Thomas Steinfeld im Artikel „Eine Art Adel (SZ vom 08.02.2013) zu den unterschiedlichen Dissertiermotiven. Er nennt sie „Die drei Typen des akademischen Grads 'Doktor':
Typ 1, der Arzt: Seinen Namenszusatz bekomme er oft auch dann zugesprochen, wenn er ihn gar nicht erworben hat. Der Grad, seine dem Laien unverständliche Sprache und die meist unleserliche Schrift werden, so Steinfeld, als Ausdruck des Zugangs zu höherem, der Allgemeinheit verborgenem Wissen wahrgenommen. Deswegen werde im akademischen Vergleich auch zwischen dem 'Berufsdoktorat' des Arztes und dem echten 'Doktor' unterschieden.
Der zweite Typ, der Wissenschaftler, erwägee zumindest eine akademische Karriere. Für sie sei der Doktorgrad eine Voraussetzung für den Zugang zu den oberen Laufbahnstufen.
Für den dritten Typ ist der Doktorgrad laut Steinfeld „tatsächlich ein Titel: ein Namenszusatz, den man sich im Personalausweis eintragen lassen kann, ein Ornament, das seinen Träger vermeintlich in ein Wesen höherer Ordnung verwandelt, ein seltsamer Schmuck, den zu erwerben eine Anstrengung von Jahren voraussetzt.
Die Ansicht Steinfelds, „man brauche (den Doktorgrad) weder im Beruf noch anderswo, widerspricht der Realität. So ist es mindestens in der Chemiebranche nicht nur üblich, sondern meistens erforderlich, den Doktorgrad vorzuweisen. Sonst und vor allem dient er als Therapeutikum bei Komplexen, mangelndem Selbstbewusstsein und anderen psychischen Störungen. Wie wichtig und begehrt dieses Mittel zur Persönlichkeitsstärkung ist, beweisen die Fälle, in denen zum unredlichen Erwerb wie Kauf und sogar Betrug gegriffen wird, um am hohen Ansehen der Titelträger in der Gesellschaft teilzuhaben.
In diesem Zusammenhang ist auch Steinfelds Bezeichnung „Eine Art Adel verständlich. Der Doktorgrad verleiht dem Träger ein gesellschaftliches Ansehen, wie es früher vor seiner Abschaffung in Deutschland dem Adel zustand, obwohl akademische Grade nach höchst-richterlicher Rechtsprechung kein Bestandteil des Namens sind. Auch der immer noch mögliche Eintrag des Grades in der Namenszeile von Pass und Ausweis widersprechen geltendem Recht. Die Missachtung rechtlicher Normen durch Regierung und Verwaltung beweist den hohen Stellenwert, den der Doktorgrad hat und auf den die Träger keinesfalls verzichten wollen. Erstaunlich ist die Großzügigkeit, mit der bereits zwei Buchstaben (Dr.) als Leistungsnachweis hingenommen werden.
Es ist dieser dritte Typ, der dafür sorgt, dass nicht nur die „Liebe zum Doktor, wie Steinfeld meint, sondern die Gier nach akademischer Verzierung des Namens im Ausland als spezifisch deutscher Wahn aufgefasst wird.
Ulrich Werner am10.3.2013
Leserbrief zum Thema an die SZ
|