Die plötzliche Wiederbelebung des „Doktortitels im weltweit bekannten Technologiekonzern Bosch fällt ausgerechnet in eine Zeit, in der frischer Wind durch Deutschlands verstaubtes und von Unredlichkeiten durchdrungenes Titelwesen bläst. Die darin als Tradition gehütete Überbewertung des Doktorgrades, häufig als die Persönlichkeit stabilisierendes Statussymbol missbraucht, widerstand bisher sogar Urteilen höchster deutscher Gerichte (BVG, BGH), und zwar ohne Rücksicht auf den Anspruch, weltweit als Rechtsstaat zu gelten.
Angeblich beruhte in der Firma Bosch die firmeninterne Missachtung des Doktorgrades auf Anordnung des Firmengründers Robert Bosch vor über 125 Jahren. Es ist daher verständlich, dass die ihres akademischen Rückrads beraubten Führungspersonen bei Bosch endlich wieder in den deutschlandweiten Kreis der lebenslang hochgeachteten Titelträger zurückkehren wollten.
Hägler berichtet auch von einem völlig anderen Trend im Umgang mit Promovierten. So seien die Umgangsformen in Betrieben und Organisationen legerer geworden. Statusdurchdrungene Hierarchien werden durch vornamengestützte Kommunikationen ersetzt. Auch bei Personalvermittlungen spielen Akademische Grade keine Rolle mehr. Im Ausland ist der übertrieben ehrerbietige Umgang mit Promovierten nach deutscher Art unüblich, besonders in den USA. Von dort nach einem längeren Aufenthalt zurückgekehrt berichtete kürzlich Kurt Bock, promovierter Betriebswirt und Vorstandsvorsitzender der BASF, er sei dort nie mit „Dr. Bock, sondern stets mit „Kurt angeredet worden. Von der titellosen Anrede beeindruckt forderte er deshalb die Mitarbeiter auf, künftig auf die Erwähnung von Titeln bei der Anrede zu verzichten. Dies sei zeitgemäßer und entspreche Stil und Gepflogenheiten in einem internationalen Unternehmen.
Über Bocks vorbildliche Anregung bei BASF wurde in der SZ nicht berichtet.
Ulrich Werner am 14.7.2013
Ergänzung des Leserbriefes
Das deutsche Titelwesen
|