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Bildung Grade Titel XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / Das deutsche Titelwesen XXXXXXXXXXXXXXXX / Die Folgen des Titelwesens
 

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Die Folgen des Titelwesens für die Gesellschaft
 Kommentar


Die früher fast uneingeschränkt geltende Ansicht, der Doktorgrad, in der Umgangssprache oft als Titel bezeichnet, sei Bestandteil des Namens, hat offenbar den im Artikel 3 des Grundgesetzes definierten Gleichheitsgrundsatz außer Kraft gesetzt. Viele Akademiker, bspw. Juristen, haben ein komplettes Studium absolviert, ohne danach den Doktorgrad erworben zu haben. Auch die Zahl der Ärzte steigt, die sich ohne Doktorgrad niederlassen (siehe 3.d) und mit dem Verdacht fertig werden, kein vollwertiger Arzt zu sein. Außerdem war es möglich, und es wurde auch entsprechend genutzt, ohne Staatsexamen zu promovieren.

Auf einem anderen Blatt steht das Bestreben, wenn schon nicht mit Geld, dann wenigstens unter Ausnutzung von Beziehungen und politischer Macht den Doktorgrad und damit einen schmückenden Titel zu erwerben, siehe "Die Würzburger Doktorfabrik" und "Der Professor muß es sein".

Die besondere Hervorhebung eines Promovierten ignoriert, daß der akademische Grad keine Garantie für beständige Leistungsfähigkeit und -bereitschaft ist, die das lebenslang automatische Hervorheben des Promovierten gegenüber anderen Mitbürgern und Leistungsträgern der Gesellschaft rechtfertigt. Die sich besonders unter jüngeren Menschen ausbreitende Nüchternheit in Fragen von Graden und Titeln aller Art werden diejenigen begrüßen, die an einer Verringerung von Vorurteilen in der Gesellschaft interessiert sind. Die noch immer weit verbreitete Meinung, der Herr Dr. Meier könne, wisse und leiste mehr als der Herr Meier, und zwar bis zum Beweis des Gegenteils, widerspricht den Grundsätzen einer demokratischen Gesellschaft.

Die meistens unvollständige Angabe des Doktorgrades, also ohne Nennung der Fakultät erschwert es außerdem zu beurteilen, ob der "Begradete" eine in seiner aktuellen Position hilfreiche oder sogar notwendige besondere Sachkenntnis aufweist. Gerade auf diese hinzuweisen wäre der alleinige Grund, den akademischen Grad, vorzugsweise hinter dem Namen zu nennen, wie es vor langer Zeit der Fachausschuß für Umgangsformen im Deutschen Tanzlehrerverband vorgeschlagen hat, z. B. in der Form "Herr Meier, promovierter Jurist, Arzt, Chemiker u. dergl.). Das Kürzel "Dr." weist lediglich auf eine vor unbekannter Zeit erfolgreich vorgelegte Dissertation von nicht selten zweifelhaftem, mindestens unbekanntem wissenschaftlichen Wert hin. Erst die Fakultätsangabe gibt wenigstens einen Anhalt für die fachliche Ausbildung des Promovierten.

Dem promovierten Juristen Manfred Köhnlechner wurde seinerzeit untersagt, den abgekürzten Doktorgrad im Zusammenhang mit seiner Berufsbezeichnung als Heilpraktiker zu führen. Der Diplomgrad (Di.) wird, falls überhaupt erwähnt, häufig in ausgeschriebener Fassung als Berufsbezeichnung (Diplomingenieur, zu unterscheiden vom Bauingenieur, Elektroingenieur u. dergl; Diplomspychologe, zu unterscheiden vom Familienspychologen u. dergl., Diplomchemiker, zu unterscheiden vom Lebensmittelchemiker, Kunststoffchemiker u. dergl.) mißbraucht. Hierin liegt nicht nur eine auch nach Ansicht des BGH´s sachwidrige berufliche Einordnung des Gradträgers, sondern auch eine unbegründete Herabsetzung des Diplomierten, der ebenso wie die Promovierten ein Leistung forderndes Universitätsstudium erfolgreich abgeschlossen und eine mit der Dissertation vergleichbare Diplomarbeit vorgelegt hat. Dem Di.-Gradträger sollte es daher gleichfalls freistehen, sein Studienfach bei Bedarf zu offenbaren, wie es den Dr.-Gradträgern zugebilligt wird. Nach Kenntnis der Dissertation so mancher "Doktoren" (siehe 3. a,b) sind Zweifel angebracht, ob die von ihnen erbrachte "wissenschaftliche Leistung" das von ihnen beanspruchte und von der Gesellschaft ungeprüft verliehene Ansehen begründen kann.

Ein auffälliges Beispiel für eine geradezu penetrante Betonung akademischer Grade zeigt die in München erscheinende Monatszeitschrift des Bundes der Steuerzahler. Darin werden seit vielen Jahren Promovierte grundsätzlich bei jeder Namensnennung akademisch verziert und sogar der ausländische Ehrendoktorgrad (Dr. h.c.) des Vorsitzenden des Verwaltungsrates in strafbedrohter Weise (ohne Angabe der Herkunft) ebenfalls grundsätzlich als Namensvorsatz veröffentlicht.

Das deutsche Titelwesen

 



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