigt werden, daß der Anspruch die Nummern beider (oder aller) Hauptansprüche erhält, mit dem jeweils nächst fälligen Buchstabenindex: z.B. "1f/2d", "1f/2d/3b".

VIII. Unteransprüche?

Der einteilige gegliederte Anspruch wäre ein idealer (Haupt)Anspruch für die nachfolgenden ebenfalls einteiligen, weil keinen Rückbezug aufweisenden Unteransprüche, worin die Bezifferung der Merkmale in derselben Weise fortgeführt werden kann, wie es Beispiel Nr. 3 des Merkblattes (47) im Anspruch 2 vorschlägt. Die sachliche Aussage einer Merkmalsangabe ist nicht davon abhängig, ob sie in einem Unteranspruch oder in einer anderen Gliederung erfolgt. Mit anderen Worten, die weiterbildenden Merkmale können ohne Verlust an Information in einer sich an die Gliederung des Patentanspruchs (Hauptanspruch) anschließenden weiteren Gliederung aufgeführt werden. Die Unteransprüche sind überflüssig. Das Patentbegehren besteht damit nur noch aus dem "Patentanspruch", bisher Anspruch 1, und dem "weiteren Anspruch", bisher die Unteransprüche.

Nochmals: Der "weitere Anspruch" entspricht dem jetzigen Unteranspruchssystem und bildet eine Liste der kennzeichnenden Merkmale der üblichen Unteransprüche, nicht nur für den Verletzungsrichter übersichtlich und ohne verwirrende Rückbezüge aufbereitet.

Berechnungsbeispiele für die Zahl der Kombinationen

Fundstellen

 



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