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Gehirn - Geist / Gehirn & Geist Ausgaben / Jahrgang 2005 / 4/2005 / G.'Why not bomb them today?'
 

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"Why not bomb them today?"
 Ob es sich um den Abschuss einer Atomrakete oder um die Wahl der richtigen Brille handelt – oft beeinflussen Gefühle unsere Entscheidungen und entziehen sie so allen Gesetzen der Vernunft. Trotzdem verstehen Neurowissenschaftler immer besser, warum wir tun, was wir tun. Von Laura Spinney

Gehirn & Geist Nr. 4/2005 S. 62 bis 67

Mitte der 1950er Jahre, auf einem ersten Höhepunkt des Kalten Kriegs zwischen den
Machtblöcken des Ostens und des Westens, gaben die Wissenschaftler der RAND Corporation (von Research And Development) dem amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman folgenden Rat: Die Russen besitzen Atomwaff en, und wir auch. Besser also, wir greifen an, bevor sie uns angreifen.

Zwar konnten die klugen Köpfe der nationalen Strategien- und Ideenschmiede weder die  Gedanken der gegnerischen Seite lesen noch kannten sie deren Pläne im Detail. Doch die Forscher vertrauten den Regeln einer neuen, verheißungsvollen Methode: der Spieltheorie – dem jüngsten Geniestreich des Mathematikers John von Neumann (1903 – 1957) und des Ökonomen Oskar Morgenstern (1902 – 1977). Ein Konfrontationskurs erschien den Wissenschaftlern danach als wahrscheinlichster Ausgang des Dilemmas. »Why not bomb them today?«, soll der 1930 in die USA emigrierte gebürtige Ungar von Neumann angeblich
gefordert haben – wenn wir nicht handeln, tut es die Gegenseite. Ein Blick auf die Geschichte zeigt jedoch, dass die Mathematiker in Bezug auf Truman und die Sowjets irrten: Beide Großmächte entschieden sich gegen einen atomaren Präventivkrieg und gingen den augenscheinlich riskanteren Weg der Waff enruhe.

Menschliche Entscheidungen – ob von weltgeschichtlicher Tragweite oder scheinbar belanglos – gehorchen nicht rein rationalen Gesichtspunkten. Zum Glück nicht, wie das Beispiel aus dem Kalten Krieg zeigt. Beim Abwägen von Vor- und Nachteilen spielt ein ganzes Bündel von emotionalen und sozialen Faktoren eine Rolle. Während die Mathematik
hier vorerst ihre Waff en streckt, rüsten sich nun die Neurowissenschaften mit hochmodernen bildgebenden Verfahren und machen sich daran, unsere Entscheidungen vorherzusagen – und sie womöglich sogar zu beeinflussen.

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