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Verloren in der virtuellen Welt Weil das Internet Schüler süchtig macht, hat eine Gesamtschule in Neumünster Computern den Kampf angesagt
DIE ZEIT, 12.06.2008 Nr. 25
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Als die Erzieherin Astrid Schulzke vor neun Jahren an der Gesamtschule Brachenfeld in der holsteinischen Kleinstadt Neumünster anfing, war sie die Frau für die kleinen Wunden. Sie klebte Pflaster auf blutig geschlagene Knie ballspielender Kinder, aber sie hätte hilflos dagestanden, wenn ihr ein Schüler erzählt hätte, dass man ihn in einem Chatroom als »verficktes Opfer« beschimpft habe. Ein Chatroom? Es gab in der Schule einen separaten Raum, das schon, aber dort berieten sich Eltern mit Lehrern. Das Zimmer ist heute Astrid Schulzkes Zimmer. Sie sagt: »Ich nenne es inzwischen mein Mobbingbüro.« In einer Ecke steht eine orangerote Couch, für Krisengespräche, aber wichtiger sind ihr der Computer und der Internetanschluss.
Über die virtuelle Welt, in die Astrid Schulzke den Schülern heimlich folgt, wissen die meisten Lehrer nichts, die meisten Eltern auch nicht. Die Sozialpädagogin muss nachtaktiv sein, unauffällig hin und her springen und alle paar Tage ihre Identität wechseln, damit sie sich nicht verrät. Sie muss versuchen, alles mitzukriegen, auch wenn ihr das niemals gelingen kann. Von den fast 1200 Schülern sind 1080 beim Internetforum SchülerCC angemeldet, einer großen Schwatzbude. Sogar Zwölfjährige schalten noch abends um elf zu Hause ihren Rechner ein und chatten. Auch das kann Astrid Schulzke auf ihrem Bildschirm sehen.
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