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Sprache / Deutsche Sprachwelt DSW / ß ist überflüssig / Leser zum ß
 

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Das ß ist ein Teil unserer Identität
Zum Leserbrief „ß ist überflüssig" (DSW 22) von Helmut Kühnel

Deutsche Sprachwelt Ausgabe 23

Prof. Dr. Hans-J. Niederehe:

Leser Helmut Kühnel hat nicht recht, wenn er schreibt: „Dieser Buchstabe ist zwar ein typisch deutscher, doch der uneuropäischste, den man sich denken kann." Tatsächlich ist die Ligatur ß im 16. und 17. Jahrhundert auch im Italienischen, Spanischen, Französischen und Englischen verwendet worden. In diesen Sprachen verschwindet sie aber im Laufe der Zeit, genauso wie im Schweizerdeutschen. Nur im bundesrepublikanischen Deutsch ist sie beibehalten und bei der Orthographiereform noch zusätzlich mit der Funktion „Längezeichen für den vorausgehenden Vokal" befrachtet worden. Leser Kühnel hat recht mit der Aussage: „Die neue Rechtschreibung ist überhaupt nicht genügend durchdacht", und deswegen bleibe auch ich bei der Nichtregierungs-Orthographie, der klassischen Rechtschreibung

Kurt Nau:

Das ß ist typisch deutsch. Warum denn nicht? Andere Sprachen haben auch ihre Eigenheiten. Da denkt aber keiner daran, das zu ändern.

Paul F. Wagner:

Ich habe mit der „Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ) in den achtziger Jahren einen Briefwechsel gehabt, daß es ein Mangel sei, wenn sie kein ß schreibe. Das Ergebnis war, daß mir der Chefkorrektor gestanden hat: „Ich stimme mit Ihnen überein, daß [und er schrieb daß!] die Abschaffung des ß eine Leichtfertigkeit war und höchstens den Lehrern genützt hat." Und in einer Sprachglosse Jahre später schrieb ein Redaktor der NZZ, was man beim Schreiben an Überlegung spare, wenn man ss statt ß schreibe, das brauche man - und manchmal mehr -, um beim Lesen den Sinn zu verstehen. Die Abschaffung des ß sei also kein Gewinn gewesen.

Gunther Hartmetz:

Natürlich scheint es unsinnig, erst das ß abschaffen zu wollen und es dann doch - teilweise - zu belassen. Da aber Deutsch eine Sprache und nicht nur ein europäisches Verständigungsmittel ist, kann man auch das ß nicht entbehren. Schließlich ist es ein Unterschied, ob einer das Bier in Maßen oder in Massen trinkt. Und da auch ein Kuss nicht besser ist als ein Kuß, hätte man es bei der bewährten Schreibung belassen sollen.

Erhard Maaßen:

Leider hält auch die Schweiz das ß für überflüssig. Herr Kühnel hält das ß für uneuropäisch. Wie hält er es dann mit dem skandinavischen 0 oder den französischen Lautzeichen über den Buchstaben? Ich wehre mich dagegen, daß zum Beispiel mein Name mit ss geschrieben wird. Bei Postsendungen landen solche Verfälschungen meines Namens ungelesen in den Papierkorb.

Karl Heinz Pape:

Die Meinung von Herrn Kühnel in Ehren, aber sie darf nicht Allgemeingut werden. Das ß gehört als gewachsener und fester Bestandteil zur deutschen Schrift. Es ist eine kleine Besonderheit, sicher, aber auch ein Stück unserer Identität und unseres Profils. Daran mag sich stoßen wer will. Das ß gehört auch zu unserer in Jahrhunderten gewachsenen Leitkultur. Wir müssen nicht an der Schreibung herumbasteln, wie es die Jünger der Frankfurter Schule gern hätten. Laßt uns am Alten, so es gut ist, halten. Bei uns ist Schrift und Schreibung alt und gut. Verändern die Araber, Chinesen. Russen auch ihre Schrift, um gegebenenfalls anderen Völkern gefällig zu sein?

Max Schio, Schweiz:

Wodurch unterscheiden sich „Masse" und „Maße"? Ist ja nicht das gleiche! Erwiesenermaßen (-massen?) können nur noch Teile der Deutschsprechenden „dass" und „das" richtig verwenden; selbst nach dem Abitur gelingt es nicht allen! Mit ß („daß") bleibt der Unterschied augenfällig. Und einer Schiessscharte ziehe ich noch immer die Schießscharte vor. Wäre der Kreisssaal allenfalls eßbar? Ist da Kreißsaal nicht eindeutiger? Seit die Nationalsozialisten den Fraktursatz abgeschafft haben, gingen auch die Ligaturen verloren, samt dem „langen s". Ist das Kreischen ein kleiner Kreis oder die Stimme der Möwen? 

 



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