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Oh man, oh man
von Ingo Dedenbach, Bad Breisig, im April 2003 


Ich denke mal, oder würde ich? Und das vor Ort. Menschen in der DDR, die sich einen neuen Arbeitsplatz im „Westen“ suchten, wurden von den Bleibenden beschimpft mit: „Man verläßt doch nicht sein Kollektiv!“ Nein. Da hat doch dieser Philosoph Martin Heidegger schon in einem seiner Werke unverhohlen seinen Unmut geäußert:

„ ... Dasein ist immer schon verfallen an die anonyme Uneigentlichkeit des „Man“, auf der Flucht vor der Einsamkeit des Selbstseins“.

Aber was soll das, fragen die Betroffenen, der ist doch schon über ein Viertel Jahrhundert tot und man kennt ihn kaum.

Die zunehmende Verhunzung unserer schönen deutschen Sprache darf jedermann täglich in vielen deutschsprachigen Fernseh- und Rundfunksendern unter dem Sammelbegriff Erzählschau „genießen“. Früher habe ich erst nach dem fünfzigsten man, z.B. bei Sabine Christiansen, abgeschaltet. Im vergangenen Monat drückte ich den AUS-Schalter zum letzten Mal: NDR Talkshow (Puder-Schau) mit Jörg Pilawa. In 30 Minuten hatte der Erzählmeister sich genau 30 Mal übermant. Es reicht mir jetzt, mein Bedarf ist gedeckt.

Auch das Versenden meiner i-meils über man, sowie über ich würde (seit Jahrzehnten im Gebrauch mit starken Zuwachsraten), vor Ort und ich denke (mal) an die Fernsehredaktionen habe ich eingestellt, nachdem ich erkennen mußte, daß ich nichts bewirke. Sie, verehrte Leser dieser Seite, können viel bewirken, wenn Sie Ihre Gesprächspartner hartnäckig fragen: „Wer ist man, wen meinen Sie damit?“ Sie werden über die Antworten verblüfft sein. Nachhaken bei den anderen Sprechblasen ergibt ähnlich verschwommene Antworten.

Sind Sie im Moment vor Ort, ich meine, sitzen Sie vor dem Monitor des PC's? Beim Überfall der Amerikaner und Briten auf den Irak war man auch vor Ort. Bei den Brandanschlägen auf die Zivilbevölkerung war die Feuerwehr vor Ort, aber leider nicht am Ort. Es ist sehr traurig. Mit unserer Sprache wird Schindluder getrieben. Viele Damen und Herren Journalisten machen sich zu oft keine Gedanken mehr, daß ihre miserable Sprache von Schülern und Erwachsenen kritiklos übernommen wird.

Man kann ja mal vorbei kommen, wenn man nicht stört. Dann war man rücksichtsvoll. Man rudert dabei nicht allein im Badewannendeutsch (voll von Schwamm-und Blasenwörtern), sondern in erstbester Gesellschaft mit vielen Mänätschern, Politikern, Reportern und Moderatoren, würde ich sagen. Ausbüchsen ist angesagt, keine Stellung beziehen gefragt. Hat man einmal die Floskeln verinnerlicht, passen sie fast immer zur Unverbindlichkeit und Feigheit vor Roß und Reiter. Und schon ist man der ideale publikumswirksame Mänätscher, Politiker und so weiter.

Ich würde fragen wollen, wer bremst diese in den Medien aller Art, ob Funk oder Fernsehen, ob von uns direkt oder über Steuergelder finanziert, auftretenden pseudo-philologischen Ich-würde-Luftbläser, die ihre verbalen Plattheiten den Menschen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien (Eupen) und Italien (Südtirol) scham- und einsichtslos vortragen dürfen? "Man muß", "man kann", "man darf", man würde, ja merkt man denn nicht die fortschreitende Verblödungsentwicklung, die der Publizist Johannes Gross in dem aus Geldmangel inzwischen dahingeschiedenen Kulturblättchen „Frankfurter Allgemeine Magazin“ schon vor einigen Jahren beklagte, daß wir (nicht man) nun die Stufe erklommen haben, auf der Fernsehen von Dummen für Dumme gemacht wird?

Nach dem populistischen Diskobesuch des Kanzlerkandidaten sagte dieser: „Man hat mir gesagt, man muß das machen“. So bleibt man bei man und dem Gestammel, also voll im Trend der Zeit. Haben eigentlich die Manns, Heinrich Heine, Goethe, Böll, Grass und die anderen wichtigen Dichter der Neuzeit sich auch auf diese dämliche Plattform begeben? Und die Damen und Herren Deutschlehrer und Germanistikprofessoren? Ich weiß, ich weiß. Man möchte ja die "Lehrmeister" an unseren Schulen und Universitäten nicht vergraulen, das wäre ja auch gräulich, oder? Hat es etwas mit Grauen zu tun oder nur mit grausam? Wer aber merkt es nicht oder sieht sogar tatenlos zu, wie unsere Sprache still aber fortschreitend verhunzt wird? Die Vorgenannten, die weniger "Lehr-" als "Leermeister" sind, die die Sprachschatztruhe des Deutschen leeren und den Lehrplan strickt einhalten? Und der Duden? Ach, der dokumentiert das Ergebnis, er zählt fleißig die Wörter, wie sein Auftrag lautet.

Ich würde sagen, man kann ja mal an PISA denken, weil es wäre gut (neudeutscher Sprechblasensatzbau), wenn man deswegen nicht auswandert, sondern nur vor Ort bleiben würde. Ich jedenfalls bin stinksauer, weil ich werde angefeindet, wegen meines Man-, Ich-denke-, Würde- und Vor-Ort-Tics. Es sind ja immer die anderen schuld. Nur die merken es nicht. Und Sie?

Helfen Sie bitte mit, diese Manie zu beenden oder zumindest einzudämmen.


 



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